Mönchengladbach Die bewegte Historie des Karstadt-Baus

Mönchengladbach · Der Komplex ist ein starkes Stück Stadtgeschichte: Sein Bau verlief parallel zum Zusammenschluss von Gladbach und Rheydt. Wenn der Konzern das Warenhaus am Rheydter Marktplatz zum 30. Juni 2016 aufgibt, wird es 40 Jahre alt sein.

Mönchengladbach: Die bewegte Historie des Karstadt-Baus
Foto: Hans-Peter Reichartz

1971/2 waren große Jahre für den Rheydter Einzelhandel. Zunächst wurde das Fußgängerzentrum der Hauptstraße fertiggestellt, im Mai 1972 tat C&A den Spatenstich für seinen Neubau an der Dahlener Straße. Und dazwischen, Mitte Februar 1972, machte die Stadt Rheydt die Verträge mit Karstadt über ein neues Warenhaus fix. Sechs Jahre lang hatte man da bereits gebaggert, um die Essener Aktiengesellschaft zu dem Projekt zu bewegen.

Sechs Jahre ist im Jahre 2015 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Karstadt Warenhaus AG her. Die Kette, die sich seit etlichen Jahren auf Schlingerkurs befindet und seitdem von Investor zu Investor gereicht wird, gab gestern bekannt, ihre Rheydter Filiale zum 30. Juni 2016 aufzugeben. 40. Geburtstag wird der Gebäudekomplex in just jenem Jahr feiern - am 9. September 1976 war er, nach 20 Monaten Bauzeit, eröffnet worden. 40 Millionen Mark kostete der Bau des siebengeschossigen Kombinationsprojekts, das Karstadt zusammen mit der Stadt Mönchengladbach nach Plänen des Düsseldorfer Architektenbüros Rhode, Kellermann, Wawrowsky baute. Es war damals der Inbegriff "moderner Warenhauskonzeption", wie es Karstadt nannte, und sollte Kunden selbst aus den Niederlanden anziehen. Es zählte für den Konzern seinerzeit laut eigener Auskunft zu den "Warenhäusern der gehobenen Mittelklasse mit Niveauanspruch".

 Dieses Foto von 1976 zeigt den fertigen Bau.

Dieses Foto von 1976 zeigt den fertigen Bau.

Foto: Archiv Pfarrer Nöller

Die Rohbauarbeiten begannen am 2. Januar 1975 - einen Tag nach der offiziellen Eingemeindung Rheydts nach Mönchengladbach. Insofern ist der Komplex auch ein bedeutsames Stück der gemeinsamen Stadtgeschichte. "Das gemeinsame Projekt von Stadt und Karstadt AG wächst mit der neuen Stadt Mönchengladbach heran", sagte der damalige Oberbürgermeister Theodor Bolzenius denn auch beim Richtfest am 12. Dezember 1975. Hunderte Schaulustige hatten sich damals eingefunden, die Blasmusik der Stadt Mönchengladbach spielte.

Ärger gab es zeitweise über einen Baubetreuungsauftrag für den städtischen Teil am Kombinationsbauwerk an das Münchener Büro Herding über eine Million Mark. Und: Kritiker des Bauprojekts fürchteten einen "ruinösen Wettbewerb" zuungunsten des übrigen Rheydter Einzelhandels. Das Minto lässt, 40 Jahre später, grüßen.

 oben: Helmut Rhode (li.) vom Düsseldorfer Architektenbüro Rhode, Kellermann, Wawrowsky und Stadtbaurat Heinz Schuster von der Stadtverwaltung präsentierten im Januar 1975 ein Modell des neuen Gemeinschaftsbaus Karstadt/Stadtverwaltung.

oben: Helmut Rhode (li.) vom Düsseldorfer Architektenbüro Rhode, Kellermann, Wawrowsky und Stadtbaurat Heinz Schuster von der Stadtverwaltung präsentierten im Januar 1975 ein Modell des neuen Gemeinschaftsbaus Karstadt/Stadtverwaltung.

Foto: Archiv Pfarrer Nöller

630 Mitarbeiter traten schließlich im September 1976 ihren Dienst an - heute sind es nur noch knapp 100. 100 000 verschiedene Artikel bot das Warenhaus auf 10 450 Quadratmetern Verkaufsfläche seinerzeit an. Ein Restaurant-Café mit 250 Plätzen, eine 900 Quadratmeter große Lebensmittelabteilung, ein Reisebüro, ein Stereo-Studio, ein Party-Service und ein Schnellrestaurant im Tiefgeschoss gehörten außerdem zur Ausstattung. Ende des Jahres 1967 zogen in die beiden oberen Etagen des Komplexes technische Abteilungen der Stadtverwaltung ein - durch zwei Brücken mit dem benachbarten Rathaus verbunden.

In den ersten vier Monaten erwirtschaftete das Haus einen Umsatz von 30 Millionen Mark, im ersten vollen Geschäftsjahr, 1977, 58 Millionen. Das Gros der Kunden kam damals aus Rheydt und Erkelenz-Heinsberg, gefolgt von Alt-Gladbach und Viersen. 1982 wurde das Warenhaus für drei Millionen Mark erstmals umgebaut. Im Juli 1983 deponierte und zündete ein Unbekannter mitten im Warenhaus einen Brandsatz - mittags, während der Verkaufszeit. Der Täter hatte einen Fünf-Liter-Benzinkanister in der Schublade eines Schranks versteckt und in Brand gesetzt.

Mönchengladbach: Die bewegte Historie des Karstadt-Baus
Foto: NN

Schon 1985 war die Mitarbeiterzahl auf rund 400 gesunken. "Rheydt droht Vorstadt von Mönchengladbach zu werden", unkte der damals scheidende Geschäftsführer Günther Kirsch. Verkaufsfläche und Angebot wurden jedoch lange sukzessive ausgebaut, immer wieder gab es Um- und Ausbauten - 1997/98 etwa "vom Waren- zum Kundenhaus". Und immer wieder wurde auch groß gefeiert: 1981 der 100. Karstadt-Geburtstag, 1986 zehn Jahre Rheydter Filiale, 1996 mit einem holländischen Dorf 20 Jahre. Der 40. Geburtstag des Rheydter Hauses 2016 dürfte hingegen kaum ein Feiertag werden.

(RP)
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