Mönchengladbach Ein Sänger begibt sich ans Inszenieren

Mönchengladbach · Als Rienzi in der gleichnamigen Wagner-Oper kennt ihn das Publikum, auch als Andrej in Tschaikowskys "Mazeppa". Jetzt hat der Operetten-Fan Carsten Süss (42) eine Operettenrevue geschrieben. Dabei führt der Tenor erstmals Regie.

 Probenszene mit Debra Hays, Manon Blanc-Delsalle, James Park und Janet Bartolova.

Probenszene mit Debra Hays, Manon Blanc-Delsalle, James Park und Janet Bartolova.

Foto: Detlef Ilgner / Matthias Stutte

Als der sechsjährige Carsten 1978 in Mainz zusammen mit seinen Eltern eine Aufführung von Mozarts "Zauberflöte" erlebt hatte, stand für den Jungen felsenfest: "Das mach' ich, ich werde Sänger!" Mit einem Vater, der als Gesangslehrer sein Geld verdiente, rückte dieses Vorhaben für Carsten Süss früh in den Bereich einer reellen Prognose. "Ich habe Gesang bei meinem Vater, Jörg-Dieter Süss, studiert", erzählt der Sohn.

So kam es: Mit 21 Jahren bekam der junge Tenor sein erstes Engagement, am Volkstheater Bautzen, mit 25 gelangte er an eine Hochburg des Musiktheaters, die Semperoper, wo er von 1997 bis 2001 engagiert war. Danach beschloss Carsten Süss jedoch, fortan als Gast an immer wechselnden Standorten von Opern- und Operettenproduktionen zu wirken. Und so kennen ihn die Niederrheiner bereits als Andrej in dem Musikdrama "Mazeppa" von Tschaikowsky und als Titelrollen-Inhaber in Richard Wagners Frühwerk "Rienzi".

 Der Sänger Carsten Süss auf der bereits eingerichteten Studiobühne, auf der morgen Abend "Wär' nur die Sehnsucht nicht so groß" in Süss' Regie Premiere feiern wird.

Der Sänger Carsten Süss auf der bereits eingerichteten Studiobühne, auf der morgen Abend "Wär' nur die Sehnsucht nicht so groß" in Süss' Regie Premiere feiern wird.

Foto: Detlef Ilgner / Matthias Stutte

Besonders reizen den Künstler Operetten. "Ich halte die Operette für ein ganz wichtiges, leider oft missverstandenes und verkanntes Genre", sagt Süss. Die versteckten Doppeldeutigkeiten, die raffinierte Frivolität und die politischen Seitenhiebe auf gesellschaftliche Konventionen schätzt Süss an Operetten. Und so hat er nach dem Debüt-Stück "Unter der roten Laterne" (2013 am Schauspiel Wiesbaden) abermals eine Operetten-Revue verfasst. Im Auftrag des Theaters Krefeld und Mönchengladbach.

Mit der neuen Revue "Wär' nur die Sehnsucht nicht so groß" verbindet sich für den 42-jährigen Sänger sein Debüt als Regisseur. Der Kern der Handlung ist die Situation einer jüdischen Emigrantenfamilie im New York der 1960er-Jahre. Dort entfaltet sich eine Rahmenhandlung, welche die Operette als eine Art Sehnsuchtsort in den Fokus rückt. Besonders jüdische Komponisten und Texter hatten wesentlich zum Operettenboom nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland beigetragen. Viele waren vom kritischen Geist eines Jacques Offenbach beseelt, so Paul Abraham, Emmerich Kálmán oder Oscar Straus. Diese Tradition zerschlugen die Nazis.

Die Hauptfigur der Revue, in der ausgewählte Stücke aus einst namhaften Operetten gesungen werden, deren Aufführungstradition nach der Machtergreifung der Nazis mit einem Schlag beendet war, ist Ernst Seligmann. Der einst dekorierte Veteran des Ersten Weltkriegs spürte früh, dass er in Deutschland keine Zukunft mehr habe und emigrierte nach Amerika. Doch seine Familie hängt sehnsuchtsvoll an der vergangenen Zauberwelt der Operette.

Mit der auch komischen Revue will Carsten Süss "den Fokus darauf richten, dass man in Deutschland diese Komponisten verfolgt und als Künstler gesperrt hat". Vier Sängerinnen (Janet Bartolova, Debra Hays, Manon Blanc-Delsalle, Amelie Müller) und zwei Sänger (James Park, Matthias Wippich) treten im Studio auf. Sie interpretieren die Musik von Komponisten, die durch die Nazis verfemt wurden. "Die Spielfläche haben wir erstmals mit einer Drehbühnenmechanik ausgerüstet", betont Süss eine technische Besonderheit der Inszenierung.

Die Premiere am 29. Januar, 20 Uhr, ist schon fast ausverkauft. Aber für die Vorstellungen am 7., 15. und 27. Februar sowie am 8. und 17. März gibt es noch Karten.

(RP)
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