Gastbeitrag Der Gladbacher Bahnhof im Wandel der Zeit

Mönchengladbach · Im November 1908 wurde er eröffnet und erhielt 1927 den Status eines Hauptbahnhofs. Den Glanz alter Tage hat er längst verloren.

 Eine Ansicht des Gladbacher Bahnhofs und des Vorplatzes um das Jahr 1910. Ganz modern waren die elektrischen Glühlampen an hohen Masten mit Jugendstil-Gitterauslegern. Hauptbahnhof wurde er erst 1927.

Eine Ansicht des Gladbacher Bahnhofs und des Vorplatzes um das Jahr 1910. Ganz modern waren die elektrischen Glühlampen an hohen Masten mit Jugendstil-Gitterauslegern. Hauptbahnhof wurde er erst 1927.

Foto: Archiv Peter Hoeveler

Der Hauptbahnhof Mönchengladbach steht in der Kritik. Ein paar Bilder aus seiner Glanzzeit und von dem, was davon blieb, sind möglicherweise ganz hilfreich. Ein erster Blick auf den Schlussstein im Fenster des Hauptgiebels zeigt einen die Weltkugel tragenden Atlas. Erst 110 Jahre nachdem der Steinmetz den Klöpfel nach dem letzten Hieb zur Seite legte und sein Werk betrachtete, kann man sagen: Er hat ihn bereits von der Last in die Knie gezwungen mit qualvoll verzerrten Zügen passend für das Jahr 2018 dargestellt. Wer weiß, vor wem er mehr Angst hat, den Planern, den Baggern oder den Benutzern seines Hauses.

Die Bürger waren bei der Eröffnung des Bahnhofs mit zunächst vier Bahnsteighallen im November 1908 stolz auf dieses beeindruckende Bauwerk. Von 1880 bis 1896 war die Einwohnerzahl durch die rasch fortschreitende Mechanisierung der Textilindustrie von 35.000 auf über 50.000 gestiegen. Der damit wachsende Verkehr wurde durch die zahlreichen beschrankten Bahnübergänge empfindlich gestört. Als Lösung bot sich nur die Höherlegung der gesamten Gleisanlagen an. Seit 1900 waren diese Arbeiten zwischen Rheydt und M.Gladbach nur schleppend vorangekommen. Einerseits aus Kostengründen, die Stadt musste die Riesensumme von 750.000 Mark aufbringen, andererseits wegen des teils schwierigen Grunderwerbs. Wegen der umfangreichen Gleisanlagen musste der bestehende Bahnhof weichen und ein Neubau mit im Endzustand fünf Bahnsteighallen errichtet werden. Mit Verbindungen nach Venlo über Viersen und Kaldenkirchen, Krefeld, Düsseldorf über Neuss und über Rheydt nach Köln, Aachen und Dahlheim gehörte er zu den wichtigsten Abzweigstationen Deutschlands. Gestaltung und Ausstattung entsprachen dem Zeitgeschmack. Den Vorplatz gliederte eine großzügige Gartenanlage. Gegenüber des neuen Bahnhofs öffneten entlang der Crefelder Straße in bester Lage viele Geschäfte.

 Den Vorplatz des Bahnhofs gliederte eine großzügige Gartenanlage. So erhielten Reisende beim Verlassen des Bahnhofs ein freundliches Bild der Stadt.

Den Vorplatz des Bahnhofs gliederte eine großzügige Gartenanlage. So erhielten Reisende beim Verlassen des Bahnhofs ein freundliches Bild der Stadt.

Foto: Peter Hoeveler

Eine Ansichtskarte vom Verlag B. Kühlen zeigt den Bahnhof im Zustand von 1910. Auffällig neben dem die Normaluhr schützenden Preußenadler über dem Eingangsbereich, der Giebel mit dem großen Fenster des Wartesaals und einem über dem Schlussstein befindlichen Relief eines wachsenden Baumes unter Girlanden. Alle Fenster waren mit filigranen, teils geschwungenen Rahmen verglast, im Hauptgiebel farbig. Ferner fallen drei Reliefs am zentralen Gebäudeteil auf, die bis heute erhalten sind. Themen sind Wissenschaft, Gerechtigkeit und Gewerbefleiß. Erst 1927, also zur Reichsbahnzeit, wurde er offiziell Hauptbahnhof, was er gefühlt für die Gladbacher schon immer war. Immerhin gab es ja auch noch die Bahnhöfe in Rheydt, Geneicken, Mülfort und Neuwerk. Zu dieser Zeit gingen jährlich über eine Million Fahrkarten über die Schalter und über 200 Züge, davon 20 Schnellzüge, durchquerten täglich die fünf Hallen des Bahnhofs.

 Im Zweiten Weltkrieg wurde der Hauptbahnhof schwer beschädigt. Er galt als einer wichtigsten Knotenpunkte des Bahnverkehrs im Rheinland.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Hauptbahnhof schwer beschädigt. Er galt als einer wichtigsten Knotenpunkte des Bahnverkehrs im Rheinland.

Foto: Peter Hoeveler

Ein Bild von 1945 zeigt die Zerstörungen der Bombardements ab 1943. Eine Karte von 1958 zeigt, was nach gewaltigen Anstrengungen innerhalb weniger Jahre wiederhergestellt war. Dies wurde aber 1960 schon nicht mehr wertgeschätzt und was nach Entfeinerung der gesamten Front übrig blieb, zeigt eine Karte aus den frühen 60ern. Im Inneren des Bahnhofs von heute ist wenig aus den Ursprungsjahren erhalten geblieben. Fahrkartenschalter, Gepäck- und Expressgutannahme, verschiedene Wartesäle, die Stände der Fahrkartenknipser, die man ohne Besitz einer Bahnsteigkarte für zehn Pfennig nicht passieren durfte, haben keine Spuren hinterlassen. Der über hundert Meter lange Bahnsteigtunnel zwischen Vorplatz und Platz der Republik ist für jeden frei passierbar. Über dem Gewölbe und an den Ecken der Bahnsteigtreppen haben sich noch einige Ziersteine erhalten. Eine moderne Beschallungsanlage sagt an, was kommt und geht oder allzu oft was gar nicht geht.

 1960 hatte sich der Platz vor den Hauptbahnhof schon deutlich verändert. Zu erkennen ist die Fußgängerunterführung zum Busbahnhof.

1960 hatte sich der Platz vor den Hauptbahnhof schon deutlich verändert. Zu erkennen ist die Fußgängerunterführung zum Busbahnhof.

Foto: Peter Hoeveler
 Der Schlussstein über dem Fenster der Eingangshalle zeigt einen Atlas.

Der Schlussstein über dem Fenster der Eingangshalle zeigt einen Atlas.

Foto: Peter Hoeveler
 Nach dem Abriss eines Friseursalons wurde 2016 ein alter Brunnen sichtbar.

Nach dem Abriss eines Friseursalons wurde 2016 ein alter Brunnen sichtbar.

Foto: Peter Hoeveler

Keine Ahnung wie viele Menschen noch im Mönchengladbacher Hauptbahnhof arbeiten, vor 35 Jahren waren es noch 20, im Betriebswerk an der Kranzstraße ein paar Dutzend. Dort war auch ein Hilfszug stationiert, der bei einer Weichenstörung schnell vor Ort war, sie innerhalb von Stunden reparierte und mit einer Dampflok oder später einer Diesellok fahrdrahtunabhängig mobil war. Nach dem Krieg war die Bundesbahn der größte Arbeitgeber Deutschlands und Verkehrsträger Nummer eins. Nachdem Bahn und Stadt sich einig geworden sind, den Bahnhof von Grund auf zu sanieren, ist ja ein Ende aller Missstände absehbar. Wenn dann noch Nutzer und Besucher diesen wichtigen Ort behandeln, als sei er das eigene Wohnzimmer, gäbe es nichts mehr zu meckern.

(RP)
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