Mönchengladbach Die zwei Gesichter von Chisterrin

Mönchengladbach · In der Manege des Circus Roncalli begeistert der 26-jährige Mexikaner Marco Antonio Vega das Publikum als spitzbübischer Clown Chisterrin. Wir haben ihn an seinem freien Tag getroffen und festgestellt, er ist ein ganz ruhiger Typ.

 So kennen die Gladbacher Chisterrin, den mexikanischen Clown. Geschminkt und in Clownsuniform ist er für jeden Schabernack bereit.

So kennen die Gladbacher Chisterrin, den mexikanischen Clown. Geschminkt und in Clownsuniform ist er für jeden Schabernack bereit.

Foto: Isabella Raupold

Entspannt sitzt Marco Antonio Vega auf den roten Holztreppen vor seinem Garderobenwagen. Die Hände auf dem Schoss, den Blick Richtung Sonne gerichtet. Um ihn herum laufen die Menschen mit T-Shirts, teilweise sogar mit kurzen Hosen umher. Der 26-Jährige selbst trägt ein weißes Shirt, dazu aber eine Baumwollmütze. In Cancún, in seinem Heimatland Mexiko, ist es aber auch gerade 27 Grad warm. Der Frühling in Mönchengladbach ist da gewöhnungsbedürftig. Ansonsten aber ist der junge Mexikaner begeistert von der Stadt. Er hat sogar schon ein paar deutsche Wörter gelernt: "Guten Tag, wie geht's dir", sagt er zur Begrüßung und bietet mir - ganz Gentleman - einen roten Klappstuhl neben sich an.

Ich zögere einen kurzen Moment, sehe mir den Sitzplatz genau an. Im Hinterkopf schwingen Gedanken von einem Pupskissen oder einem angesägtem Stuhlbein mit. Denn unter dem Namen Marco Antonio Vega kennen den 26-Jährigen nur die wenigsten in Deutschland. Den Gladbachern bekannter ist er als Chisterrin, der spitzbübische Clown des Circus Roncalli. Und wer die Vorstellung am Parkplatz Geroweiher bereits gesehen hat, der weiß, dass Chisterrin nur Unsinn im Kopf hat. Mal bringt er seinen Clownskollegen Eddy Neumann als Zinnsoldat mit Eigenleben auf die Palme, dann legt er sich im Pyjama lieber auf dem Schoss der Zuschauer schlafen, anstatt in der Manege zu assistieren.

 Der 26-jährige Clown ungeschminkt. Sein Vater (r.) ist sein großes Idol.

Der 26-jährige Clown ungeschminkt. Sein Vater (r.) ist sein großes Idol.

Foto: Isabella raupold

Privat ist Marco Antonio Vega jedoch ein ganz anderer Typ. Ruhig, bodenständig, sozial engagiert. Warum er Clown geworden ist? "Weil ich von Gott die Gabe bekommen habe, Menschen dabei zu helfen, zumindest für kurze Zeit ihre Probleme zu vergessen", sagt er. In Mexiko hat der junge Mann als Chisterrin auch Kinder in Kliniken bespaßt.

Er selbst ist bei zwei älteren, schon verheirateten Schwestern das Nesthäkchen in der Familie. Entsprechend stark fehlt die Mama. "Und ihre Kochkünste", ergänzt Marco Antonio Vega lachend. Die Mutter soll auch bald nach Deutschland kommen, wartet derzeit aber auf ihr Visum. Bis dahin muss sich der junge Clown mit den täglichen Telefonanten zufriedengeben. Nach jeder letzten Vorstellung wird zum Hörer gegriffen. Dann ist es in Deutschland zwar bereits kurz vor Mitternacht. In Mexiko allerdings erst 16 Uhr. Kaum aufgelegt, wird die Freundin angerufen, mit der Marco Antonio Vega seit sieben Jahren liiert ist. "Meine Familie ist mir sehr wichtig, in ein, zwei Jahren will ich selbst Kinder haben", sagt er und schaut verträumt zu Boden.

Kaum vorstellbar, dass dies der gleiche Mensch ist, der in der Zirkusarena seinen Schabernack treibt. Doch dieses Rätsel kann der 26-Jährige entschlüsseln: "Wenn ich mich schminke, dann fühlt sich das noch wie eine Maske an", sagt er. "Sobald ich aber auch noch in das Kostüm schlüpfe, ist das wie der Übergang in eine andere Person." Er schminkt sich für uns und zieht seine Clownsuniform an. Und tatsächlich: Kaum ist er fertig gekleidet, hampelt der zuvor so ruhige 26-Jährige herum, zieht seine lustigen Grimassen, und scheinbar unwillkürlich geht immerzu sein Finger zur Nase.

Gelernt hat er das alles von seinem Vater, der ebenfalls Marco Antonio Vega heißt. Clownerie gehört nämlich in dritter Generation zu der Familie. Seinen ersten Auftritt hatte Chisterrin somit schon mit fünf Jahren in einer Darbietung des Herrn Papa. Auch damals mimte er den Frechdachs und tauschte bei der Nummer immerzu die Hüte des Vaters aus. Bis er zu einem riesigen mexikanischen Sombrero griff, unter dem der Fünfjährige fast vollständig verschwand. Trotzdem hat sich Marco Antonio Vega Senior für das Berufsleben des Jungen etwas anderes vorgestellt. "Ich dachte, er führt irgendwann ein bürgerliches Leben", sagt der 47-Jährige. "Doch wenn ich von der Arbeit im Freizeitpark nach Hause kam, stand Marco schon fertig geschminkt und gekleidet da und war bereit, mir eine neue Nummer zu zeigen." Die Familie erkannte das Talent des Sprösslings und förderte es fortan. Neben dem Schminken und der Clownerie lernte der junge Marco auch Artistik, Jonglage, Tanz, Gesang und verschiedene Blasinstrumente zu spielen. Noch heute sagt der Junior: "Mein Papa ist mein Idol."

In den kommenden Wochen steht Chisterrin wieder mit ihm in der Manege. Denn das Idol ist inzwischen ebenfalls Teil des Circus-Roncalli-Programms. In der Show wird der "Kleine" den "Großen" mit seinen Ungezogenheiten immerzu bei seiner Zauberei stören - und so viel darf verraten werden - letztlich die Show stehlen.

(beaw)
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