Serie Denkanstoss Ein guter Grund, um innezuhalten

Mönchengladbach · Der evangelische Pfarrer Burkhard Kuban beschreibt in seinem heutigen Beitrag, warum die Botschaft, die vor genau 500 Jahren von der Reformation ausging, heute aktueller ist denn je.

Es soll ja Zeitgenossen geben, die das Wort "Reformationsjubiläum" nicht mehr hören können. Zehn Jahre lang hat sich die Evangelische Kirche auf den kommenden Dienstag vorbereitet: 500 Jahre Thesenanschlag an die Schlosskirche zu Wittenberg von Dr. Martinus Luther. Die überwiegende Anzahl der Bundesbürger, so vermute ich mal, wird der Evangelischen Kirche für diesen Tag sehr dankbar sein - ohne sich in irgendeiner Weise inhaltlich damit auseinanderzusetzen: Er ist dieses Jahr einmalig bundesweit ein Feiertag, der zwar hierzulande mitten in die Herbstferien fällt, aber mit zwei Tagen Einsatz eine Woche Urlaub ermöglicht. Immerhin!

Dabei gibt es genug Grund innezuhalten. Was war eigentlich so spektakulär damals? Jan Hus hatte schon 100 Jahre zuvor sehr ähnliche Inhalte wie Martin Luther vertreten, aber das Pech, dass kein Landesherr seine schützende Hand über ihn hielt und er während des Konstanzer Konzils auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Den meisten Landesherren war der theologische Inhalt von Luthers Lehren relativ egal, aber machtpolitisch sehr brauchbar: Befreiung vom Papsttum und der Macht der Kirche. Prima.

500 Jahre später scheint mir auch das - die Anmerkung sei erlaubt - aktuell zu sein: Kirche als gesellschaftliche Institution, die inhaltlich etwas zu sagen hat, ist immer weniger von Interesse. Was feiern wir da also in vier Tagen? Evangelische Nabelschau, um mal wieder im Mittelpunkt zu stehen? Ich hoffe nicht (und so ist es ja auch von vorneherein nicht angelegt gewesen). Und letztlich war der 31. Oktober 1517 auch ganz unspektakulär. Luther schlug 95 Lehrsätze in lateinischer Sprache an die vermutlich als "Schwarzes Brett" der Universität genutzte Kirchentür. Außer den Gelehrten konnte das keiner lesen und verstehen. Und trotzdem war der Keimling gelegt, dessen Saat nach und nach aufging, gipfelnd auf dem Reichstag in Worms: Gott ist der letztliche Regent - und kein anderer. Und Gott ist gnädig, weil er jeden (!) Menschen so liebt, dass er ihn ohne Vorbedingung annimmt. Was nun wieder nach Theologengeschwätz klingt, das vielen Zeitgenossen nichts mehr sagt, lässt sich auch so ausdrücken: Entscheidend ist, was dir das Wichtigste im Leben ist. Woran du dein Herz hängst. Und das soll Gott sein, weil er dir ein erfülltes Leben und vor allem ein Leben über den Tod hinaus verheißt.

Ist dir dein Geld, dein Auto, dein Smartphone, dein Partner, der Fußballclub, dein Ansehen oder sonst etwas wichtiger, solltest du innehalten, nachdenken und umkehren - hin zu Gott. Denn das Andere macht dich unfrei, abhängig von der Meinung anderer. Du musst eine Rolle spielen, um etwas zu gelten. Ganz anders bei Gott. Er nimmt dich so, wie du bist. Du musst nicht funktionieren. Diese Gesinnungsänderung ist mit dem alten Wort "Buße" gemeint, welches das Zentralwort der 95 Thesen ist. Deshalb ist es gut und wichtig, den 31. Oktober als Feiertag zu haben, nachdem der Buß- und Bettag als solcher abgeschafft wurde. Ich lade Sie ein, diese Botschaft an diesem Tag auch im Gottesdienst auf sich wirken zu lassen. Und der Clou: Zumindest an diesem Punkt sind sich evangelische und katholische Christen mittlerweile einig.

DER AUTOR IST EVANGELISCHER PFARRER IN HARDT.

(RP)
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