Ob Hans Wilhelm Reiners Die Nörgelei vieler Gladbacher ärgert mich oft

Mönchengladbach · Der Oberbürgermeister will die Verwaltung städtischer Immobilien konzentrieren und hofft auf positive Entwicklungen bei Haus Westland.

Ob Hans Wilhelm Reiners: Die Nörgelei vieler Gladbacher ärgert mich oft
Foto: Knappe Joerg

Sie sind jetzt seit gut zwei Jahren Chef der Stadtverwaltung. Wenn Sie die Stadtverwaltung bei Ihrem Dienstantritt mit der heutigen vergleichen: Was hat sich seitdem getan?

 Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (CDU) ist seit mehr als zwei Jahren im Amt.

Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (CDU) ist seit mehr als zwei Jahren im Amt.

Foto: Jörg Knappe

Hans wilhelm Reiners Da hat es schon einige Veränderungen gegeben. Ich nenne als Beispiel die Gründung von Mags oder den Start des Projekts mg+. Aber auch kleine Dinge zeigen Wirkung. Ich habe das Gefühl, dass die allermeisten Mitarbeiter der Stadt sehr motiviert sind und die gute Stimmung, die in der Stadt bemerkbar ist, sich auch hier in der Verwaltung breit macht.

Wie sind Sie als Chef? Reden Sie viel mit den Mitarbeitern? Hauen Sie auch mal mit der Faust auf den Tisch und geben die Richtung vor?

reiners Ich kommuniziere viel und stelle dabei auch die zahlreichen positiven Dinge in der Stadt heraus. Ich bin der Meinung, dass man positive Entwicklungen auch immer wieder herausstellen und über sie reden muss. Und ich bin lieber der kollegiale OB, der nicht in festen Hierarchien denkt. Den Azubis, die jetzt bei uns angefangen haben, habe ich zum Beispiel gesagt, dass sie kritische Fragen stellen sollen. Auch mir, denn ich stehe auch in der Telefonliste der Stadt-Mitarbeiter.

Sie wollten viel mit dem Rad machen und den Dienstwagen eine Nummer kleiner wählen: Was ist daraus geworden?

Reiners (lacht) Der Dienstwagen ist in der Tat kleiner als früher, und wann immer es möglich ist, bin ich zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Ich habe mir privat auch noch eine rote Vespa gekauft. Die steht oft im Rathaus-Innenhof. Aber mitunter ist der Termindruck recht groß. Da bin ich auf das Auto und den Fahrer angewiesen. Außerdem kann ich im Auto noch gut arbeiten.

Und Sie wollten auch nicht jedes Wochenende im Einsatz sein. Lässt sich das umsetzen?

Reiners Ab und zu gelingt es tatsächlich, ein Wochenende terminfrei zu halten. Aber das ist nicht die Regel und auch nicht schlimm. Ich binde aber die drei ehrenamtlichen Bürgermeister mehr ein. Ich bin der Meinung, dass mein Schwerpunkt die Verwaltungsarbeit sein muss. Aber zahlreiche Repräsentationsaufgaben muss ich schon selbst übernehmen, weil das dem Amt geschuldet ist. Ich versuche allerdings lieber einmal, ganz spontan etwas zu machen. So wie jetzt beim Fest am See in Wickrath. Da bin ich einfach mal hingefahren und wollte eigentlich nur bummeln. Da hat man mich dann auf die Bühne geholt, weil es für viele etwas Besonderes ist, wenn der OB da ist.

Wie möchten sie angesprochen werden: Herr Oberbürgermeister oder lieber Herr Reiners?

Reiners Herr Reiners ist mir deutlich lieber.

Trotz vieler Erfolge gibt's viele Nörgler. Das nervt Sie. Warum nörgeln Gladbacher so gerne und oft?

Reiners Dieses Nörgeln ist eine niederrheinische Grundhaltung. Aber mich ärgert es schon oft. Wir machen jetzt zum Beispiel eine Umfrage zur Nahmobilität. Und die machen wir online. Die Kritik kam prompt, und es hieß: Warum gibt es das nicht auch auf Papier? Es ist noch gar nicht so lange her, da entschieden solche Themen nur Politik und Verwaltung. Wir binden also die Bevölkerung größtmöglich ein, aber was wir erfahren, ist zunächst Kritik.

Als die Strecke für den Santander-Marathon so heftig kritisiert wurde, haben Sie entsprechend heftig gekontert. Würden Sie das wieder machen?

Reiners Aber ja, ich werde aus meinem Herzen keine Mördergrube machen. Ich muss aber immer gut überlegen, wie ich Kritik formuliere. Denn wenn ich etwas sage, dann sagt das der OB. Und bei manchen Themen habe ich auch gemerkt, dass man die Diskussion am Ende nicht mehr in den Griff bekommt.

Die städtischen Computerexperten wechseln zur ITK-Rheinland, die Mitarbeiter des Grünflächenamts sind Teil eines Kompetenzzentrums, der Bürgerservice ist im Vitus-Center. Wie wird sich die Stadtverwaltung bis zum Ablauf Ihrer Wahlzeit 2020 noch verändern?

Reiners Ich spreche lieber vom Konzern Stadt, weil die Stadttöchter da eingebunden sind. Es gibt einige Möglichkeiten, den Konzern effektiver zu machen. Wir haben zum Beispiel zwei Wohnungsgesellschaften. Muss das so bleiben? Jetzt ist es so, dass die Verwaltung von städtischen Immobilien von den Wohnungsgesellschaften, von der EWMG und von der Stadt gemacht werden. Brauchen wir dafür drei unterschiedliche Stellen? Das kann man verändern.

Die Konzentration auf eine Wohnungsgesellschaft hat schon die FDP zu Ampel-Zeiten gefordert. Das ist nicht neu.

Reiners Dann nenne ich ein anderes Beispiel. Ich war vor kurzem bei meinem niederländischen Kollegen in Venlo. Er hat mir das neue Verwaltungsgebäude der Stadt gezeigt. Da ist es so gewesen, dass die Venloer entschieden haben, mit dem Einzug nur noch papierlos zu arbeiten. Es arbeiten zwar 800 Mitarbeiter in dem Gebäude, aber es gibt nur 600 Schreibtische und vielfach keine festen Arbeitsplätze. Die Santander-Bank macht das ja hier im Nordpark auch so. Wir werden in der Verwaltung auch den Bereich des Homeoffice verstärken können.

Sie waren als CDU-Ratsherr und als Geschäftsführer der CDU-Fraktion viel mehr Teil der Politik als Sie es heute in der neuen Rolle sind. Hätten Sie auch gegen die Sondersitzung in den Ferien gewettert?

Reiners Ja, wahrscheinlich. Ich hätte mich vermutlich auch geärgert. Aber in diesem Fall hatte die NEW zunächst erklärt, dass ein Beschluss des Rates nicht notwendig sei. Als sich das dann änderte, gab es aufgrund von Fristen keine andere Möglichkeit, als die Sondersitzung einzuberufen.

Die CDU hat Sie gefeiert, als Sie es in OB-Amt schafften. Heute meint man gelegentlich ein gewisses Fremdeln mit Ihnen zu spüren. Woran liegt das nach Ihrer Meinung?

Reiners Ich sehe meine Aufgabe in erster Linie darin, das Beste für die Stadt anzustreben. Und nicht das Beste für die Partei, der ich angehöre. Es kann sein, dass meine Haltung nicht von jedem Parteifreund so gesehen wird. Ich besuche Fraktionssitzungen und informiere ausführlich über das, was für die Stadt wichtig ist. In den Parteien - und das beschränkt sich nicht nur auf die CDU - weiß man wenig über die Strukturen einer Verwaltung. Das ist ein großer Apparat, und manches Mal ist das für einen Außenstehenden auch ein eher kompliziertes Gebilde. Und natürlich habe ich auch mitunter eine andere Meinung zu bestimmten Themen als einige meiner Parteifreunde. Ich bezweifle zum Beispiel, ob wir noch so viele Verwaltungsstellen in den Stadtbezirken benötigen.

Sie haben sich als Politiker immer sehr für die Stadtentwicklung interessiert und sich dafür eingesetzt. Wie beurteilen Sie das, was sich derzeit in der Stadt tut?

Reiners Ich bin fasziniert, was mittlerweile alles läuft und wie es vorangeht. Teilweise habe ich es ja in meinen früheren Funktionen mit angestoßen. Wir haben eine Entwicklung, um die wir beneidet werden. Das erfahre ich immer wieder, wenn ich zum Beispiel bei Tagungen des Städtetags mit Kollegen zusammen bin. Sie äußern sich sehr lobend über unsere Stadt.

Was ist das nach Ihrer Meinung interessanteste Projekt für Mönchengladbach?

Reiners Das Projekt Maria Hilf halte ich für hochspannend. Dass es uns gelungen ist, jetzt den Zugriff auf das Gelände zu bekommen, ist für die Stadtentwicklung sehr wichtig. Das kann ein attraktiver Wohnstandort werden - im Zentrum, aber nicht weit vom Bunten Garten entfernt. Auch die City Ost hat eine ähnliche Qualität. Ebenfalls wichtig ist das Reme-Gelände, da ist allerdings die Ausrichtung eine etwas andere. Wir können als Stadt in den nächsten Jahren in unterschiedlichster Weise viel bewegen. Vor allem: Alle Projekte haben eine herausragende Qualität.

Vor welchen Herausforderungen steht die Stadt - unabhängig von den Bauprojekten?

Reiners Die Arbeitslosenquote ist mit 10,5 Prozent immer noch sehr hoch. Zu hoch. Wir müssen weiter daran arbeiten, Menschen in Arbeit zu vermitteln. Und wir müssen dafür sorgen, dass es ausreichend bezahlbaren Wohnraum in Mönchengladbach gibt. Wir dürfen nicht nur die hochpreisigen Bauprojekte im Auge haben. Es muss auch ausreichend Wohnraum für die Menschen geben, die sich Wohnlagen etwa am Bunten Garten nicht leisten können.

Das Arbeitslosenzentrum soll nach dem Willen der GroKo an einen anderen Ort verlegt werden. Von Ihnen wird erwartet, dass Sie eine Alternative anbieten. Gibt es die?

Reiners Ich bleibe dabei: Das Arbeitslosenzentrum sehe auch ich nicht zwingend am jetzigem Standort. Es wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem wir sagen müssen: Es ist nicht mehr nutzbar. Und ich kann mir für diesen Standort sinnvollere Dinge vorstellen, als viel Geld in die Bestandserhaltung des Gebäudes zu stecken. Es gibt jedoch auch keine Bemühungen des Vereins, sich selbst etwas zu suchen. Leider.

Wie beurteilen Sie die jüngsten Entwicklungen beim Dauerbrenner Haus Westland?

Reiners Da bin ich inzwischen deutlich optimistischer, dass sich nach dem Eigentümerwechsel da etwas tut. Der neue Eigentümer hat konkrete Interessen: Er will abreißen und neu bauen. An so einem Punkt waren wir noch nie. Ich schätze, wenn der neue Eigentümer die Gewissheit hat, dass er so viele Sicherheiten für den Neubau hat, dass dieser wirtschaftlich umsetzbar ist, wird er handeln.

Der neue Baudezernent Dr. Gregor Bonin ist ein persönlicher Freund von Ihnen. Ist das positiv oder negativ in der täglichen Arbeit?

Reiners Wir kennen uns seit mehr als 30 Jahren. Wir empfinden die Zusammenarbeit als angenehm, weil wir ähnlich ticken. Bonins Erfahrung und seine Kontakte sind wichtig für die Stadt. Und ja, ich habe auch diejenigen Kritiker vernommen, die davor warnen, dass Bonin die Meinungsführerschaft übernimmt. Er und ich sehen das alles sehr entspannt.

Stand jetzt: Würden Sie 2020 noch einmal als OB-Kandidat antreten?

Reiners Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ein Jahr vor dem Ablauf meiner Amtszeit werde ich mich dazu äußern. Dann werde ich 64 sein und reflektieren: Kann ich die Arbeit eine weitere Amtszeit leisten? Wie ist meine Gesundheit? Was sagt die Familie dazu? Das alles ist für die Entscheidung wichtig, ob ich noch einmal antreten werde.

JAN SCHNETTLER UND DIETER WEBER FÜHRTEN DAS INTERVIEW

(RP)
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