Hans-Peter Schlegelmilch (cdu) Die Grünen sind nicht mehr dogmatisch

Mönchengladbach · Der CDU-Fraktionsvorsitzende spricht über die Chancen und die Risiken von einer Kooperation mit SPD oder Grünen, die DNA von politischen Bündnissen, Verlässlichkeit - und sagt einen typischen Lucien-Favre-Satz.

 Dr. Hans-Peter Schlegelmilch sieht die Grünen durch das Ampel-Bündnis in der politischen Wirklichkeit angekommen. Sie hätten gelernt, Kompromisslinien zu erkennen und zu akzeptieren, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende.

Dr. Hans-Peter Schlegelmilch sieht die Grünen durch das Ampel-Bündnis in der politischen Wirklichkeit angekommen. Sie hätten gelernt, Kompromisslinien zu erkennen und zu akzeptieren, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende.

Foto: Detlef Ilgner

Die CDU ist eindeutiger Wahlsieger und liegt trotzdem ein gutes Stück hinter den Ergebnissen von früher. Wie zufrieden sind Sie?

hans-peter Schlegelmilch Um das zu beschreiben, muss ich eine Lucien-Favre-Antwort geben: Man muss mal sehen, wo wir hergekommen sind. 2009 konnte man ja fast den Eindruck gewinnen, wir hätten beim Wähler um ein schlechtes Ergebnis gebettelt. Die Botschaft dieses Wahlergebnisses ist: Die Bürger haben wieder Vertrauen zu uns gefasst. Und das macht mich sehr zufrieden. Ich glaube, dass wir uns dieses Vertrauen durch unsere Arbeit auch verdient haben.

Ganz einfach ist das Ergebnis für Sie trotzdem nicht. Für Ihr Wunschbündnis mit der FDP reichte es nicht.

schlegelmilch Tatsächlich sind wir die einzigen, die von dem verantwortungsbewussten gemeinsamen Agieren des bürgerlichen Bündnisses nach dem Scheitern der Ampel profitiert haben. Ich muss mich noch mal bei Nicole Finger, Anno Jansen-Winkeln und Bernd Püllen bedanken. Den Haushalt zu retten und nötige Korrekturen vorzunehmen, ging erstaunlich geschmeidig, und es hat sogar überraschend viel Spaß gemacht. Dass die FWG so abgestraft worden ist, liegt an eigenen Dummheiten. Bei der FDP wird wohl der Bundestrend eine Rolle gespielt haben. Dass es nicht zu einem Bündnis mit der FDP kommt, halte ich aber nicht für ausgemacht.

Wie das?

Schlegelmilch Es gibt drei Optionen, die wir sorgsam prüfen werden. Eine Kooperation mit der SPD. Ein Bündnis mit den Grünen und ein Bündnis mit Grünen und FDP.

Da hat die FDP doch abgewunken.

schlegelmilch In einer ersten Reaktion am Wahlabend. Ich möchte jedenfalls für die CDU nichts voreilig ausschließen, was möglich ist.

Und was ist der Variante, ohne feste Mehrheiten Politik zu machen?

schlegelmilch Ich glaube nicht, dass man alles bis ins letzte Detail vorab regeln muss. Aber eine DNA braucht es schon, an der man sich entlang hangeln kann. Wenn sich partout kein Partner für solch eine Leitlinie finden lässt, würden wir natürlich - wie nach dem Scheitern der Ampel - jeweils Partner für unsere Positionen suchen. Aber unser Ziel ist so ein Zustand nicht.

Welche Themen sind für die CDU in den Gesprächen mit möglichen Partnern besonders wichtig?

Schlegelmilch Wir haben drei Masterpunkte. Erstens: Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit. Die Ansätze, die die Grünen öffentlich gemacht haben, sind da sicher eine Grundlage für Gespräche. Dazu gehört für uns zwingend die Frage, wie man die GEM zu einem Kompetenzzentrum für Sauberkeit umbaut. Zweitens: Stadtentwicklung und Wirtschaft. Wir müssen Flächen priorisieren und schnellstmöglich verkaufen, damit es im Sinne des Masterplans vorangeht. Logistik als Monokultur bringt uns nicht weiter. Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit in der Ansiedlungspolitik. Drittens: die Organisation der Verwaltung. Die Führungsstrukturen dort stimmen nicht. Es braucht aber auch eine Kultur der Wertschätzung gegenüber den Verwaltungsmitarbeitern. Diese fehlt - das ist ein Führungsdefizit. Deshalb werfe ich häufig konkret die Frage auf: "Wann sind Sie eigentlich das letzte Mal gelobt worden?"

Und mit welchen Ihrer möglichen Partnern können Sie diese Ziele besser erreichen?

schlegelmilch Das müssen wir herausfinden, und das wird einige Zeit dauern. Im Moment geht es darum auszuloten, wie sehr man einander vertrauen kann. Das haben Sie mit dem Begriff Lockerungsübungen kürzlich ganz gut getroffen.

Wie locker ist denn die CDU gegenüber den Grünen schon? Sie haben keinerlei Erfahrung mit dieser Partei als Partner.

Schlegelmilch Viele Grüne kommen aus CDU-Elternhäusern, sind bürgerlich geprägt. Ich glaube, dass die Grünen durch die Zeit in der Ampel, als sie Verantwortung getragen haben, in der politischen Wirklichkeit angekommen sind. Da steht längst Pragmatik vor Dogmatik. Sie haben gelernt, Kompromisslinien zu erkennen und zu akzeptieren.

Gilt das für die CDU auch?

Schlegelmilch Was die Grünen anbelangt, ist das für manchen in der CDU sicher ungewohntes Terrain. Manche sind skeptisch, ob die Grünen dieselbe Verlässlichkeit wie wir beim pragmatischen Verfolgen von Zielen haben. Da fehlt die gemeinsame Erfahrung. Aber das ist nichts so Grundsätzliches, dass es nicht lohnt, die Variante genau zu prüfen.

Wo erwarten Sie inhaltliche Schnittmengen, wo wird es schwierig?

schlegelmilch Bei der Stadtentwicklung sind unsere Positionen ähnlich, bei Bürgernähe und Sauberkeit auch. Differenzen gibt es eher bei Sicherheit und Ordnung und bei wirtschaftlichen Fragen. Wenn ich zum Beispiel an die Kaufland-Ansiedlung denke: Da sind große Fehler passiert, aber alle auf Seiten der Verwaltung. Politik soll da jetzt den Reparaturbetrieb für die Verwaltung spielen. Investoren brauchen Sicherheit. Darum ist eine Genehmigung an dieser Stelle richtig. Das sehen die Grünen anders.

Verkehr?

schlegelmilch Da würde es mit den Grünen sicher große Diskussionen um die grundsätzliche Linie geben. Andererseits gäbe es mit der SPD dafür schwierige Diskussionen um einzelne Punkte.

Was spricht für die SPD?

schlegelmilch Die Positionen der SPD sind unseren an manchen Stellen ähnlicher - siehe Kaufland. Auch bei Sicherheit und Ordnung gibt es Gemeinsamkeiten. Ein Bündnis hätte eine breite Mehrheit. Das ist oft von Vorteil.

Bleibt Norbert Bude Oberbürgermeister, hätte Schwarz-Grün nur eine Stimme mehr. Geht das?

Schlegelmilch Klar ist, dass mit der CDU nur ein Bündnis zu machen ist, das Stabilität auf sechs Jahre verspricht. Wir können nicht aus einer Laune heraus ein Projekt starten, nach einem Jahr konstatieren, dass es doch nicht passt und dann das nächste Projekt suchen. Der Auftrag der Wähler an uns ist ein anderer. Das Vertrauen muss so weit tragen, dass der eine Partner für den anderen mitdenkt und nicht in Wahrheit immer nur versucht, den anderen über den Tisch zu ziehen.

Können Sie vor der Stichwahl überhaupt ernstlich verhandeln?

schlegelmilch Ich treffe mich mit den handelnden Personen. Aber in die Tiefe können wir erst gehen, wenn klar ist, wer Oberbürgermeister ist. Das gilt für alle denkbarem Bündnisse.

Auch, weil halt doch nicht nur über Inhalte, sondern auch über Personen gesprochen wird.

Schlegelmilch Ja, und das ist nichts Unanständiges. Es sind drei bis vier Dezernatsstellen in diesen sechs Jahren zu besetzen und einige wichtige Amtsleiterstellen. Da entscheidet sich, wie gut die Stadt aufgestellt ist - und zum Teil muss sie besser aufgestellt sein, als sie es jetzt ist.

Würde es Sie freuen, wenn die Grünen eine Empfehlung für den CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Hans Wilhelm Reiners aussprechen?

Schlegelmilch Es freut mich, wenn viele Menschen merken, dass die Stadt einen neuen Oberbürgermeister braucht - und sie dies öffentlich sagen. Die Wähler wollen aber nicht bevormundet werden, auch nicht durch Parteien, denen sie sich nahe fühlen. Sie sind mündig genug, selbst zu wissen, in wessen Hände sie ihre Stadt legen wollen.

Wie zuversichtlich sind Sie für die Stichwahl?

schlegelmilch Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Ich wusste, dass Hans Wilhelm Reiners eine gute Chance hat. Viele hat es überrascht, dass der erste Wahlgang so eng war. Bei der Stichwahl werden viele Wähler resümieren: Wenn einer auf den ersten Schlag so viele Stimmen holt, muss er richtig gut sein. So ist es auch.

RALF JÜNGERMANN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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