Mönchengladbach Die kleinen OB-Kandidaten

Mönchengladbach · Sie haben ernsthaft keine Chancen, neuer Oberbürgermeister zu werden. Doch vielleicht entscheiden sie die Wahl, weil sie Norbert Bude oder Norbert Post wichtige Stimmen nehmen. Drei der fünf spielen schon jetzt eine Rolle in der Kommunalpolitik.

DR. ANNO JANSEN-WINKELN (FDP) Er versteht sich als Freigeist, der nichts so sehr hasst wie Denkverbote. Das bekommt seine Partei mitunter zu spüren, wenn der 45-Jährige ungeachtet aller liberalen Vorüberlegungen Ungewöhnliches sagt und entsprechend handelt. Zum Beispiel seine Forderung, über eine sechste Gesamtschule neu nachzudenken.

Oder mehr Gewerbegebiete auszuweisen und mit Dumping-Grundstückspreisen die Konkurrenz in den Nachbarkommunen zu unterbieten. Oder das Ausscheren aus der Mehrheits-Kooperation mit der CDU, als sich die Liberalen neu aufstellten. Jansen-Winkeln ist nicht die FDP — doch sein Wort hat bei ihr großes Gewicht.

Der Unternehmer setzt in der Ratsarbeit seit 1994 vor allem das ein, was ihn auszeichnet: rhetorisches Geschick. Der Vater von fünf Kindern gibt sich mal moderat und ausgleichend, mal scharfzüngig und angriffslustig. Spitze Bemerkungen bekommt auch die Verwaltung ab, wenn sie sich starr und detailversessen an Vorgaben hält und zu wenig Kreativität zeigt. Das mag Jansen-Winkeln nicht. Es kommt nicht von ungefähr, dass ihn mit dem ehemaligen Verwaltungsexperten und FWG-Chef Erich Oberem nicht gerade eine innige Freundschaft verbindet.

Jansen-Winkeln ist studierter Archäologe und leitete einst Grabungen in Griechenland und Bulgarien. Dann sagte er dieser Berufung adieu. Warum? Weil die Wahrscheinlichkeit groß gewesen wäre, dass sein Schreibtisch irgendwann in einer Verwaltung gestanden hätte. Ist Jansen-Winkeln dann überhaupt der Richtige als OB, der eine Verwaltung führen muss? "Ja", sagt der Vorzeigeliberale, "weil ich ein Querdenker bin."

ERICH OBEREM (FWG) Er ist zwar vor ein paar Wochen 71 geworden, aber noch angriffslustig und gedanklich wendig wie einst als junger Ringer, als man ihn "den Löwen von Windberg" nannte. Und Erich Oberem, Fraktionsvorsitzender und Oberbürgermeisterkandidat der FWG, ist auch kein Auslaufmodell, sondern immer noch der Stachel im Fleisch der CDU. Der könnte bei dieser Wahl sogar besonders schmerzen. Denn unzufriedene CDU-Wähler dürften sich inhaltlich bei der FWG gut aufgehoben fühlen. Seine Partei sei "die wahre CDU", sagt Oberem schelmisch.

Gradlinig, hartnäckig und mit großer Detailkenntnis beschlagen — so kennt die interessierte Gladbacher Öffentlichkeit Oberem jetzt seit Jahrzehnten. Er ist der einzige der Oberbürgermeister-Kandidaten, der die Verwaltung von innen kennt. Und das aus unterschiedlichsten Perspektiven: Er wurde schon mit 26 Jahren Oberinspektor, zehn Jahre früher als die meisten Kollegen, arbeitete in der Kämmerei, im Rechtsamt, im Schulamt, machte als Amtsleiter Öffentlichkeitsarbeit, Raumprogramme für Theater und Schulen — und trug bald Verantwortung. Er war Erster Beigeordneter in Grevenbroich, später Umweltdezernent in Mönchengladbach.

Von bürgerlichen Wählern hört man in diesen Tagen immer wieder: "Wenn der Erich ein paar Jahre jünger wäre, dann wäre er der beste Oberbürgermeister für die Stadt." Doch auch mit 71 Jahren kann und wird er Norbert Post und Norbert Bude Stimmen kosten. Für einen der beiden können es die entscheidenden sein.

KARL SASSERATH (GRÜNE) Er verkörpert die typische Karriere eines grünen Politikers der Gründergeneration: Erst Anti-Atomkraft-Initiative, dann neue soziale Bewegung mit dem Aufbau von Arbeitslosenzentren und die Mitarbeit in Bürgeraktionen.

Der 56-jährige Karl Sasserath stieß 1984 zur Grün-Alternativen-Liste, zu der sich die Mönchengladbacher Grünen vereinigt hatten und war einer von sechs Politikern, die damals in den Rat rückten. Das Rotationsprinzip, das die Grünen zur Richtschnur ihres Handelns gemacht hatten, führte ihn wieder hinaus. Doch der Sozialarbeiter hatte Spaß an der Politik gefunden und ist inzwischen seit zehn Jahren Fraktionsvorsitzender.

Sasserath, geschieden, Vater eines Sohnes und mittlerweile wieder in einer festen Beziehung lebend, wird gerne dem "Fundi-Flügel" seiner Partei zu gerechnet. Gemeint sind die Grünen, die politische Opposition einfordern, sich mehr der traditionellen Ausrichtung ihrer Partei als der Realpolitik zugehörig fühlen und die bürgerlichen Parteien als potenzielle Gegner betrachten.

Die Fundi-Rolle spielte Sasserath lange im Rat. Interessanterweise hat er in der vergangenen Wahlperiode oft die Übereinstimmung mit dem wertkonservativen FWG-Vorsitzenden Erich Oberem gesucht. Auch seine Ungeduld mit Andersdenkenden hat der Leiter des Gladbacher Arbeitslosenzentrums dabei zügeln gelernt.

Liegt's daran, dass er als Bezirksvorsteher von Rheydt-Mitte oft den Ausgleich suchen musste? Wer Sasserath heute nach Schwarz-Grün fragt, hört: Das hänge von Verhandlungen ab. Sasserath will zeigen, dass er auch "Macht kann".

ILSE LUKASCHEK (ZENTRUM) Sie war Betriebsratsvorsitzende bei Lufthansa am Düsseldorfer Flughafen, SPD-Mitglied und sogar Vorsitzende der Sozialdemokraten im Bezirk Volksgarten. Die Partei hat sie schon lange verlassen, weil sie soziale Inhalte vermisste. Heute ist die 63-Jährige beim Zentrum und da gleich OB-Kandidatin. Sie steht auch an erster Stelle auf der Reserveliste und hat damit Chancen, in den Rat zu rücken.

Den Wahlkampf finanziert Ilse Lukaschek mit ihren Parteifreunden weitgehend aus eigener Tasche. Zeit, sich mit den Menschen zu unterhalten, hat sie genügend: Die Spitzenkandidatin ist in Altersteilzeit und muss nicht mehr täglich nach Düsseldorf.

Ilse Lukaschek ist geschieden und hat keine Kinder. Seitdem sie beim Caritasverband eine Ausbildung zur Seniorenbegleiterin gemacht hat, behält sie die Altenarbeit im Blick. Außerdem will sie Frauen stärker fördern, damit diese auf der Karriereleiter nach oben rücken. Und wenn's darum geht, die Schulden der Stadt zu verringern, glaubt die Zentrum-Politikerin mitreden zu können: Als Betriebsratschefin arbeitete sie im Wirtschaftsausschuss der Lufthansa mit.

MANFRED FRENTZEN (NPD) Der 61-jährige Pflasterer Manfred Frentzen tritt als OB-Kandidat der NPD. Er bewirbt sich zum ersten Mal um ein politisches Mandat. In einer Pressemitteilung gibt er an, in verschiedenen Vereinen, vorwiegend in der Jugendarbeit, tätig gewesen zu sein. Seine politischen Forderungen: Zuzugsstopp für "Personen aus Nicht-EU-Ländern", Auflösung von NVV und GEM und Vorrang für Autos im Straßenverkehr.

Alle Informationen zur Kommunalwahl finden Sie hier in unserem Special.

(RP)
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