Mönchengladbach Edelmarke Kaisertuch kehrt zurück

Mönchengladbach · Dirk Tebart und Stephan H. Vitz haben nur ein Ziel: Sie wollen die Marke Kaisertuch wiederbeleben. Das traditionsreiche Textilunternehmen belieferte in früheren Zeiten die Königshäuser in England und Schweden. 1993 kam der Konkurs.

 Sie wollen die Tradition des Kaisertuches wieder aufleben lassen - Dirk Tebart und Stephan H. Vitz.

Sie wollen die Tradition des Kaisertuches wieder aufleben lassen - Dirk Tebart und Stephan H. Vitz.

Foto: Detlef Ilgner

Dirk Tebart und Stephan H. Vitz wollen die Marke Kaisertuch wiederbeleben. Das traditionsreiche Textilunternehmen belieferte in früheren Zeiten die Königshäuser in England und Schweden. 1993 kam der Konkurs.

 Wilhelm Vitz ist einer der letzten Webmeister der alten Firma Kaisertuch.

Wilhelm Vitz ist einer der letzten Webmeister der alten Firma Kaisertuch.

Foto: Ilgner Detlef

Kern der Geschichte ist dieses Ledersofa. Es steht in einem Büro an der Aachener Straße. Viel mehr als Dekoration. Das gediegene Stück ist das sichtbare Manifest von Lust und Leidenschaft zum Handwerk. "Ich weiß nicht, wie viele Nächte ich in den vergangenen Monaten in der Firma durchgearbeitet und den Rest auf dem Sofa verbracht habe", gesteht Stephan Vitz. Auch Geschäftspartner Dirk Tebart nickt. Für ihn ist weiter hinten im Raum ein Feldbett reserviert.

Die beiden Familienväter haben derzeit nur ein Ziel: die Marke Kaisertuch wiederzubeleben. 1896 entstand der Neubau von Kaiser-Tuch an der Künkelstraße. Ein Jahr später arbeiteten dort bereits 75 Weber und elf Webmeister. Beliefert wurden die Königshäuser in England und Schweden mit hochwertigen Anzugstoffen, Wohndecken und schweren Dekostoffen. Auch in den Rechnungsbüchern des Kaisers ist die Gladbacher Firma als Hoflieferant gelistet. Jahrzehnte später wurden auch das KaDeWe in Berlin beliefert oder Harrods in London. Die Tücher gingen sogar bis nach Japan und Südafrika. 1968 wurden 284 Weber beschäftigt und 37 Webmeister. Nach dem wirtschaftlichen Erfolg begann der Niedergang der Textilindustrie. Am 1. Februar 1993 wurde schließlich das Konkursverfahren eröffnet.

Und nun sitzen Vitz und Tebart in ihrem Büro, beschirmt von Jalousien, die mit historischen Aufnahmen aus der Produktion bedruckt sind. Umgeben von Musterstoffen, kuscheligen Decken, Lizenzprodukten. Sie brennen für ihre Idee. Das ist aus jedem Satz zu hören und in ihren Augen zu sehen. "Wir wollen die Tradition pflegen, hochwertige Produkte herzustellen und zu vermarkten. Wir sind Textiler, das steckt in unserem Blut", nickt auch Dirk Tebart. Zu den Produkten zählen nicht nur Decken, sondern auch hochwertige Bettwäsche und Frottierwaren: "Alle Heim- und Haustextilien natürlich zertifiziert nach dem Öko-Text Standard 100." Die Beiden würden gerne wieder Web-stühle nach Mönchengladbach holen, am liebsten am alten Standort in den alten Hallen des heutigen Gewerbeparks Simons&Gier.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, das wissen Stephan Vitz und Dirk Tebart. Aber ein wichtiger Schritt ist schon längst gemacht: Sie haben die Markenrechte an Kaisertuch, wie auch an dem zweiten Logo, die Kaiserkrone. Stephan Vitz ist stolz: "Die Rechte an der Krone sind ausgelaufen, daher konnten wir diesen Schritt ermöglichen." Am Anfang ihres "Abenteuers" Kaisertuch stand der Zufall. Vor zehn Jahren wollte Vitz Büromöbel kaufen und stößt in einem Einrichtungshaus auf Dirk Tebart, der hier als Abteilungsleiter tätig war. Relativ spontan bietet Stephan Vitz dem Mann eine neue berufliche Herausforderung an. Schnell werden aus Geschäftspartnern Freunde. Irgendwann sitzen sie mit Wilhelm Vitz zusammen. Der heute 77-Jährige ist nicht nur der Vater von Stephan Vitz, sondern auch einer der letzten Webmeister der alten Firma. Die Gespräche gehen hin und her, Erinnerungen des Seniors, Ideen, Pläne: Am Ende steht der Entschluss. "Wir knüpfen an die Vergangenheit an."

Gefertigt werden die Produkte unter dem Namen Kaisertuch auf Webstühlen in Bocholt und Rhede. Sie gehören IBENA, gegründet 1826, bei der die beiden beschäftigt und für den Aufbau des Lizenzgeschäfts zuständig sind. Die Designs von Kaisertuch werden ebenfalls vom dortigen Atelier entworfen. "Immer individuell, in Absprache mit uns und unseren Kunden", so Vitz. Derzeit können beispielsweise die Decken über den Onlineshop der Mönchengladbacher bestellt werden, oder direkt telefonisch. Die Marke Kaisertuch wird zudem vertreten durch den weltweit tätigen Burda Medien Verlag. Stephan Vitz: "Dort ist man fasziniert, dass es so was Hochwertiges noch mal gibt."

Die tägliche Arbeit ist hochprofessionell, auch wenn manches noch ein wenig improvisiert wirkt. Aber das hat Charme. Wie das "Meisterstück": ein schwarzer, hochglänzender Kasten, auf dem Deckel in Messing gefasst der Schriftzug "Meisterstück". Tebart klappt den edel daherkommenden Behälter auf und zum Vorschein kommen kleine Pappkärtchen. Auf ihnen sind Garnproben gewickelt. Sortiert nach allen möglichen Farben. "Jedes Muster hat eine spezielle Pantone-Nummer. So kann jederzeit jeder seine Waren nach diesen Nummern bestellen und bekommt die exakte Farbqualität", erklärt Dirk Tebart. Wilhelm Vitz freut sich über den schier überschäumenden Mut und Tatendrang der "Jungen": "Ich bin so stolz, dass mein Sohn das wieder aufleben lässt."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort