Serie Gladbacher Lesebuch (9) Die Straßenbahn verband die beiden Städte

Geschäfte waren fußläufig zu erreichen. Ein Höhepunkt im Jahr war der Rheydter Blumenkorso.

 Hans Kremer mit seinem Vater Albert Kremer vor einem der prächtig geschmückten Wagen beim Blumenkorso 1967 in der Rheydter Innenstadt.

Hans Kremer mit seinem Vater Albert Kremer vor einem der prächtig geschmückten Wagen beim Blumenkorso 1967 in der Rheydter Innenstadt.

Foto: Hildegard Kremer

Damals fuhr noch die Straßenbahn zwischen Gladbach und Rheydt, ein Anziehungspunkt für unseren Schienen begeisterten Filius. Eine besondere Attraktion war für ihn der Tag des damals weithin bekannten und beachteten Rheydter Blumenkorsos. Dann spuckte die Straßenbahn Massen an schaulustigen Gladbachern aus, die sich über die Friedrich-Ebert-Straße zu Fuß Richtung Rheydter Innenstadt aufmachten. Denn an diesem Tag war für die Straßenbahn vor unserem Haus Endstation. Dann sprang der Schaffner aus dem Fahrerstand und betätigte per Hand die Weiche, eine Technik, bei der unser Sohn atemlos zusah. Nach dem Korso strebte der Pulk wieder Richtung Gladbach - und unsere Verwandten und Freunde Richtung Rheydter Straße 367, dritte Etage, Wohnzimmer. Kaffee und Pflaumenkuchen lockten dort.

 Der Konsum war für die Nachbarschaft ein wichtiger Ort. Hier konnte man einkaufen, und es gab alles, was man für das tägliche Leben braucht.

Der Konsum war für die Nachbarschaft ein wichtiger Ort. Hier konnte man einkaufen, und es gab alles, was man für das tägliche Leben braucht.

Foto: Hildegard Kremer

Ach ja, die Straßenbahn. Haltestelle an der ehemaligen Grenze. Einsteigen, Richtung Marienplatz fahren, angekommen. Anders Richtung Gladbach. Bis Hermges, Bismarckplatz oder Hauptbahnhof, dann umsteigen Richtung Alter Markt oder Wochenmarkt Kapuzinerplatz - lästig, also unattraktiv. Fazit: einkaufen in Rheydt, Friedrich-Ebert-Straße. Nahe gelegen der Konsum an der Ecke Cecilienstraße (heute ein Café). Fußläufig erreichbar auch Bäcker, Blumengeschäft, Milchladen, Tankstelle, Frisör, Heißmangel - es war einmal. Die Friedrich-Ebert-Straße war bis zur Stadtmitte Rheydt bündig bebaut, im Gegensatz zur Rheydter Straße. Dort gab es in den 1960er Jahren noch ein großes Kleingartengelände. Es gab Häuser mit kleinen, durch Eisengitter abgezäunte Vorgärten, es gab Bürobedarf Kleeschulte und das Autohaus Otto Issels. Dort erstanden wir unseren ersten Neuwagen, eine Dauphine, selbstverständlich mit MG-Kennzeichen. Das blieb auch so, als wir Jahre später beim Autohaus Rainer Todt in Rheydt einen Renault 16 kauften. Es gab das verwilderte Gelände der ehemaligen Station des "berittenen Kommandos der Schutzpolizei", wo der verstorbene Gladbacher Ehrenbürger und NRW-Ministerpräsident Franz Meyers seine Kindheit verbracht hat. Für die Kinder der Rheydter Straße ein zusätzliches, aber eigentlich verbotenes Spielgelände.

Die Rheydter Straße war auch einst der Standort der Kesselschmiede Lersch, Arbeitsplatz des Arbeiterdichters Heinrich Lersch. Heute hat sich an der Rheydter Straße die Hochschule Niederrhein mit attraktiven Neubauten ausgedehnt.

(RP)
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