Porträt Die Neue: "Singen fand ich todlangweilig"

Mönchengladbach · Mit einem jugendlich-lyrischen Sopran ausgestattet, hat die Berlinerin Sophie Witte ihre erste Rolle am Niederrhein gemeistert.

 Sophie Witte (li.) als Seejungfrau Rusalka (mit Charlotte Reese).

Sophie Witte (li.) als Seejungfrau Rusalka (mit Charlotte Reese).

Sie ist spät. Aber jung (29), sportlich und kann ganz gehörig mit den großen Augen klimpern. Sophie Witte kommt zum Treffen im Theatercafé Linol gut gelaunt und in voller Fahrt aus der Vorstellung des Kindermärchens "Rusalka". Bei den Wiederaufnahmeproben hätte sie beinahe eine Erkältung herausgekegelt, gibt die Blondine bekannt. Zwei Tage später aber stand (zunächst: schwamm) sie als Seejungfrau auf der Bühne, das war ihr erster Auftritt vor Mönchengladbacher Publikum.

Sophie Witte singt, sie ist ein (jugendlich-)lyrischer Sopran mit Nähe zum Koloraturfach. Und das Gemeinschaftstheater ist ihre neue berufliche Heimat. Musik ist der jungen Frau, der man den Berliner Dialekt für den Umgang im professionellen Umfeld schon früh ausgetrieben hat, in die Wiege gelegt. Im Elternhaus wurde musiziert, das Kind lernte Klavier an der Musikschule, war eine begeisterte Tänzerin.

Hier waren nach bewährtem Brauch auch Theorie und das Singen im Chor Pflicht. "Todlangweilig" fand die kleine Sophie das, schwänzte oft und wurde prompt zum Rapport samt Vorsingen bestellt. Dabei kam ihr Stimmtalent zum Vorschein, sie wurde mit 14 in einen Kammerchor aufgenommen, hatte Gesangsstunden und begann nach dem Abi mit Musikwissenschaft. Dabei erlebte sie ein Vorsingen für die Hochschule der Künste und dachte bei sich: "Das kann ich auch." Ergebnis war, dass sie in die Klasse von Kammersänger Siegfried Lorenz kam. "Das war und ist mein großes Glück: einen Lehrer zu haben, der mit meiner Stimme sorgfältig und verantwortlich umgeht", strahlt die junge Sängerin und zitiert – nun in original Berliner Schnauze – die Sprüche ihres berühmten Lehrers. Zu Siegfried Lorenz, nach Berlin, geht sie heute noch regelmäßig zur Kontrolle ihres Instruments, das durch den beruflichen Alltag keinen Schaden nehmen soll, wohl gewarnt vor der Versuchung "wenn alle brüllen, brüllt man mit".

Gleich von der Hochschule wurde die im lyrischen, jugendlich-leichten Fach Heimische nach Flensburg engagiert, wo damals noch Michael Grosse Intendant war. Der erkundigte sich Mitte vergangener Spielzeit beim designierten Generalmusikdirektor, Mihkel Kütson, der ebenfalls aus Flensburg kommt, nach Sophie Wittes Werdegang. Kütson bat sie zum Vorsingen und engagierte sie.

"Hier am Niederrhein ist kulturell viel mehr los als im hohen Norden", schwärmt die Sopranistin, die mit ihrem Freund nach Rheydt gezogen ist. "Die großen Metropolen sind in der Nähe. Und wenn man einen Agenten anruft, dann hat man die Chance, dass er auch in die Vorstellung kommt", beschreibt sie den Sprungbrett-Aspekt ihres Engagements, schließlich ist es erst ihr zweites Haus.

Auf der Bühne fühlt sich die Sängerin inzwischen wohl. In Flensburg habe sie viele, sehr nützliche Dinge gelernt. "Beim Singen betreibt man ja fast seelische Prostitution, und man will das ja auch irgendwie. Aber wie man das macht, das lernt man nur auf der Bühne", weiß Sophie Witte inzwischen. Außer der Seejungfrau Rusalka übernimmt sie in der laufenden Theater-Spielzeit etliche weitere Partien: Unter anderem die Adele in der "Fledermaus" und vor allem die Susanna im "Figaro" sind für sie große, schöne Herausforderungen.

(RP)
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