Mönchengladbach Ein Museum für Steinzeit und Skype

Mönchengladbach · Professor Konrad und Architekt Schrammen bauen für zwei Millionen Euro in Papua ein spektakuläres Museum für die Asmat. Es soll deren steinzeitliche Kultur lebendig halten und beim Aufbruch in moderne Zeiten begleiten. Das Projekt ist für alle Beteiligten ein Riesenabenteuer.

 Die Asmat waren bis 1953 komplett von der Zivilisation abgeschnitten.

Die Asmat waren bis 1953 komplett von der Zivilisation abgeschnitten.

Foto: Ilgner, Detlef

Der Gladbacher Architekt Dr. Burkhard Schrammen hat schon viel gebaut, was nicht zwingend zum Portfolio eines Architekten gehört: Europas größtes Hockeystadion, eine Skihalle und eine ganze Stadt für China beispielsweise. Doch das Asmat-Museum mitten im Urwald ist auch für ihn besonders. "So etwas passiert einem nur ganz selten im Leben", sagt Schrammen.

Und wenn man ihn sieht, wie er sich mit Professor Gunter Konrad, dem früheren ärztlichen Leiter der Kliniken Maria Hilf, und dem Schwalmtaler Tiefbauer Karl-Willi Fleischer in die Details der Pläne vertieft, wie die drei mit gleicher Leidenschaft und im steten Wechsel über Bautechnisches und Kulturphilosophisches sinnieren, dann spürt man die Aufbruchstimmung. "Nächtelang haben wir in Indonesien beim Licht von Taschenlampen diskutiert, ausgelotet, wie sich unsere Ideen realisieren lassen", sagt Fleischer.

Sie lassen sich realisieren. Das kann man längst mit großer Sicherheit sagen. Und allein das ist eine Sensation. Denn es gilt ja nicht nur, zwei Millionen Euro aufzutreiben, sondern auch anspruchsvolle europäische Baukunst mitten im Urwald zu realisieren. Und all dies, um einem wahrlich anspruchsvollen Ziel zu dienen, das der Titel "Museum für Kultur und Fortschritt" vorgibt: Die Asmat, die mitten im Aufbruch von der Steinzeit in die Moderne sind, sollen ihre reichen kulturellen Wurzeln in der Turbulenz der fortschreitenden Lebensveränderungen nicht vergessen und zugleich so viel konkrete Hilfe, wie möglich, nämlich schulische Ausbildung und medizinische Betreuung, bekommen.

Seit 40 Jahren gibt es das Asmat-Museum in Agats auf Papua, der östlichsten Provinz Indonesiens. Doch die Mischung aus hoher Luftfeuchtigkeit, tropischer Hitze, Monsun-Winde, sieben Meter Niederschlag pro Jahr und die Gezeiten mit einer Tidendifferenz von fünf Metern haben dem Holzbau den Garaus gemacht. Schon zweimal stand das Wasser hoch in dem Pfahlbau, viele Exponate wurden angegriffen. "Das ist besonders bedauerlich, weil in den vergangenen 40 Jahren jedes Jahr neue Ausstellungsstücke dazu gekommen sind, die die rasante Entwicklung der Asmat so einmalig dokumentieren", sagt Professor Konrad, der seit Jahrzehnten regelmäßig bei den Asmat ist.

Das bis 1953 komplett von der Zivilisation abgeschnittene Volk muss sich wegen der über sie hereinbrechenden Zivilisation auf völlig neue Lebensumstände einstellen. "Die Sammler und Jäger verlieren die Ressourcen ihrer angestammten Existenz. Im Ringen mit der sie überwältigenden und entwurzelnden Moderne findet diese Generation keine Muße, sich ihres kulturellen Erbes anzunehmen", sagt Konrad. Was jetzt nicht gerettet wird, ist für die steinzeitlichen Sammler und Jäger von einst für immer verloren.

Das von Schrammen entworfene Museum sieht aus wie ein Einbaum. Es ruht auf drei Säulen, in denen sechs Arbeitsräume untergebracht sind. In dem 80-mal 15 Meter großen Museumskörper werden traditionelle Holzskulpturen, Ritualobjekte, Steinwerkzeuge und Jagdwaffen, Flechtarbeiten der Frauen und die Sammlung von Kunstobjekten gezeigt, die in den vergangenen 40 Jahren von den Asmat-Künstlern geschaffen worden sind.

Die drei Säulen, auf denen das Museum ruht, entsprechen dem Stamm eines asiatischen Banyan-Baumes, der mehrere Stämme und Luftwurzeln hat. In den dort untergebrachten Räumen soll per Skype, also Internet-Telefonie, bis in die entlegenen Urwalddörfer der Schulunterricht bereichert werden. Gezeigt werden soll online zum Beispiel Handwerkliches, Hygiene, Kochen, Kleiderwaschen, aber auch, wie ein Außenbordmotor zu warten oder zu reparieren ist. Ebenfalls per Skype lassen sich Krankheitsfälle vorstellen und über die Distanz ganz Indonesiens diskutieren, Diagnosen stellen und Therapiemöglichkeiten erörtern.

Der studierte Baufachmann Fleischer lernte in Indonesien viel über Konstruktion dazu: "Dass die Holzpfähle, die nur höchstens vier Meter in einen gar nicht tragfähigen Boden gerammt werden, bis zu drei Tonnen Last aufnehmen können, ist höchst erstaunlich." Genau so erstaunlich ist für die Konstrukteure der Asmat, dass man auch im Sumpf mit Aluminium und Beton bauen kann.

Konstruiert wird das neue Museum in Tafelbauweise. "Alles, was wir verbauen, muss vom Fluss auf den zwei Metern über dem Schlammboden errichteten Holzplanken getragen oder mit kleinen Handkarren transportiert werden können", weiß Schrammen. Straßen oder nur Wege gibt es im Sumpfland der Asmat nicht. Auch der Architekt betont, schon viel gelernt zu haben. "Wer so ein Projekt angeht, muss die Menschen, für die es gemacht ist, verstehen. Dazu muss man viel zuhören", so der Architekt.

Wer die Euphorie und Abenteuerlust aller Beteiligten spürt, glaubt sofort, dass sie das Projekt über die vielen kleinen und mittelgroßen noch zu lösenden Probleme tragen werden. Bischof Aloysius Murwito hat den Auftrag an Konrad und sein Team vergeben, das sich gegen drei andere Entwürfe durchsetzte. Schrammen reist im Oktober nach Papua, um den Bau voranzutreiben. "Dieses Miteinander von Bauherr und Architekt ist ein großes Geschenk, das ich gerne annehme."

(RP)
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