Mönchengladbach Die Pflege der ewigen Ruhe

Mönchengladbach · Der Türkisch-Deutsche Integrationsverband kümmert sich um die muslimischen Grabflächen auf dem städtischen Hauptfriedhof.

 Unterstützung bei der Pflege des muslimischen Gräberfeldes mit in der Mitte Bernhard Stein (CDU) und Mehmet Gümüs.

Unterstützung bei der Pflege des muslimischen Gräberfeldes mit in der Mitte Bernhard Stein (CDU) und Mehmet Gümüs.

Foto: Isabella Raupold

Yilmaz Karaca sitzt in der Hocke vor einem Grab und sammelt behutsam die Herbstblätter von der Freifläche auf. Welche Lebensgeschichte sich hinter dem Namen verbirgt, dessen Grab er gerade von Schmutz und Unkraut befreit, weiß der Vorsitzende des Integrationsrates nicht. Auch nicht, ob noch Angehörige des Toten vorhanden sind. Für ihn und seine Mithelfer spielt das jedoch auch keine Rolle. "Wir pflegen jeden Meter, egal welcher Name auf dem Stein steht oder welcher Nationalität jemand angehört hat", sagt Mehmet Gümüs, Vorsitzender des Türkisch-Deutschen Integrationsverbundes.

Trotz Kälte und Nässe kümmert sich der aus fünf Gladbacher Moscheen und einem Elternverein bestehende Verband am Sonntagmorgen um die Instandhaltung des muslimischen Gräberfeldes auf dem städtischen Hauptfriedhof. Mehr als 300 Gräber befinden sich dort laut Verband mittlerweile: Es gibt also einiges zu tun für die Männer, die in Regenjacken oder mit Westen mit der Aufschrift "Liebe für alle, Hass für keinen" über den Friedhof laufen, fegen, Laub in blaue Müllbeutel füllen und Rindenmulch mit Schaufeln und Schubkarren auf den Gräbern verteilen.

Etwa dreimal im Jahr werden die Grabflächen in Kooperation mit dem Integrationsrat gepflegt. Um 10 Uhr geht es los, dann wird mehrere Stunden gearbeitet. "So wie es aussieht, werden wir heute aber vermutlich schneller sein als sonst. Wir haben viele motivierte Leute hier und die älteren, die nicht mehr körperlich arbeiten können, versorgen uns später mit Essen", sagt Gümüs. Auch die pakistanische Gemeinde ist zur Unterstützung hinzugekommen, die afghanische und die marokkanische Gemeinde haben ihre Hilfe ebenfalls angekündigt. Aus dem Stadt- und dem Integrationsrat ist Bernhard Stein von der CDU mit dabei. "Die Aktion ist ein wichtiges Zeichen der Gemeinsamkeit. Was passiert, wenn wir sterben, ist in allen Religionen eine zentrale Frage. Muslime sollten darum in Gladbach ein gleiches Anrecht auf Grabflächen haben. Die gemeinsame Pflege der Gräber zeigt außerdem, dass sich die Menschen in der Stadt um ihre Umgebung kümmern", sagt Stein.

2014 habe es zunächst Probleme mit der Erhaltung der Gräber gegeben, erzählt Yilmaz Karaca. Die Friedhofsgemeinde und der Integrationsrat hätten sich aber schließlich auf die regelmäßige Pflege der Gräber durch den Türkisch-Deutschen Integrationsverbund geeinigt. "Seitdem stehen wir in gutem Kontakt. Ich fahre regelmäßig am Friedhof vorbei, mache Fotos und frage nach, ob etwas getan werden muss", sagt Karaca. Die Aktion wird dabei immer populärer. "Es sind jedes Mal neue Gesichter, die wir hier sehen", so der Vorsitzende des Integrationsrates. Das hänge auch mit einem stärker werdenden Interesse an einer Bestattung auf dem Friedhof zusammen. "Immer mehr Muslime wollen hier begraben werden, anstatt nach ihrem Tod in die Heimat transportiert zu werden", sagt Gümüs.

Wie es auf einen muslimischen Friedhof Vorschrift ist, richten sich die Köpfe der Toten auf der Grabfläche des Hauptfriedhofs gen Mekka, die Erde für neue Gräber ist noch "ungenutzt" und ein Toter, der einmal begraben ist, hat - anders als die 25 Jahre auf christlichen Friedhöfen - ewiges Bleiberecht. Bald soll die Friedhofssatzung neu verhandelt werden. Dann will der Verband auch den Wunsch nach einer Bestattung ohne Sarg noch einmal ansprechen. Ansonsten lassen sich jedoch vor allem optisch kaum Unterschiede zum restlichen Teil des städtischen Friedhofs finden. Kerzen, Blumen, Laternen und Steine schmücken die Gräber, die häufig mit Marmor umrandet sind. "Die Blumen sind eigentlich eher untypisch", sagt Gümüs. "In der Türkei ist das nicht so unser Ding. Da sind die Gräber normalerweise sehr schlicht gehalten."

Nach zwei Stunden ist auf den Grabflächen schon eine ganze Menge geschafft. Die Helfer finden sich zu einem Dankesgebet zusammen und lauschen in minutenlanger Stille den Versen des Korans. Nur noch einige Gräber müssen gesäubert werden. Dann soll es erst wieder im März mit der gemeinsamen Friedhofspflege weitergehen.

(mcv)
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