Mönchengladbach Der Wald ist chronisch krank

Mönchengladbach · Nur ein Drittel aller Bäume in Mönchengladbachs Wäldern sind kerngesund. Schadstoffe sind schuld, dass der Rest des Forstes kränkelt oder siecht. Der Dreck stammt aus Industrie und Autos – und ist zum Teil mehr als 100 Jahre alt.

 Steckte in diesem Baum etwa Tommy Lee?

Steckte in diesem Baum etwa Tommy Lee?

Foto: AFP, AFP

Nur ein Drittel aller Bäume in Mönchengladbachs Wäldern sind kerngesund. Schadstoffe sind schuld, dass der Rest des Forstes kränkelt oder siecht. Der Dreck stammt aus Industrie und Autos — und ist zum Teil mehr als 100 Jahre alt.

Wenn Michael Wießner auf Visite durch den Mönchengladbacher Wald geht, trifft der Förster viele Patienten. Gesund — will heißen: frei von Schäden durch Schadstoffe, Schädlinge oder klimabedingten Stress — sind nur etwa ein Drittel aller Bäume in den Wäldern der Vitusstadt. Etwa vierzig Prozent kränkeln, gut ein Viertel dagegen ist so stark geschädigt, dass selbst dem Laien beim Spaziergang durch den Forst auffallen kann: Der Wald leidet.

Im Großen und Ganzen entspricht der Befund nach Ansicht von Wießner zwar dem Landestrend, den der Landesbetrieb Wald und Holz alljährlich anhand von 500 landesweit erhobenen Stichproben für NRW ermittelt. Allerdings meint der Mann vom Regionalforstamt Niederrhein über sein Mönchengladbacher Revier: "Der erfahrene Beobachter hat den Eindruck, dass die Zahlen hier insgesamt etwas günstiger abschneidet."

Viel Wasser, keine Prallhänge

Als Gründe für das womöglich leicht überdurchschnittliche Befinden des Mönchengladbacher kommen nach Ansicht Wießners in Betracht: Die Waldgebiete in der Bungt, der Donk und bei Wickrath sind gut mit Wasser versorgt und offenbar profitiert der Mönchengladbacher Forst auch von seiner Flachland-Stellung. Im Gegensatz etwa zum bergigen Sauerland, sprießt im platten Mönchengladbach der Wald nicht auf "Prallhängen", denen die erhöhte Lage eine größere Menge Dreck aus anbrandenden Winden beschert.

Dennoch: Ein Patient ist der Mönchengladbacher Wald schon lange. Ein Drittel gesund, zwei Drittel leicht angeschlagen bis schwer geschädigt — diese Diagnose gilt seit zehn Jahren. Was über die Jahre mal wechselt sind die Symptome und die Betroffenen. Für diese Schwankungen können beispielsweise Trockenperioden sorgen oder auch Jahre mit explosionsartiger Vermehrung von Insekten, die den Bäumen schaden: Borkenkäfer, Eichenprozessionsspinner oder Rüsselspringer.

Im vorigen Jahr haben in Mönchengladbach beispielsweise die Buchenbestände stark gelitten, 2008 haben sie sich jedoch wieder erholt. Derzeit sind 25 Prozent der Buchen stark geschädigt. Schlechter als voriges Jahr steht die Eiche da: etwa die Hälfte der Bäume gehört in die Kategorie "deutliche Schäden".

Ein plötzlicher Wandel zu deutlich besseren Zahlen ist kaum zu erwarten. Denn der Wald krankt heute an Schadstoffen, die in mehr als 100 Jahren Industriegeschichte in die Luft geblasen und vom Boden aufgenommen wurden. Das blieb so lange unbemerkt, bis es dem übersäuerten Erdreich zuviel wurde. Der Boden ist übersättigt, er kann die Schadstoffe nicht mehr binden, so Wießner, und so werden seit vielen Jahren schon Schadstoffe ausgewaschen und über das Wurzelwerk vom Baum aufgesogen.

Es gibt nur eines: Kalk

Gegenmittel haben Wießner und seine Kollegen nur eins: Kalk. Wird der im Wald verstreut, senkt das den Säuregehalt (ph-Wert) im Boden. Nur ein zwei Punkte weniger auf der ph-Skala können schon dafür sorgen, dass der Boden die Schadstoffe wieder besser bindet. Vernichten kann der Kalk den Dreck aber nicht.

(RP)
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