Mönchengladbach Ein Tag wie kein anderer

Mönchengladbach · An ihrem höchsten Feiertag sind Gladbachs Jecken früh auf den Beinen. Um 6.30 Uhr backt Hubertine Stevens Muzen, um 10.45 Uhr knallen in Lürrip die Sektkorken und eine knappe Stunde später gibt's am Rheydter Bahnhof ein Spontan-Konzert. Wolfgang Milz (76) steigt zum ersten Mal seit 45 Jahren nicht um 12 Uhr auf den Festwagen, sondern ist Zuschauer.

Leserfotos vom Veilchendienstagszug
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4 Uhr An der Sulzdorfer Festhalle in Schwäbisch Hall treffen sich die Mitglieder des Musikzuges Sulzdorf. Kapellmeister Bruno Heiner und seine 41 Mitmusikanten steigen in den Bus nach Mönchengladbach, um zum ersten Mal am Veilchendienstagszug teilzunehmen.

6.30 Uhr Hubertine Stevens (72) macht sich in ihrer Küche daran, Muzen zu backen. Seit 18 Jahren treffen sich in ihrer Wohnung auf der Lüpertzender Straße Freundinnen, Schwiegertöchter und Enkelinnen zum gemeinsamen Frühstücken und "Zoch-Gucken". In jüngeren Jahren war sie stets beim Zug dabei — mal als Schwarzwaldmädel, als Spreewälderin oder als Meißner Porzellanfigur. "1964 war ich sogar Karnevalsprinzessin in Wanlo", sagt sie.

7.45 Uhr Während andere Jecken noch genüsslich am Kaffee nippen und das Kostüm bereitlegen, hat für Elmar Eßer bereits der Arbeitstag begonnen. Und was für einer: Eßer ist Zugleiter am Veilchendienstag, der Herr über die Wagen und Fußgruppen. Bevor der Zug losgeht, ist Eßer der wohl umtriebigste Mann in der Menge. Er rennt von einem Wagen zum anderen, über Headset mit seinen Kollegen verbunden.

9.05 Uhr Christel van den Brandt greift in den Schminktopf und legt los: Barthaare, Katzenaugen und Fell wollen auf's Gesicht gezaubert werden — und zwar gleich 16-mal. Der Freundeskreis aus Neuwerk ist seit 1992 als Fußgruppe dabei, in diesem Jahr als Wildkatzen, ein paar Spinnen haben sich auch eingereiht. Beim traditionellen gemeinsamen Schminken gibt's Kaffee und Brötchen. "Sonst schafft man den Weg nicht", sagt Christel van den Brandt und lacht.

10.28 Uhr Für Wilfried Theißen wird es ein langer Tag. Mit dem Fahrrad macht sich der Betriebsleiter der GEM auf den Weg zur Betriebsstätte am Nordpark. "Ganz schön ausgelassen", meint Theißen und tritt in die Pedale. Ein bisschen Frühsport, der Kraft für den Nachmittag gibt. Für die GEM geht die Arbeit erst nach dem Zoch so richtig los.

10.45 Uhr Die Sektkorken knallen in Lürrip bei den Freunden der Gesellschaft Schöpp op Eicken. "Ein Schlückchen gehört einfach dazu", sagt Nicole Mieves. Seit 15 Jahren ziehen sie im Veilchendienstagszug mit. Diesmal als 17 bunte Fische, darunter acht kleine Fischchen, in prächtigen selbstgebastelten Kostümen. "Wir machen in wechselnder Zusammensetzung mit", verrät Astrid Flechner. Werdende Mütter setzen mal aus, "und sobald der Nachwuchs im Kinderwagen ist, laufen sie wieder bei uns mit."

12 Uhr Die Mitglieder des Musikzuges Sulzbach wollen mit dem Zug in die Gladbacher Innenstadt fahren. Am Rheydter Bahnhof geben sie den wartenden Fahrgästen ein spontanes Konzert. "Rivers of Babylon" und der "Anton aus Tirol" bringen die Leute in Stimmung. Auch Wolfgang Milz (76) macht sich vom Festzelt in Alt-Eicken auf den Weg. Er fährt zum ersten Mal seit 45 Jahren nicht auf dem Wagen mit. "Ich wollte mir auch mal den Zug angucken."

12.34 Uhr Das Prinzenpaar, Marcus I. und Niersia Ilona, singt zum letzten mal sein Motto-Lied "Wenn nicht jetzt, wann dann?" auf der Bühne im Haus Erholung. Und sie hatten Tränchen im Auge. OB Norbert Bude konnte nicht mitsingen. Er war völlig heiser.

12.36 Uhr Die Ungeduld bei Marie Jansen steigt. Die 16-Jährige im Bärenkostüm hat sich mit ihrer Clique bei einer Freundin in Eicken getroffen. Mit Karnevalshits von den Höhnern und Bläck Fööss stimmen sie sich auf den Zoch ein. Auch das "Rote Pferd" darf natürlich nicht fehlen. Noch ein paar Minuten, dann geht es rein ins jecke Getümmel.

13.06 Uhr Tim Bartels und seine Clique kommen am Alten Markt an. Vor der Gaststätte St. Vith treffen sie Sascha Laumen (32) und Alexandra Pires (31). Pires ist extra aus Münster gekommen, um beim Veilchendienstagszug dabei zu sein. Da es bis zum Zoch noch dauert, geht es erst mal ins St. Vith. "Da wird es nachher richtig voll", sagt Sascha Laumen. "Wir haben jetzt aber auch schon mal einen Stempel. Damit kommen wir nach dem Zoch dann schneller ins St. Vith zum Weiterfeiern. Das wird gut."

13.20 Uhr Die St. Sebastianusgilde aus dem niederländischen Gendt wartet auf ihren Einsatz. Die Jugendkapelle unter Leitung des Kapellmeisters Sjaak van der Sant (48) ist zum ersten Mal Gast in Mönchengladbach. Die 30 Musikanten in den rot-schwarzen Uniformen und den blankgeputzten Instrumenten können es kaum abwarten, endlich anzufangen. Ein bisschen weiter vorne hat der Veilchendienstagszug schon begonnen. Gleich legen die Niederländer los.

13.45 Uhr Steffen (7) und Justin (7) haben sich am Alten Markt getroffen. "Ich will einen Ball fangen", zeigt sich Leopard Steffen kampfbereit.

15.16 Uhr Marie Jansen und ihre Mädels haben an der oberen Hindenburgstraße schon jede Menge Kamelle gefangen. Bonbons, saure Gurken, Schokoriegel — ein bunter Mix aus süßen und sauren Leckereien. Die Gurken werden sofort verputzt, die Bonbons und Schokoriegel in einem Rucksack gehortet. "Später gehen wir noch feiern. Das ist dann der perfekte Snack", lautet die einhellige Meinung.

16.10 Uhr Tim Bartels, Sascha Laumen und Alexandra Pires gehen ins St. Vith zur großen Party nach dem Zoch. Drinnen wird ausgelassen gefeiert. Jetzt hat auch Tim Bartels Winterjacke ausgedient: Als Glamour-Rockstar zeigt sich der Rheydter von seiner glamourösen Seite. "Wo ist dein Kostüm?", wird geflachst. "So sieht man dich doch öfter!" Tim Bartels lacht. 17.30 Uhr So langsam kann auch Elmar Eßer entspannen. "Wenn der letzte Wagen weg ist, komme ich zur Ruhe", sagt der Zugleiter.

18 Uhr Die kleine Karnevalsfeier bei Hubertine Stevens ist vorbei, die Gäste haben sich verabschiedet und in der Wohnung herrscht wieder Ordnung. Jetzt macht sie es sich vor dem Fernseher gemütlich, um auf City Vision noch einmal den Zug anzuschauen. 19 Uhr Die niederländische St. Sebastianusgilde Gendt ist nach einem langen Tag wieder zu Hause angekommen.

23 Uhr Und wie beendet ein richtiger Karnevalist den Veilchendienstag? "Normalerweise wird um 24 Uhr der Hoppediz begraben. Dann endet die Karnevalszeit", erklärt Karnevalsprofi Wolfgang Milz. "Doch heutzutage machen wir das schon gegen 23 Uhr." Der 76-Jährige hat nach dem Zug noch eine Verabredung in Alt-Eicken, wo sich die Jecken von Unter-Eicken, Schöpp op und Stadtmitte treffen.

(RP)
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