Serie: Was macht eigentlich Der Mann im Hintergrund der Macht

Mönchengladbach · 35 Jahre Kommunalpolitik, meist im Zentrum der Entscheidungen: Reiner Brandts hat aber weniger im Blickpunkt stehen wollen, sondern mehr im Hintergrund gearbeitet. Ein bisschen tut er dies auch heute, drei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat, immer noch.

Das ist Reiner Brandts
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Das ist Reiner Brandts

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Wasserträger, das klingt ein wenig abwertend. Doch wie wichtig so ein Mann sein kann, das kennen weit über den Stadtteil Eicken hinaus spätestens seit Günter Netzer und Herbert Wimmers Zeiten nicht nur Borussia-Fans. Reiner Brandts, der selbstständige Unternehmer und ehrenamtliche Politiker, hat dann auch überhaupt kein Problem damit, sich selbst als "Alfred Bohnens Wasserträger" zu bezeichnen. Oder auch als "Alfred Bohnens ergebener Begleiter". "Mein Freund und Mentor": So nennt er ihn.

Alfred Bohnen: Das war der Ratsherr aus Eicken, der ein Vierteljahrhundert, vom Zusammenschluss von Gladbach, Rheydt und Wickrath 1974/75 bis 1998, als Fraktionsvorsitzender der CDU die Kommunalpolitik in dieser Stadt maßgeblich geprägt hat. Zu einer Zeit, in der seine CDU (fast) alleine regiert hat. Sein Spannmann, oder eben Wasserträger, ebenfalls ein Eickener, war Reiner Brandts.

"Strippenzieher" nennen ihn manche. Strippenzieher? Da runzelt der 73-jährige Ex-Ratsherr dann doch zunächst ein wenig die Stirn. Um dann zu sagen: "Ist da denn was Negatives dran?" Und liefert seine kurze Definition des Strippenziehens: "Recherchieren, abwägen, Leute zusammenbringen, andere überzeugen und Mehrheiten schaffen. Und sich Vertrauen bei den Verhandlungspartnern durch Verlässlichkeit erarbeiten."

Reiner Brandts hat dies mehr als 35 Jahre gemacht. Letztlich so erfolgreich, dass er auf die Frage, ob er zufrieden mit dem ist, was er in vier Jahrzehnten politischer Arbeit erreicht hat, antwortet: "Sehr zufrieden. Ich durfte mitgestalten, etwas bewegen für die Menschen. Das hat zwar sehr viel persönlichen Einsatz erfordert, wenig Zeit fürs Privatleben gelassen. Aber es hat sich gelohnt. Und meine Frau hat dies immer mitgetragen, macht es bis heute, indem sie in unserer Firma mitarbeitet. Wir sind ein Team."

Als Teamplayer hat er sich auch in der Politik gesehen. Was nicht immer im Einklang schien mit dem dritten Mann im gesamtstädtischen Entscheidungszirkel aus Eicken: Rolf Besten, der Alfred Bohnen als Fraktionsvorsitzender folgte. "Rolf Besten ist mehr Einzelkämpfer, ich bin Teamspieler. Doch unter dem Strich haben wir alle drei gut zusammengearbeitet." Sagt Reiner Brandts.

Vielleicht ist sein Engagement nicht bei allen ganz richtig rübergekommen. "Pöstchensammler" wurde er schon mal genannt. Klar: Die Liste seiner Ämter ist ellenlang (siehe Kasten "Persönlich"). Industrie- und Handelskammer, Einzelhandelsverband, die CDU-Kreispartei, all die Ausschüsse im Stadtrat und auch die bei der Bezirksregierung, der Aufsichtsrats-Chefsessel beim damaligen Energieversorger NVV, Aufsichtsrat des Flughafens, Verwaltungsrat der Stadtsparkasse, oder nicht zuletzt der Braunkohleausschuss: "Ich habe mich nicht nach den Posten gedrängt, die sind mir alle zugetragen worden", sagt Brandts. "Ich war aber auch in vielen Sachen drin. Denn gut informiert und vernetzt zu sein, das ist die Basis für erfolgreiche Arbeit."

Sein Schwerpunkt im Stadtrat war das Thema Bau und Planung. Alfred Bohnen kümmerte sich um die Finanzen, Reiner Brandts um die politische Realisierung. Die Sanierung Eickens, der Bau des Museums Abteiberg, der Ausbau der Ost-West-Straße (heute Steinmetzstraße), das neue Vitusbad für das abgebrannte Zentralbad: Das waren die größten Projekte neben all den anderen auch in Rheydt und Wickrath, die Reiner Brandts als Obmann im Bau- und Planungsausschuss begleitet hat.

Als Aufsichtsrats-Vorsitzender des hiesigen Energie- und Verkehrsbetriebes hat er die Weichen in die Zukunft mitgestellt. Zunächst beim Zusammenschluss der damaligen Stadtwerke Mönchengladbach mit den Niederrheinischen Licht- und Kraftwerken (NLK) Rheydt und der RV-Stromversorgung (RWE) zur Niederrheinische Versorgung und Verkehr AG Mönchengladbach (NVV). 2005 übernahm die NVV den 49-Prozent-Anteil von RWE Umwelt an Viersens Niederrheinwerken und schnappte ihn der ebenfalls interessierten Stadt Krefeld weg. "Auch dabei gab es eine erfolgreiche Teamarbeit mit NVV-Chef Friedhelm Kirchhartz und Vorstandsmitglied Dr. Rainer Hellekes, denen ich helfen durfte", sagt Reiner Brandts.

Aber es ist da auch ein riesiges Projekt, das, ebenfalls durch sein Engagement, verhindert wurde: die Ausdehnung des Braunkohletagebaus bis auf Mönchengladbacher Stadtgebiet. "Wir haben im Braunkohleausschuss am Ende Wanlo gerettet", sagt Reiner Brandts. "In der Zweiten Leitentscheidung ist die ursprünglich geplante Grenze des Abbaugebiets Frimmersdorf West um fast sieben Kilometer nach Süden verlegt worden. Wanlo war gerettet." Jahrelanger Kampf hatte sich ausgezahlt.

Nicht ganz so erfolgreich war Brandts? Einsatz im Aufsichtsrat für den Ausbau des Mönchengladbacher Flughafens. Doch als gescheitert sieht der ihn nicht an: "Mönchengladbach ist zu klein, um sich einen großen Airport zu leisten. Ferienflieger wird es hier nicht geben. Aber eines Tages, wenn Düsseldorf völlig voll ist, wird es seinen Geschäftsreiseverkehr hierhin schicken. Es gibt eine Zukunft."

Einmal allerdings hat alle Hintergrundarbeit, alles Strippenziehen, Reiner Brandts nicht geholfen: bei seinem Kampf gegen die Schließung der Viersener Straße für den Verkehr nach dem Bau des großen Handels- und Dienstleistungszentrums an der Hindenburgstraße. "Mfi ist für unsere Stadt eine tolle Sache. Aber die Schießung der Durchfahrt über die Hindenburgstraße ist ein großer Fehler", meint Brandts: "Man sollte eine Fahrspur in jeder Richtung erhalten. Das wäre auch jetzt noch möglich."

Mitentscheiden kann Brandts da nicht mehr, auch wenn der alte Strippenzieher immer noch seine Drähte hat. Doch Ende 2009 sind die CDU-Delegierten auf dem Kreisparteitag nicht den Abstimmungsergebnissen der vorherigen Gremien gefolgt, haben den alten Fahrensmann aus Eicken nicht für die Kommunalwahl 2010 aufgestellt. "Ich hätte gerne noch zwei, drei Jahre weitergemacht, um dann einem Jüngeren Platz zu machen", sagt der heute 73-Jährige. "Ich war immer unabhängig, wirtschaftlich und politisch, musste nie wiedergewählt werden. Aber wenn man 35 Jahre nur Erfolge gehabt hat, dann kommt irgendwann auch mal eine Niederlage. Denn ich habe im Lauf der Zeit manchem vor den Kopf stoßen müssen. Doch ich bin keinem böse."

Und ganz weg vom Fenster ist Brandts ja nicht. Er ist noch sachkundiger Bürger im Regionalrat des Düsseldorfer Regierungspräsidiums, ist weiter Aufsichtsrats-Vorsitzender der "West"-Verkehrsbetriebe des Kreises Heinsberg und im Aufsichtsrat des Flughafens MG.

"Es ist faszinierend, wenn man noch eine Chance hat mitzugestalten. Und es gibt auch heute immer wieder neue Herausforderungen", gesteht er. "Ich rede den Leuten nicht rein, aber es gibt genügend Felder, die brach liegen." Da meint Brandts etwa die "Außenpolitik" der Stadt. "Wir müssen mehr regionale Politik machen. Statt uns an Düsseldorf zu orientieren, sollten wir uns mehr um die direkten Nachbarn kümmern: Viersen, Willich, Kempen, Heinsberg und auch die Städte hinter der niederländischen Grenze. Mönchengladbach muss sich stärker als Oberzentrum zwischen Rhein und Maas, zwischen Aachen, Eindhoven, Krefeld und Düsseldorf positionieren."

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