Mönchengladbach Drogenschmuggel: Vier Zeugen ohne Erinnerung

Mönchengladbach · In Gerichtsverfahren kommt es regelmäßig vor, dass ein Zeuge seine Aussage revidiert. Seltenheitswert hat es allerdings, wenn plötzlich alle vier Belastungszeugen nicht mehr ihre polizeilichen Aussagen bestätigen. So geschehen gestern vor der zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts.

Gemeinschaftliche gewerbsmäßige unerlaubte Einfuhr und unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 207 Fällen wirft die Kammer einem 40-jährigen Mann vor. In den Jahren 2007 bis 2011 soll der Angeklagte Kuriere in die Niederlande geschickt haben, damit sie von dort aus Heroin über die Grenze schmuggeln. Teilweise soll er die Drogen weiterveräußert, teilweise selbst konsumiert haben.

Der Angeklagte stritt die Vorwürfe ab. "Ich habe nichts verkauft, schon gar nicht gewerbsmäßig", sagte der Mann, der zu Beginn der Verhandlung ohne Erfolg versucht hatte, einen anderen Pflichtverteidiger bestellt zu bekommen. "Ich kann mir nicht vorstellen", fuhr er fort, "warum die mich reinlegen wollen". Er sprach von den vier Belastungszeugen, die alle vor der Polizei ausgesagt hatten, der Angeklagte hätte sie zigfach als Drogenkuriere benutzt. Doch nicht ein Zeuge hielt seine Aussage aufrecht.

Schon die erste Zeugin verblüffte die Staatsanwältin: Die 29-Jährige, die zurzeit auf Entzug ist und ein Verhältnis mit dem Angeklagten hatte, änderte beinahe im Sekundentakt ihre Aussage. "Ja, ich bin für den Angeklagten 15 bis 20 Mal gefahren", erklärte sie. "Ich kann mich an nichts erinnern. Wenn überhaupt, war ich nur zweimal in Holland", sagte sie später. Sie war in der Haft auf eigenen Wunsch vernommen worden, um eine Strafmilderung zu erhalten. Der Verteidiger des Angeklagten mutmaßte, dass die Polizei nicht nur ihr, sondern auch den übrigen Zeugen "Worte in den Mund gelegt" habe. Sein Mandant sei zu keinem Zeitpunkt derjenige gewesen, der Befehle erteilte. Morgen wird die Verhandlung fortgesetzt.

(fae)
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