Mönchengladbach Ein Musikdirektor lädt sich Gäste ein

Mönchengladbach · Sechs Konzertabonnenten hatten Glück: Sie gewannen ein Abendessen mit dem neuen Generalmusikdirektor Mihkel Kütson. Dabei erzählte der estnische Musiker von Taktstöcken, vom Umgang mit Orchestermusikern und Bravorufen.

Der Kauf des richtigen Dirigentenstabs ist nicht ganz so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt. Er muss gut in der Hand liegen, leicht durch die Luft gehen und stabil sein. Immerhin muss er wuchtigen Triumphmärschen standhalten und zarte Liebesgesänge begleiten. Da kann der Maestro nicht mit einem einfachen Stöckchen vor das Orchester treten.

Mihkel Kütson, Generalmusikdirektor (GMD) am Theater Mönchengladbach, steht bei den Vorstellungen mit den Niederrheinischen Sinfonikern am liebsten mit einem Modell aus Holz oder Fiberglas am Pult. "Die sind leicht und gehen nicht so schnell kaputt", erzählt er beim Abendessen mit seinen Gästen. "Ich hatte mal einen mit einem kleinen Gewicht im Griff. Der lag sehr gut in der Hand." Aber auch Taktstöcke unterliegen dem Verschleiß, und manchmal fliegt er im Überschwang auch in Richtung Publikum. Deshalb kauft der Dirigent immer gleich mehrere.

Zur Vorspeise "Fasanenbrust an Salat in Madeira-Jus" weiht Mihkel Kütson seine Gäste in die Geheimnisse der Taktstock-Auswahl ein. Als er seine Arbeit am Theater aufnahm, erwarteten ihn rund 140 Postkarten mit persönlichen Willkommensgrüßen – geschrieben von Theaterbesuchern aus Mönchengladbach und Krefeld. Drei Karten hat Kütson aus der Menge gezogen und die Absender mit Begleitung nun zum Essen eingeladen.

Für Renate Kleutges und ihre Tochter Claudia, Hans und Gerda Bolten sowie Manfred und Heidi Sieg war dies die ersehnte Gelegenheit, vom GMD nicht nur mehr zu sehen als seinen Rücken, sondern von ihm auch all das zu erfahren, was sie schon immer wissen wollten. Die Themen sind vielfältig, und nicht nur Kütson hat Theater-Geschichten zu erzählen. Auch seine Gäste können mit manchen Anekdoten aufwarten.

Aber natürlich wird die Zeit mit dem Dirigenten genutzt, so viel wie möglich aus der Welt des Musiktheaters zu erfahren. Und bereitwillig zieht Kütson den Vorhang zur Seite und berichtet, wie man es schafft, aus 85 individuellen Musikern eine klangvolle Einheit zu machen. "Man muss viel reden", berichtet der Este, während das "Lammfilet im Wirsingmantel mit Couscous und Kräutersauce" in Mike's Bistro serviert wird. Nur selten kann er ein Stück des zarten Fleisches zu sich nehmen. Sein Essen wird kalt, denn Kütson beantwortet bereitwillig alle Fragen, und seine Gäste spüren, wie leidenschaftlich er hinter seiner Arbeit steht.

"Die Streicher sind der größte Klangkörper im Orchester", sagt er. "Das Wissen über sie ist für einen Dirigenten sehr wichtig, um gute Streicher zu einem Klang zu bringen." Dabei entlasse die Leitung des Dirigenten die Musiker aber keinesfalls aus ihrer persönlichen Verantwortung, stellt er klar. Damit es harmonisch klingt, sollte auch die Arbeitsatmosphäre im Orchester harmonisch sein.

Zu Beginn seiner Amtszeit habe er mit allen Musikern gesprochen, um sie kennenzulernen und zu hören, welche Wünsche und Erwartungen sie an die gemeinsame Arbeit haben. "Nicht in Einzelgesprächen, aber mit den Musiker-Gruppen", sagt er und geht dazu über, wie junge Kollegen von den älteren eingearbeitet werden. Dann folgt ein kleiner Vortrag über die Geschichte des Dirigenten-Berufs. Seine Gäste erfahren, dass Mendelssohn den Taktstock konzertsaalfähig gemacht hat.

Zum Dessert "Frische Feigen mit Kirscheis" schließlich wird die Frage geklärt, was der Fachmann von Bravo-Rufen während der Aufführung hält. Mit der Überlegung, was wohl gegen das Quietschen beim Stühlerücken im Orchestergraben hilft, endet der Abend. Die Gäste sind satt und wissen jetzt viel mehr über Orchesterarbeit. Kütson freut beides.

(gam)
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