Mönchengladbach "Don Carlo" – eine Oper an der Leistungsgrenze

Mönchengladbach · Ein schönes Stück Arbeit, diese Oper: Unaufdringlich, dezent die Solisten und Chöre begleitend und doch immer wieder beeindruckend geben die Niederrheinischen Sinfoniker unter Graham Jackson dem Spiel musikalischen Halt. Fast zweieinhalb Jahre nach der Krefelder Premiere ist Verdis "Don Carlo" nun auf die Rheydter Bühne gelangt. Die vieraktige Mailänder Fassung kommt dem Publikum entgegen: Die Handlung ist kompakter, gestrafft; Ballett-Einlagen sind ausgesondert – bis auf den berückenden Schleiertanz der Hofdamen im Pardo zu Madrid, wo sonst menschenfeindliche Etikette herrscht.

 Marquis v. Posa (Igor Gavrilov) möchte die Intrigantin Eboli (Eva Maria Günschmann) am liebsten töten. Doch Carlo (Erin Caves) verhindert dies.

Marquis v. Posa (Igor Gavrilov) möchte die Intrigantin Eboli (Eva Maria Günschmann) am liebsten töten. Doch Carlo (Erin Caves) verhindert dies.

Foto: M. Stutte

Das düstere Geschichtsstück, das Verdis Librettisten aus Schillers Tragödie "Don Carlos" destillierten, verlangt entsprechende Ausrichtung in der Musik. Daher findet der Komponist bis auf wenige Ausnahmen (Freundschafts-Duett Carlo/Posa) nur selten zu seiner gewohnt ausgelassenen, spritzigen Melodik. Dem hat Siegfried E. Mayer mit einem blutroten, beweglichen Plafond Rechnung getragen: Auf dem Stück und seiner Musik lastet ein enormer Druck – Erinnerung an das Leben am spanischen Hof in den Zeiten tiefsten Aberglaubens und machtbesessener Verfolgungswut unter der Inquisition.

Das humanistische Aufbegehren des Kronprinzen Carlo, dem der königliche Vater Philipp II. die versprochene französische Prinzessin Elisabeth entzieht und selbst ehelicht, scheint seiner Zeit um rund 150 Jahre voraus. Daher kann der lyrische Tenor Erin Caves in der Inszenierung von François de Carpentries auch trotz wärmster stimmlicher Empfehlung nicht die Hauptrolle beanspruchen. Die teilt sich auf vier weitere Personen auf, die in dezent die Zeit zitierenden Kostümen von Karine Van Hercke agieren: Elisabeth (Janet Bartolova), Philipp II. (Hayk Dèinyan), Eboli (Eva Maria Günschmann), Marquis von Posa (Igor Gavrilov).

Spiel mit Klischees

Das Regieteam versucht, durch kräftige Signalfarben (Rot, Blau), einfache Formen (korrespondierende Trapeze als deckelnde Soffitte und als Spielfläche) und requisitensparend klare Aussagen zu treffen. Da sind: der Auftritt des Großinquisitors (Matthias Wippich) durch eine kreuzförmige Sollbruchstelle, die Aufbahrung eines blutüberströmten Folteropfers als Gegenpol zur Pracht eines Autodafés und die wundersame Rettung Carlos durch einen weißen Mönch (Andrew Nolen), der als Philipps Vater Kaiser Karl V. den Infanten zur Freiheit in einen lichten Horizont geleitet. Das ist eher großes Kino als große Oper. Klischeehaft. Zum Glück gibt es einige sängerische Großleistungen neben schwachen Duetten zu bewundern. Fazit: Ein Ensemble an der Leistungsgrenze.

(RP)
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