Mönchengladbach Der Fingerakrobat

Mönchengladbach · Was für die einen die Modelleisenbahn ist für Martin Beckmann das Fingerboard. Mit dem zehn Zentimeter großen Mini-Skateboard führt er seine Drehungen und Salti aus – am liebsten an Kunstwerken und Skulpturen.

Windberg Martin Beckmann ist ein Kunstliebhaber. Doch das bloße Betrachten der Werke reicht ihm nicht. Er muss Skulpturen erfühlen und betasten. Da er im Museum damit ein Problem hätte, ist er am liebsten draußen unterwegs. "Das ist die beste Skulptur, die wir in Gladbach zu bieten haben", erklärt Martin Beckmann und lässt seine Finger über die Betonfläche der Skulptur vor der Post an der Lürriper Straße gleiten. Zumindest aus der Sicht eines Fingerboarders. Martin Beckmann betrachtet Skulpturen nach anderen Kriterien. Wie ist die Rundung? Wie der Belag beschaffen?

In der Szene kennt man ihn

Noch ein letztes Mal fährt er mit der Hand über die Fläche, ein zufriedenes Nicken und schon holt er sein Miniatur-Skateboard aus der Hosentasche und lässt es mit den Fingern über die Fläche rollen, lässt das Board in der Luft drehen, schweben, macht eine 180 Grad Drehung mit der Hand und landet schließlich wieder auf den Rollen des kleinen Boards. Der Fingerakrobat hat die Tricks alle drauf: Kick-Flip, Backside-Flip und Grit. Alles wie bei den richtigen Skateboardern auch – nur eben in klein. Und statt mit den Füßen eben mit den Fingern.

Beim letzten Kick-Flip seiner Kür geht ein älterer Herr an dem Fingerboarder kopfschüttelnd vorbei und bemerkt: "Was für ein Quatsch!" Die Reaktion ist Martin Beckmann gewöhnt. "Verstehe ich ja auch irgendwie. Für viele sieht es aus wie ein Spielzeug", erklärt der 27-Jährige die Lifestyle-Sportart und ergänzt: "Aber sobald man damit springen kann und Tricks macht, macht das Spaß und der Ehrgeiz ist geweckt." Das zehn Zentimeter große "Spielzeug" kostet 130 Euro und besteht aus Holz, Miniatur-Kugellager und hochwertigen Rollen. Doch Martin Beckmann hat Sponsoren – in der Szene ist er nämlich bekannt. Auf der Unterseite des Boards sind Fotos von ihm und seinen Skater-Freunden abgedruckt – ein Fingerboard, das in Serienproduktion gegangen ist. Kein Wunder, dass auf Wettbewerben Kinder Autogramme von ihm haben möchten. Zuletzt belegte er bei einem Fingerboard-Wettbewerb in Brüggen den zweiten Platz. Bei Welt- und Europameisterschaften landete er ebenfalls schon auf vorderen Plätzen. Sein Youtube-Channel hat 17 000 Abonnenten – Fingerboard-Freunde hat Martin Beckmann also inzwischen auf der ganzen Welt.

Rund 20 Mal nimmt er das Mini-Skateboard tagtäglich in die Hand und probiert neue Tricks aus. "Das mache ich so nebenbei während ich am Computer sitze", erklärt der Webdesigner, der sich auch in seiner Windberger Wohnung eine Skulptur aufgebaut hat – einen Miniatur-Skatepark, der etwas an eine Modelleisenbahn-Landschaft erinnert – nur eben mit Rampen, Geländern und Quarterpipes. Doch ein richtiges Skateboard findet man in seiner Wohnung lediglich als Deko-Artikel auf der Fensterbank. "Skateboard fahren hat mir noch nie so richtig Spaß gemacht", so Martin Beckmann. Stattdessen fährt er BMX-Rad – auch in Skateparks mit Rampen, Pipes und Geländern.

Den Fingerboardern geht es darum, Fotos und Videos mit ihren Kunststücken an ungewöhnlichen Orten zu machen und diese dann online zu stellen. "Man sucht etwas, was nicht dafür gemacht ist – wie zum Beispiel eine Kunstskulptur. Es macht mehr Spaß und ist anspruchsvoller zu fahren", so der Mönchengladbacher, der die Skulptur an der Lürriper Straße als Halfpipe zweckentfremdet hat und ergänzt: "Man will immer einen besonderen Ort haben." Daher darf neben dem Fingerboard im Gepäck auch nie die Kamera fehlen.

(RP)
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