Mönchengladbach Die Welt ist eine Handbreit weg

Mönchengladbach · Manfred Drathen hat seit Monaten seine Wohnung nicht verlassen. Denn der Treppenlift des Rollstuhlfahrers fährt nicht mehr bis ganz nach unten. Die Herstellerfirma schickt keinen Monteur und liefert ihm keine Ersatzteile.

Es sind wenige Zentimeter, die Manfred Drahten von vielem trennen, was früher sein Leben ausgemacht hat. Spazierfahrten, Feiern oder nur ein Plausch mit dem Nachbarn – all das kann der 64-Jährige nicht mehr machen, weil der Aufzug, der ihn und seinen Rollstuhl ins Erdgeschoss bringen soll, defekt ist. Eine Handbreit über dem Boden kommt der alte Lift ruckartig zum Stehen. Weiter will er nicht. Und die Herstellerfirma weigert sich, Ersatzteile zu liefern.

Rückblick: Vor dreizehn Jahren riss bei dem Mönchengladbacher die Aorta. Der Hobby-Schütze und leidenschaftliche Bastler überlebte, ist seitdem aber vom Bauchnabel ab querschnittsgelähmt. Weil er in der ersten Etage wohnt und von dort keine Chance hatte, das Haus zu verlassen, baute ihm der Jägerzug der St. Josef Schützenbruderschaft Geistenbeck, in dem er seit vielen Jahren Mitglied ist, einen neuen Seiteneingang mit einer stabilen Metalltreppe an das Haus. Was fehlte, war ein Aufzug. Doch auch den machten die beherzten Mitglieder des Jägerzugs ausfindig. "Ein Mann aus Wuppertal verkaufte gebrauchte Lifte unter der Voraussetzung, dass man sie selber abmontierte." Kurzerhand machten sich sechs Mitglieder des Jägerzugs auf und bauten den Lift an die Metalltreppe.

"Und genau darin liegt jetzt das Problem", sagt Drathen. Weil die Arbeiten nämlich nicht von einem Mitarbeiter der Herstellerfirma verrichtet wurden, verlor der Gladbacher jede Garantie. "Als es Probleme gab und ich Ersatzteile oder eine Wartung brauchte, sagte mir die Firma, dass die Herstellernummer meines Lifts in ihrem System wegen des unsachgemäßen Ab- und Aufbaus mit einem roten Strich gekennzeichnet sei", sagt der 64-Jährige. "Die haben ganz klar gesagt: Wenn Stümper daran rumgeschraubt haben, sind wir raus." Selbst Ersatzteile, die Drathens Freunde für ihn montieren würden, wolle die Firma nicht liefern.

Er und mehrere seiner Bekannten baten bei der Firma um eine Ausnahme. Doch alles Betteln half nichts. "Ich war schon seit Monaten nicht mehr unten", sagt Drathen. Zu groß sei die Angst, mit dem Rollstuhl zu stürzen oder später nicht wieder zurück ins Haus zu kommen. "Vor einigen Monaten kamen meine Frau und ich spätabends von einer Feier nach Hause und der Aufzug streikte wieder", erzählt der Mönchengladbacher. In seiner Verzweiflung habe das Ehepaar schließlich die Feuerwehr gerufen, die dem Mann in seine Wohnung helfen musste. "Das ist doch kein Zustand", sagt seine Frau Gerda.

Ein neuer Aufzug würde zwischen 12 000 und 15 000 Euro kosten, sagen die Drathens. So viel Geld kann das Ehepaar nicht aufbringen. "6000 Euro würde ich zusammenkriegen, aber dafür bekommt man nichts", sagt Drathen.

Die Herstellerfirma war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

(RP/ac)
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