Interview: Aktion Rp-Sommer Die fast vergessene Magie der Wildkräuter

Mönchengladbach · Eine Wildkräuter-Wanderung führte in Merreter jetzt durch Wald und Feld und über Stock und Stein. Zehn Gewinnerinnen der Aktion RP-Sommer erlebten einen zauberhaften Nachmittag auf den Spuren heimischer Wildkräuter.

 Unter fachkundiger Anleitung von Willi Hastenrath (li.) vom Flachshof Merreter und Ernährungswissenschaftlerin und Heilpraktikerin Claudia Heinzel (2. v.l.) verlebten die Teilnehmerinnen einen abwechslungsreichen - und leckeren - Nachmittag.

Unter fachkundiger Anleitung von Willi Hastenrath (li.) vom Flachshof Merreter und Ernährungswissenschaftlerin und Heilpraktikerin Claudia Heinzel (2. v.l.) verlebten die Teilnehmerinnen einen abwechslungsreichen - und leckeren - Nachmittag.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Gundermann, Solidago und Dost - diese Wörter klingen bestenfalls wie eine Aufzählung von Nachnamen. Doch hinter diesen geheimnisvoll klingenden Begriffen verbirgt sich eine Welt voll Magie, Aberglauben und Heilkundekunst, denn alle drei sind Wildkräuter mit Schutz- und Heilwirkung. Das jahrhundertealte Wissen um diese wundersamen Pflanzen am Wegesrand ist der heutigen Stadtbevölkerung zumeist abhandengekommen, doch Claudia Heinzel hat sich als Ernährungswissenschaftlerin und Heilpraktikerin der Heilkräuterkunde verschrieben.

Interview: Aktion Rp-Sommer: Die fast vergessene Magie der Wildkräuter
Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Heinzel leitet an diesem Nachmittag in Merreter die Tour "Wildkräuter-Magie" im Rahmen der Aktion RP-Sommer. Zünftig und zweckmäßig mit Regenjacke, Regenschirm und festem Schuhwerk ausgerüstet, sitzen zehn Gewinnerinnen in erwartungsvoller Runde im Flachshof und saugen das Wissen um die Wunderpflanzen aus der Natur auf. Nach kurzer Einführung geht es auf eine dreistündige Reise durch Feld, Wald und Wiesen. Das Besondere ist, dass die Damen auf dem Rundgang an den Kräutern nicht nur fühlen und riechen können, sondern sie auch in kulinarischer Weise schmecken dürfen.

Willi Hastenrath, Inhaber des Flachshofs, hat seine Küche mit Spezialitäten aus der Welt der Wildkräuter in den letzten Jahren ergänzt und serviert unterwegs mitten im Wald verschiedene Kostproben. Von allen Seiten tönt es: "Köstlich", "Ganz vorzüglich", "Himmlisch": ein wahres Fest für die Sinne, so dass alle den Regen vergessen.

Das ist genau nach Ursula Prüfers Geschmack. "Ich bin in Niedersachsen auf einem Bauernhof aufgewachsen und mit meinem Vater viel in der Natur spaziert. Deswegen habe ich mich schon immer für die Heilwirkung von Kräutern interessiert", erzählt die Rentnerin. Heute habe sie jedoch endlich die Zeit, die ernährungswissenschaftliche Seite der Kräuter zu entdecken. Das reize sie besonders.

Außer den lukullischen Genüssen von Gemüsekuchen mit Dost-Pesto und Crostini mit Platterbsenmus erzählt Claudia Heinzel Wissenswertes aus der Kräuterkunde. "Wir nähern uns in drei Schritten dem Unbekannten", so der Rat, denn einige Kräuter sind auch tödlich giftig. "Manche machen die Tour nur einmal", scherzt jemand aus der Runde. Die drei Schritte: anschauen, riechen, ertasten. "Mit diesen Sinneserfahrungen lässt sich die Pflanze einordnen, dann darf ich sie auch kosten", sagt Heinzel.

Die häufigste Frage lautet deshalb: "Wonach riecht, wonach schmeckt es?" Fragende Gesichter. Marianne Schroers kaut den Breitwegerich ordentlich durch. "Schmeckt nach..." - "Steinpilzen", hilft Heinzel. Es ist nicht leicht, die Geschmacksrichtungen zu identifizieren, die Nuancen sind sehr fein. Mit Breitwegerich lasse sich an Suppen ein Steinpilzaroma zaubern - ohne Steinpilze, verrät die Spezialistin kleine Küchentricks. Und dem scheinbar so lästigen Giersch im Garten könne man zu Leibe rücken, indem man ihn immer jung ernte. Mit seinem Möhrenaroma sei er vielseitig verwendbar. "Junge Triebe können auch im Herbst geerntet werden, denn für die Kräuter ist im Herbst der zweite Frühling", sagt Heinzel.

Neben den heilenden Wirkungen von Holunder, Spitzwegerich und Lindenblüten bei Erkältung gibt die Expertin an jeder "Kräuterstelle" am Wegesrand eine kleine Anekdote aus der magischen Abteilung zum Besten. Dost schütze etwa vor bösen Geistern, und "mit Beifuß wurden früher die Krankenzimmer ausgeräuchert". Flugs zückt Willi Hastenrath eine Fackel mit getrocknetem Beifuß und zündet sie an. Der leicht süßliche Geruch "tötet tatsächlich Keime, das hat moderne Forschung bestätigt", sagt die Expertin. So stecke im mittelalterlichen Aberglauben auch ein Fünkchen Wahrheit.

Die Geschichten zu Nelkenwurz, Vogelbeere, Gundermann und Co. sind endlos, niemand möchte sich trennen. Doch die köstliche Brennnesselsuppe wartet schon im Flachshof auf die geschulten Münder. Der Geschmacksbefund lautet: "Sehr, lecker, schmeckt aber nicht nach Brennnessel." Und alle lachen.

Die nächste Wildkräuterführung mit Claudia Heinzel ist am 27. September, von 11 bis 16 Uhr. Anmeldung im Flachshof, Merreter 10, unter Telefon 02161 584996.

(apo)
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