Mönchengladbach Die Bürger setzen sich durch

Mönchengladbach · Analyse: Warum "Giesenkirchen 2015" scheiterte, und was das für die Politik in der Stadt bedeutet.

 Mehr als 15.000 Unterschriften hat die Bürgerinitiative gesammelt.

Mehr als 15.000 Unterschriften hat die Bürgerinitiative gesammelt.

Foto: Detlef Ilgner

Der Sturm ist aus dem Wasserglas geschwappt. Aus der gesamtstädtisch eher unbedeutenden Frage, ob am südöstlichen Stadtrand zwei Sportplätze verlagert werden, ist ein Politikum ersten Ranges geworden — mit markanten Folgen für die Politik in der Stadt. Das ist einerseits gut und richtig, weil sich ein offenbar seit längerem angestautes Unbehagen über politische Entscheidungsstrukturen Bahn brechen konnte. Es ist andererseits schade, weil der Protest ausgerechnet eine der guten Ideen wegspült.

Wer in einer überschuldeten Kommune, die in spätestens 15 Jahre pleite sein wird, noch etwas bauen will, muss die entstehenden Ausgaben mit zusätzlichen Einnahmen finanzieren. Einen neuen Sportplatz zu bauen, indem man auf zwei alten Plätzen baut, ist genau ein solches Konstrukt. So weit, so lobenswert. Doch die CDU misstraute offenbar der Qualität der eigenen Idee. Warum sonst wurde das Projekt nicht nur den betroffenen Bürgern, sondern auch der Verwaltung, die es umsetzen sollte, erst dann vorgestellt, als die Pläne längst gezeichnet, die nötigen Vertragspartner längst zusammengebunden waren? Das säte Misstrauen, das prächtig erblühte, als kleinere und größere Ungereimtheiten auftauchten. Die CDU will auf Gedeih und Verderb und aus schnödem Eigeninteresse ein unsinniges Projekt durchsetzen — diesen Stempel ist "Giesenkirchen 2015" nie wieder los geworden.

Darum unterschrieben plötzlich auch Rheydter, Wickrather und Odenkirchener für den Erhalt eines Sportplatzes, den sie gar nicht kennen. Die gute Nachricht darin ist: Die Bürger lassen sich nicht alles gefallen, melden sich auch außerhalb der Wahlen zu Wort. Das leise Unbehagen darin ist: Nicht jede geleistete Unterschrift in der Fußgängerzone ist gleich eine fundierte politische Willensbekundung. Und bei Entscheidungen, die vernünftig sind, aber einem Teil der Gemeinschaft etwas abverlangen, darf nicht das Floriansprinzip zur Leitlinie werden. Denn sonst sind Bürgersiege Phyrrhussiege.

Doch wenn Politik und Bürger miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, wenn die Betroffenen aus eigener Erfahrung davon überzeugt sein können, dass "die da oben" auf ihrer Seite sind, wenn die Politiker lernen, dass viele oft schlauer sind als wenige — dann wird es in der Stadt schneller vorangehen. Diese Lektion zu lernen, wird Zeit brauchen. Wahrscheinlich sogar viel Zeit. Doch vielleicht wird man eines Tages im Rückblick das Scheitern von "Giesenkirchen 2015" als Ausgangspunkt einer überfälligen Entwicklung bewerten.

(RP)
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