Mönchengladbach Der Seepeschnäuz bleibt immer jung

Mönchengladbach · Peter Ullrich ist der älteste aktive Mönchengladbacher Karnevalist. Jetzt erlebt er seine 75. Session seit 1936. Auch mit fast 94 Jahren sprudeln aus ihm noch immer Ideen. Und er hat einen großen Wunsch für den Veilchendienstagszug 2011.

Auf den ersten Blick passt er nicht in die heutige Zeit. Zumal, wenn er daher stolziert in seinem braun-grauen Biedermeieranzug mit Zylinder und dem großen Oberlippenbart, der seit einem guten halben Jahrhundert sein Markenzeichen ist. Und dem er den Namen verdankt, unter dem er nicht nur im Mönchengladbacher Karneval bekannt ist wie ein bunter Hund: "Der Seepeschnäuz". Doch unter der altmodischen Fassade steckt ein Mensch, der auch mit nun fast 94 Jahren auf der Höhe der Zeit ist. "Für mich ist er kein alter Mann. Denn seine Ideen haben ihn jung gehalten", sagt Bernd Gothe, der Vorsitzende des Mönchengladbacher Karnevalsverbandes MKV. Peter Ullrichs Ideen sorgen bis heute dafür, dass das närrische Brauchtum in der Stadt einen Stellenwert hat, der ganz weit über jeckes Treiben hinaus geht.

Der erste Teil seines Spitznamens (der zweite erklärt sich nicht nur für Kenner des Gladbacher Platts wohl von selbst) deutet auf Peter Ullrichs Beruf. Er eröffnete nach der Rückkehr aus Krieg an der Waldhausenerstraße 1948 ein Geschäft, das später zum Alten Markt umzog: "Seifen-Ullrich". Und das, dem Wandel der Zeit angepasst, heute seine Tochter Helga (übrigens neben ihrem Mann Peter Prinzessin 1995) an der Friedrich-Straße betreibt: Kosmetik und Mode. So offensiv und gewinnend, wie Seepeschnäuz auf seine Kunden zuging, so überzeugte er auch die Menschen für den Karneval.

Der gebürtige Düsseldorfer, der 1927 als Elfjähriger mit seinen Eltern in die Gladbacher Altstadt umzog, 1936 seine erste Karnevalssitzung in der neuen Heimatstadt mit machte und nun als Geschäftsmann Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Geschäftsleute Waldhausenerstraße war, hatte 1954 eine Idee, die sofort zum Renner wurde: Er gründete mit Gleichgesinnten die "Karnevalsgesellschaft zur Pflege des Brauchtums Altweiberkarneval e. V." Das Ziel: "Nach 1945 wurden der Karneval und das Maskentreiben immer mehr von den öffentlichen Straßen und Plätzen in die Lokale verlegt und verlor so manches von ihrer Volkstümlichkeit. Wir wollten es auf die Straße zurückholen", sagt Ullrich. Was mit durchschlagendem Erfolg gelang: Beim Debüt 1955 kamen 11 000 Menschen (in Worten: elftausend) zur "Möhnen"-Sitzung auf einer Tribüne am Grünewald. Beginn einer Tradition, die erste Jahrzehnte später an Bedeutung verloren hat.

Der größte "Kötter" der Stadt

Den Möhnen und Hausfrauen blieb Peter Ullrich treu, auch als allseits beliebter Sitzungspräsident. Dekoriert mit einer kaum nachzuhaltenden Zahl Orden und hoher Auszeichnungen nicht nur des hiesigen Brauchtums, bis hin zum Bundesverdienstkreuz. Der Gedanke, diese glitzernden Ehrenzeichen (und längst nicht nur seine eigenen) der Öffentlichkeit zu präsentieren, führte zu einer Idee, die "für die ganze Stadt zu einer wichtigen Einrichtung" (MKV-Präsident Bernd Gothe) wurde: 1974 war Peter Ullrich Mitbegründer des Alten Zeughauses an der Weiherstraße, das 1992 ausgebaut und zum Karnevalsmuseum wurde. "In diesem Verein lebt Seepeschnäuz heute noch manchen deutlich Jüngeren Einsatzfreude und Ideenreichtum vor", sagt Gothe.

Und sei es, immer wieder Gelder für den Verein aufzutreiben. "Ich bin der größte Kötter der Stadt", sagt Peter Ullrich mit großem Stolz auf seine Fähigkeit, um Geld zu bitten ohne als Bettler zu wirken. Und setzt blitzschnell dahinter: "140541 – unser Konto bei der Stadtsparkasse." Nur für sich selbst, da ist er etwas zurückhaltender. Einen Sponsor für die Erfüllung seines größten Wunschs (nach dem, dass der Veilchendienstagszug erhalten bleibe) hat er bisher noch nicht gesucht: "Ich möchte zum Ende meiner 75. Session in dieser Stadt am 8. März 2011 im Zug mitfahren – in einer goldenen Kutsche. Und mit einem Kapitänsanzug, wie ich ihn 1936 bei meiner ersten Sitzung in Mönchengladbach getragen habe." Die Idee zu diesem Kostüm lieferte der Schlager der damaligen Session: "Heidewitzka, Herr Kapitän." Das beschreibt auch ein wenig Peter Ullrich, den immer jungen Seepeschnäuz.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort