Mönchengladbach Eine Milliardärin nimmt sich zu viel raus

Mönchengladbach · Mit der Frage, wie weit die Macht des Geldes reichen darf, befassen sich 20 jugendliche Langzeitarbeitslose. Sie erarbeiten unter Leitung der Theaterpädagogin Theresa Sokolowski im Haus der Jukomm ein Stück von Dürrenmatt.

 Reporter Marco (vorn mit Mikrofon) interviewt in einer Szene der Tragikomödie "Der Besuch der alten Dame" das Publikum. Hinten rechts Sara und Cheron in den Rollen von Claire Zachanassian und ihrem Ehemann. Die Premiere ist am 11. April im Theater Mönchengladbach

Reporter Marco (vorn mit Mikrofon) interviewt in einer Szene der Tragikomödie "Der Besuch der alten Dame" das Publikum. Hinten rechts Sara und Cheron in den Rollen von Claire Zachanassian und ihrem Ehemann. Die Premiere ist am 11. April im Theater Mönchengladbach

Foto: Isa Raupold

Sie erheben sich von ihren Plätzen, stellen sich im Raum verteilt auf und skandieren im Sprechchor simultan: "Schlimm ist es, wenn Panzer durch Kornfelder rasseln oder der Pilz der Atombombe aufsteigt — doch nichts ist ungeheurer als die Armut". Die Szene aus dem Schauspiel "Der Besuch der alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt sagt den 18 jungen Leuten etwas, das verrät schon ihre Mimik beim Vortrag im Jugendzentrum Step der Jugendkooperative Jukomm.

Überwiegend Hartz-IV-Empfänger wirken mit bei diesem Projekt, das von dem Verein Projektfabrik, den Job-Centern Mönchengladbach, Krefeld und Neuss und vom Jugendförderungswerk Mönchengladbach unterstützt wird. Fünf Monate lang haben 20 junge Arbeitslose bei der Jukomm an der Stepgesstraße geprobt, dabei machte der Theater-Coach Theresa Sokolowski (51) die Jugendlichen mit den Grundzügen der Schauspielerei und der Bühnenaktion vertraut.

Sprach- und Atemübungen

"Wir haben morgens mit Aufwärm- und Atemübungen begonnen, dann Sprachtraining gemacht und viel improvisiert", berichtet Viola. Sie spielt im Stück die Lehrerin. "Ich habe meine ersten Theatererfahrungen im Kindergarten gesammelt, danach lange ausgesetzt", erzählt sie , "jetzt habe ich mir fest vorgenommen, in dieser Richtung weiterzumachen."

Auch andere Teilnehmer haben beim Projekt JobAct und dank der Vermittlung durch Theresa Sokolowski "Feuer" gefangen. "Das Textlernen klappte besser, als ich das erwartet hatte", freut sich Sarah, sie spielt die Titelrolle der Milliardärin Claire Zachanassian in der Inszenierung, die das Team am 11. und 12. April im Theater Mönchengladbach aufführen wird.

Viele Talente entdeckt

Dominik spielt das Opfer Ill, dessen gewaltsamen Tod die rachsüchtige, einst von ihm mit unehelichem Kind sitzen gelassene Claire von der Bevölkerung der Kleinstadt Güllen fordert. Das "stärkste" Argument der schwerreichen Milliardärin: Sie badet im Geld. "Nichts tut so sehr weh wie der Zorn einer verschmähten Frau", ergibt sich Dominik mit sarkastischem Humor in sein Bühnenschicksal. Klar widerspricht dieser Haltung Marco, der den Bürgermeister und einen Reporter mimt: "Ein solches Verhalten kann kein Maßstab sein — klares Nein! Wir haben keine Oligarchie, sondern soziale Marktwirtschaft", argumentiert Marco.

Doch die gekürzte Spielfassung in Theresa Sokolowskis Regie soll keineswegs nur tiefernst sein. "Ich habe hier viele komödiantische Talente entdeckt", berichtet die Theaterpädagogin und Regisseurin. Der smarte Cheron, Typ Latin Lover in weißem Sommeranzug und schwarzen Lackschuhen und mit gegelter schwarzer Tolle, hat sich mit seiner dienstbaren Rolle des abhängigen Ehemannes der Claire abgefunden. "Wenn man es als Rolle spielt, nicht in der Wirklichkeit, macht so was richtig Spaß", sagt Cheron und grinst.

(RP)
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