Mönchengladbach Durch die Sprache ins neue Zuhause

Mönchengladbach · Vor zwei Jahren floh Mohammad Swais aus Syrien nach Deutschland. Jetzt hat er einen studienvorbereitenden Sprachkurs an der Hochschule Niederrhein mit Bestnote abgeschlossen und kann in Krefeld studieren.

 Mohammad Swais hat seinen Sprachkurs mit Bestnote bestanden, im nächsten Jahr beginnt er sein Studium.

Mohammad Swais hat seinen Sprachkurs mit Bestnote bestanden, im nächsten Jahr beginnt er sein Studium.

Foto: Detlef Ilgner

"Schön, Sie kennenzulernen!" Das war der erste Satz, den Mohammad Swais gelernt hat. Die drei Worte waren der Anfang von dem, was er den Schlüssel zu seinem neuen Zuhause nennt - die Begegnung mit der deutschen Sprache. Ganz fremd war diese ihm, als er sich 2015 als Flüchtling meldete. Nun ist der 28-Jährige der erste Flüchtling, der den studienvorbereitenden Deutschkurs, der an der Hochschule Niederrhein angeboten wird, bestanden hat - und das mit Bestnote.

Ob Lese- oder Hörverstehen, Grammatik, schriftlicher Ausdruck oder die mündliche Prüfung: Swais konnte im Testzentrum in Dortmund in allen Bereichen punkten. "Das Niveau, das ich heute habe, stellt einen echten Schatz für mich dar", sagt er. 1989 wurde Swais in Homs im Westen Syriens als jüngstes von acht Kindern geboren. Da er sich schon immer für "Fabriken, chemische Reaktionen und Prozesse" interessierte, begann er 2006 sein Studium in Chemie-Ingenieurwesen in der Heimatstadt.

"Syrien ist ein Land, das reich an Öl und Gas ist. Daher standen die Chancen gut, später einen Job zu bekommen." Nach dem Bachelor-Abschluss in der Regelstudienzeit nahm er 2011 sein Masterstudium auf und zog 2012 von Homs nach Damaskus, um dort neben seinem Studium als Angestellter der Regierung für "Shell" zu arbeiten.

Was unter anderen Umständen der Grundstein für eine Karriere hätte sein können, fand durch den Krieg schnell ein Ende. Swais, der in seiner Freizeit Romane von Agatha Christie und Titel wie "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" oder "Hundert Jahre Einsamkeit" verschlang, sollte nach Abschluss seines Masters in die Armee eingezogen werden. Die Dauer des Einsatzes? In Zeiten des Krieges nicht absehbar.

So fasste er am 15. Juni 2015 - Swais kennt das Datum noch ganz genau - den Entschluss, die Heimat zu verlassen. Nur mit einem Rucksack ausgestattet, ging es für ihn von Syrien mit dem Flugzeug in den Libanon und weiter in die Türkei. Über das Mittelmeer führte ihn ein mit 45 Menschen vollgepacktes Schlauchboot, von Griechenland nach Ungarn trugen ihn seine Füße - zeitweise auch der Zug. Nach einer Woche im ungarischen Gefängnis, in das er "wegen Überschreitung der Landesgrenze" kam, erreichte er am 9. Juli 2015 Deutschland. Erst in Dortmund untergebracht, kam er nach Wachtendonk.

Dort bot die evangelische Kirche einen Sprachkurs an, die ersten Wörter musste er sich selbst beibringen. "Es war schwierig, aber nicht unmöglich", sagt er. "Ich habe mir immer gesagt, dass ich arbeiten will und die Zähne zusammenbeißen muss." Swais übte und übte, schaute YouTube-Lernvideos, kämpfte sich durch Aussprache, Umlaute, lange Wörter und kuriose Sprichwörter wie "aus einer Mücke einen Elefanten machen". In der Kirche traf er auf Frank, ehrenamtlicher Helfer und heute sein bester Freund, der ihm nicht nur beim Lernen half, sondern auch Weihnachten und Silvester mit ihm feierte. "Die deutschen Kontakte waren wichtig für mich. Auf dem Dorf ging das etwas leichter als in der Großstadt", sagt Swais.

Der Syrer wollte endlich doch noch seinen Master-Abschluss schaffen. Also meldete er sich nach Erhalt seines anerkannten Flüchtlingsstatus für den Kurs der Hochschule Niederrhein an, der ihn innerhalb eines Jahres bis zu dem für das Studium in Deutschland erforderlichen Niveau C 1 bringen sollte. Swais liest Zeitungen, schaut Wissenschaftssendungen und hört deutsche Podcasts. Auch eine ganz besondere Leidenschaft hat er dabei entdeckt: deutsche Fernseh-Krimis. "Durch Polizeiruf, SoKo und den Tatort lerne ich nicht nur, den Täter schnell zu identifizieren, sondern auch die deutsche Umgangssprache", sagt er und lacht.

Die Anstrengungen haben sich gelohnt: Swais, der mittlerweile in Rheinhausen in Duisburg lebt, kann ab dem Sommersemester 2018 seinen Master in Chemie-Ingenieurwesen an der Hochschule in Krefeld machen. Und noch ein anderes freudiges Ereignis erwartet ihn in Kürze: In wenigen Monaten können seine Frau und seine dreijährige Tochter aus Syrien nachkommen.

(mcv)
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