Borussias Aufsichtsratschef: Ein Leben für die Medizin Chirurg entwickelt neuartiges Kunstherz

Mönchengladbach/ Düsseldorf · Reiner Körfer hat als Mediziner mehr als ein halbes Jahrhundert die Herzchirurgie in Deutschland entwickelt. Der Aufsichtsratschef von Borussia Mönchengladbach hat für seinen Prototyp nun die Patente angemeldet.

 Chirurg Reiner Körfer hält sein neues Kunstherz in den Händen.

Chirurg Reiner Körfer hält sein neues Kunstherz in den Händen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Er hat in seinem Leben mehr als 30.000 Herzen operiert, war viele Jahre im Uniklinikum Düsseldorf, später im Herzzentrum NRW in Bad Oeynhausen tätig und hat die Entwicklung in der Herzchirurgie über ein halbes Jahrhundert begleitet und geprägt. Dabei hat Reiner Körfer (78) auch immer wieder die Grenzen der medizinischen Möglichkeiten erlebt: „Es gibt in Deutschland einfach viel zu wenig Herztransplantationen oder wirksame Alternativen.“ Dieser permanente Mangel hat seinen Forschergeist beflügelt. Und so entwickelte der Mediziner gemeinsam mit einem Team aus Ingenieuren und Technikern einen Lebensretter, auf den viele Patienten warten: ein neuartiges Kunstherz.

Man könnte ihn vermutlich nachts aus dem Schlaf wecken, und er würde prompt die Zahlen referieren: „Mindestens 1000 Menschen in Deutschland brauchen ein neues Herz – jedes Jahr. Aber viele kommen erst gar nicht auf die Warteliste, denn dort werden ausschließlich Patienten registriert, deren potenzielle Lebenserwartung nur noch etwa ein halbes Jahr beträgt.“ Demgegenüber steht eine andere Zahl: Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 344 Herzen transplantiert. Viele sterben in der Zwischenzeit, manche überleben die Wartezeit auf ein Spenderorgan mithilfe eines Kunstherzens oder sogenannter Unterstützungssysteme. „Beide sind stark verbesserungswürdig“, findet der Spezialist. Eine Tatsache, die ihm seit Jahren keine Ruhe lässt.

Und nun hält er es in der Hand: das von ihm und einem Spezialisten-Team des Helmholtz-Instituts an der Uni Aachen entwickelte Kunstherz. Der Prototyp wiegt 600 Gramm („das endgültige Modell wird nur etwa 400 Gramm wiegen“), sei damit wesentlich leichter als bisherige Modelle, könne komplett und ohne Schläuche nach außen implantiert werden und die Funktion des kranken Herzens auf Dauer übernehmen – „wartungsfrei und extrem verschleißarm“.

Das zentrale Element ist eine Pumpeinheit, in der ein Linearantrieb das Kunstherz zum Schlagen bringt. „Die elektrische Energie gelangt über ein Spulensystem durch die Haut, um den Akku aufzuladen“, erläutert Körfer. Dabei besteht dieses System aus einer Empfängerspule, die mitimplantiert wird und einer Senderspule, die außerhalb des Körpers auf der Haut angebracht wird. Dieses Kunstherz ermögliche Patienten mehr Beweglichkeit, „damit kann man schwimmen, radfahren und joggen“. Aber er sieht noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: „Da es keine Schläuche und somit keine Austrittsstelle an der Haut gibt, können wir die Gefahr von Infektionen deutlich reduzieren.“

Dieser Vorteil gelte auch für eine zweite Entwicklung des Medizin-Technik-Teams: Eine Pumpe, die das kranke Herz entlastet oder deren Funktion komplett übernimmt. „Die Nachfrage nach solchen Unterstützungssystemen hat sich in den letzten zehn Jahren europaweit verdoppelt“, so Körfer. Diese Pumpe wird neben dem Herzen implantiert, Magneten halten dabei ihren Rotor in Stellung. Eine zweite technische Besonderheit sei die intelligente Steuerung mit speziellen Sensoren, die die Pumpleistung vollautomatisch überwachen und steuern – je nach der momentanen Belastung des Patienten. Außerdem könne der integrierte Ultraschall sogar mögliche Blutgerinnsel aufspüren – Hightech für mehr Lebensqualität. „Außerdem ist es möglich, dass sich durch diese Unterstützung das geschädigte Herz so weit erholt, dass es wieder allein arbeiten kann.“

Für beide Erfindungen sind inzwischen Patente angemeldet, ein Unternehmen zum Vertrieb beider Systeme wurde gegründet, die Erprobung im Labor und im Tierversuch sind fortgeschritten (und zumindest für die Pumpe abgeschlossen), jetzt sollen klinische Studien folgen. Doch bis es so weit ist, müssen offenbar noch etliche Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Bisher wurde die Entwicklung von Mitteln der EU und größtenteils von der privaten Erich-und-Hanna-Klessmann-Stiftung finanziert – insgesamt über 20 Millionen Euro. Den dankbaren Gründer hatte Reiner Körfer erfolgreich am Herzen operiert.

Öffentliche Mittel vom Land allerdings seien trotz Zusagen bisher nicht geflossen, „sind aber für die weiteren Schritte dringend nötig“. Allerdings erlebt der Mediziner, dass zurzeit eben alles verfügbare Geld in die Corona-Forschung fließt – eine Entwicklung, die er mit Sorge beobachtet. „Da wurden außerdem spezielle Kliniken gebaut und für Millionen Beatmungsgeräte angeschafft, die nun niemand braucht.“ Gleichzeitig wurden unzählige Eingriffe verschoben, „auch notwendige Herzoperationen“. Reiner Körfer will unverdrossen weiter für seine Herzenssache kämpfen. Er ist überzeugt: „Sie könnte viele Menschleben retten.“

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