Mönchengladbach Die Gefahr an der Türklingel

Mönchengladbach · Ist es ein Handwerker oder ein Betrüger, der unerwartet an der Tür klingelt? Immer wieder werden Senioren Opfer in ihren eigenen vier Wänden. Die Polizei will nun mit neuen Methoden ältere Menschen schützen.

Das Schlimmste ist das Gefühl der Hilflosigkeit. Die gebrechliche Seniorin, der die Handtasche gestohlen wurde, kann den materiellen Verlust verschmerzen. Doch der Schock, plötzlich verletzlich zu sein, der lässt sich nicht durch einen kurzen Gang zur Polizei heilen.

Denn oft nutzen Kriminelle die Unbefangenheit mancher Senioren schamlos aus. Zuerst hatte der fremde Mann im Hausflur noch so freundlich gelächelt. "Ich müsste Ihren Wasserzähler ablesen", sagte der Fremde. Auch als die ältere Hausbewohnerin ihre Tür öffnete, ahnte sie noch nicht die Gefahr. Doch als der Mann sich nach wenigen Minuten wieder aus ihrer Wohnung verabschiedete, war ihr komplettes Bargeld verschwunden.

170 Senioren wurden im vergangenen Jahr in Mönchengladbach Opfer von Betrügern. Zumindest ist das die Zahl der Fälle, die zur Anzeige kamen. Die Polizei schätzt die tatsächliche Betrüger-Rate weitaus höher ein. "Viele wollen nicht zugeben, auf Betrüger hereingefallen zu sein", sagt Franz Thiel, Seniorensicherheitsberater bei der Polizei. Zu offensichtlich ist die eigene Arglosigkeit, diesie sich vorzuwerfen haben: einen Fremden in die Wohnung gelassen zu haben, Geldscheine offen auf der Straße gezählt oder die Handtasche offen gelassen zu haben.

Broschüre in allen Apotheken

Mit einer neuen Broschüre will nun die Mönchengladbacher Polizei Senioren daran erinnern, sich vor Kriminellen besser zu schützen. Dabei wollen sich die Beamten vor allem an diejenigen Senioren wenden, die wenig soziale Kontakte haben und allein leben – denn diese machen die größte Zahl der Betrugsopfer aus.

Die Polizisten kämpfen dabei vor allem gegen einen unerwarteten Feind: das Vergessen. Alzheimer und Gedächtnisverlust sorgen bei vielen Senioren dafür, dass selbst einfache Sicherheitshinweise immer wieder neu gelernt werden müssen. "Die Tipps sind nicht neu", sagt Thiel, "aber wir müssen sie immer wieder neu erklären." Darum liegen die Broschüren nun erstmals an allen Mönchengladbacher Apotheken aus. Spezielle Faltblätter mit leicht verständlichen Tipps zum Ausschneiden sollen helfen, sich zu erinnern, wie wichtig die eigene Sicherheit ist.

Doch Panik will Thiel, der seit März ausschließlich für die Sicherheitberatung zuständig ist, bei den älteren Menschen nicht auslösen. Denn noch immer machen Überfälle auf Senioren lediglich drei bis fünf Prozent aller Strafdelikte aus. "Die Angst ist bei vielen größer als die reale Gefahr", sagt Thiel. Darum will er mit Information und Aufklärung helfen, den Leuten die Angst zu nehmen.

Für ein Problem allerdings hat auch der Seniorensicherheitsberater noch kein Mittel gefunden: die extrem niedrige Aufklärungsquote der Verbrechen. Denn um eine genaue Täterbeschreibung liefern zu können, sind viele Opfer viel zu schockiert. Und bleiben zurück mit einem Gefühl der Hilflosigkeit.

(RP)
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