Mönchengladbach Die Stadt braucht Soforthilfe

Mönchengladbach · Der SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Willi Körfges über Wege aus der städtischen Schuldenmisere, gemeinnützige Arbeit von Hartz-IV-Empfängern, sein Verhältnis zur Linkspartei und warum Rot-Rot-Grün für ihn keine Regierungsalternative ist

Sie stehen auf Platz vier der Landes-Reserveliste der SPD. Warum sind Sie für die Partei so wichtig?

Hans-Willi Körfges Ich weiß nicht, ob ich für die Partei so wichtig bin. Die Aufgaben, die ich erledige, sind wichtig. Ich habe mich intensiv mit kommunalen Finanzen, der WestLB und Finanz-Politik beschäftigt. Und das habe ich womöglich nicht so schlecht gemacht.

Mönchengladbach hat 1,3 Milliarden Euro Schulden. Was muss getan werden, damit die Stadt handlungsfähig wird?

Körfges Wir brauchen ein Maßnahmenpaket. Als erstes muss man an die Altschuldenproblematik ran, das macht ein Drittel des strukturellen Defizits aus. Ganz viele Mittel sind durch Zins- und Tilgungslasten gebunden. Deshalb wollen wir eine Soforthilfe starten, den Stärkungspakt Stadtfinanzen. Dadurch soll ein Sondervermögen geschaffen werden, das Land übernimmt Zins und Tilgung für fünf Jahre und wird dann aus dem Etat des Landes in die Sondervermögen einzahlen.

Also eine Art Entschuldungsfonds?

Körfges Genau. Das alleine würde aber nicht ausreichen, weil die Ursachen für die strukturellen Defizite woanders liegen. Kommunen sind mit Sozialleistungen überlastet. Diese Kosten müssen wieder mehr vom Bund getragen werden.

Die Stadt zahlte bisher Millionen für den Solidarfonds Deutsche Einheit. Geld, das sie selbst über Kredit aufnehmen muss. Müssen Not leidende Städte davon befreit werden?

Körfges Wir müssen uns Geld pumpen zu enormen Zinsen und schicken das in die neuen Bundesländer in Strukturen, die seit Jahren gefördert werden und sich positiv entwickelt haben. Das heißt nicht, dass nicht auch noch Hilfe nötig wäre. Solidarität darf aber keine Frage der Himmelsrichtung sein. Interkommunale Solidarität muss anhand von Strukturdaten organisiert werden. Diejenigen, denen es schlecht geht, sollten von der Solidarität profitieren. Egal ob Ost oder West.

Heißt das, Mönchengladbach muss davon befreit werden? Oder muss die Stadt sogar entsprechende Mittel bekommen?

Körfges Mönchengladbach muss befreit werden, ja. Und die Strukturprobleme müssen durch diese Unterstützung angegangen werden. Die Standorte mit altindustriellen Strukturen sind die, die die Haushaltsdefizite vor sich her schieben. Die Ursachen liegen nicht im Ausgabenverhalten.

Die SPD war im Aufwind, als Hannelore Kraft sich zur gemeinnützigen Arbeit von Hartz-IV-Empfängern äußerte. War der Zeitpunkt richtig?

Körfges Diese gemeinwohlorientierten Tätigkeiten sollen keine Zwangsverpflichtung sein, sondern eine Chance darstellen, etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit zu tun, gleichzeitig das Gefühl vermitteln, etwas für sein Geld zu tun und die Chance verbessern, woanders auf dem Arbeitsmarkt andocken zu können. Ich halte das für richtig. Schwierig war, dass wegen der zeitlichen Nähe zu den schwierigen Äußerungen von Herrn Westerwelle in der öffentlichen Wahrnehmung aufgekommen ist, das könnte in die gleiche Richtung gehen. Das ist inzwischen richtig gestellt.

Sie zählen zum linken Flügel der SPD. Dennoch halten Sie Distanz zur Linken. Warum?

Körfges Mancher mag das so beurteilen, ich verorte mich da nicht. Ich habe Probleme, die Linke einzuordnen. Ich kenne viele, die gestandene Demokraten sind aus Gewerkschaften und anderen Parteien. Mit denen habe ich weniger Probleme. Aber wenn ich mir anschaue, wo große Teile der Linken herkommen, ehemalige Kommunisten, die sehr aktiv in der DKP oder in den Neuen Bundesländern als ehemalige SED-Mitglieder aktiv waren, habe ich Zweifel daran, ob das, was erzählt wird, tatsächlich die Motivation für politisches Handeln ist.

Ist Rot-Rot-Grün für Sie eine denkbare Regierungsalternative?

Körfges Ich sehe die Möglichkeit für eine Zusammenarbeit in diesem Bündnis nicht. Eine geordnete Übernahme von Verantwortung scheint bei den Linken nicht gewollt zu sein. Die 30-Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich, die Verstaatlichung von Banken und Grundstoffindustrie — das ist so weit weg von Realpolitik. Der Einzige, der die Linke braucht, ist Herr Rüttgers. Wenn die nicht in den Landtag kommt, hat der Ministerpräsident keine Mehrheit.

Sie schließen Rot-Rot-Grün aus?

Körfges Ich halte es gegenwärtig nicht für vorstellbar.

Was halten Sie von diesen möglichen Modellen: Schwarz-Grün. . .

Körfges . . .halte ich für denkbar und ich weiß, dass es bei beiden Parteien Planspiele darüber gibt. Sorge habe ich davor nicht, das wird eher eine Art Wachstumsprogramm für die SPD werden.

Rot-Grün. . .

Körfges Ich setze darauf, dass Rot-Grün es schafft. Das verfolgen beide Parteien.

Schwarz-Gelb. . .

Körfges . . .halte ich für unwahrscheinlich, weil ich glaube, dass es keine Mehrheit dafür gibt.

Die Große Koalition. . .

Körfges . . .geht nicht mit der SPD als Junior-Partner. Für den Fall, dass die SPD stärkste Kraft wird, stellt sich diese Frage anders.

Körfges . . .ist ganz schwierig, weil die FDP und die Grünen im Moment im Landtag die kriegerischsten Fraktionen sind.

Welches Amt wird Hans-Willi Körfges im Land bekleiden, wenn die SPD in der Regierung ist?

Körfges Ich mache das, wohin Fraktion und Partei mich schicken.

Das klingt sehr nach Parteisoldat.

Körfges Das bin ich auch. Vor der Wahl sollte man nicht über Ämter diskutieren. Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kaplan wieder heraus.

Wird es einen Finanz-Minister Körfges geben?

Körfges Bestimmt nicht.

Wie groß sind Ihre Chancen, den Süd-Wahlkreis direkt zu holen?

Körfges Wenn ich antrete, will ich gewinnen. Einerseits haben wir zum ersten Mal Erst- und Zweitstimme und ich glaube, dass die Leute mich direkt wählen würden, auch wenn sie nicht mit allem übereinstimmen, was die Sozialdemokratie macht. Zum Anderen müssen viele Probleme im Wahlkreis gelöst werden, wo in den letzten Jahre nicht besonders viel passiert ist. Und ich bin überrascht worden davon, dass es in Berlin und Düsseldorf Leute gibt, die mir helfen wollen.

Dieter Weber und Andreas Gruhn führten das Gespräch.

(RP)
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