Mönchengladbach Der Erste Weltkrieg in Gladbach, Rheydt und Wickrath als Buch

Mönchengladbach · Sechs Autoren beschreiben, wie der Erste Weltkrieg den Alltag der Menschen bestimmte.

 In Rheydt, in der Nähe der Marienkirche, stand das Bismarck-Denkmal als sogenanntes Kriegswahrzeichen. Gegen Geld konnte jeder einen Nagel in die Figur treiben. Die Figur wurde am 1. April 1916 enthüllt und stand später im Rathaus Rheydt. Seit Juni 2008 ist sie im Museum Schloss Rheydt.

In Rheydt, in der Nähe der Marienkirche, stand das Bismarck-Denkmal als sogenanntes Kriegswahrzeichen. Gegen Geld konnte jeder einen Nagel in die Figur treiben. Die Figur wurde am 1. April 1916 enthüllt und stand später im Rathaus Rheydt. Seit Juni 2008 ist sie im Museum Schloss Rheydt.

Foto: Stadtarchiv

Es ist eine aus heutiger Sicht beklemmende Szene: Der Mobilisierungsbefehl traf am 1. August 1914 gegen 18.30 Uhr in Rheydt ein. Das war ein Samstag, auf dem Marktplatz hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Oberbürgermeister Paul Lehwald schritt ans Rathausfenster, rief "Mobil!", schwenkte dreimal mit der Hand - die Menge rief jedes Mal: "Hurra!" Man sang "Deutschland, Deutschland über alles", die Reichskriegsflagge wurde gehisst, die Kirchenglocken begannen zu läuten. So stand es in der Rheydter Zeitung am 2. August 1914. Und jetzt in einem neuen Buch, das die Geschichtswerkstatt herausgegeben hat und zu dem sechs Autoren lesenswerte Beiträge beigesteuert haben.

Es sollten mehr sein - etwa zu Kunst und Kultur in den Jahren zwischen 1914 und 1918 in Gladbach, Rheydt und Wickrath, zu Invaliden und Kriegshinterbliebenen, zur lokalen Rüstungsindustrie. "Aber für diese Themenfelder haben wir keine Autoren gefunden", sagt Hans Schürings, der gemeinsam mit Karl Boland das mehr als 250-seitige Buch herausgegeben hat. Zu diesen Schwächen steht der Geschichtskreis, weil er gar nicht den Anspruch erhebt, alle Facetten berücksichtigen zu wollen. "Der Geschichtskreis ist aus einem Freundeskreis in den 1980er Jahren entstanden, hat sich viele Jahre mit der lokalen Geschichte befasst und mehrere Beiträge veröffentlicht. Den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren haben wir zum Anlass genommen, uns ganz speziell mit der lokalen Situation vor der Haustür zu beschäftigen. Und das alles ohne Heimattümelei", sagt Boland.

 Große Begeisterung herrschte auf dem Marktplatz in Rheydt bei der Bekanntgabe der Mobilmachung im August 1914.

Große Begeisterung herrschte auf dem Marktplatz in Rheydt bei der Bekanntgabe der Mobilmachung im August 1914.

Foto: Stadtarchiv

Dass der Geschichtskreis mit seiner Linie richtig liegt und den Anspruch erheben kann, die lokalen Geschichtsbezüge gut herauszuarbeiten, das betont Stadtarchivleiter Dr. Christian Wolfsberger. "Es ist ein besonderer Blickwinkel auf die Geschichte im Allgemeinen und hier auf den Ersten Weltkrieg im Besonderen. Die Beiträge schließen Lücken in der bisherigen lokalen Geschichtsschreibung. Ich kann die Autoren nur ermutigen, ihre Arbeit fortzusetzen", sagt der Historiker.

Das Buch enthält auch Beiträge, die in gekürzter und veränderter Fassung in der Rheinischen Post erschienen sind. Zum Beispiel der von Angela Rietdorf, Mitarbeiterin der RP-Lokalredaktion Mönchengladbach, die sich mit der Versorgungslage in Gladbach und Rheydt während des Ersten Weltkriegs beschäftigt und in ihrem Beitrag "Suppenküche und Löwenzahnwurzeln" unter anderem ein Kriegskochbuch aus dem Jahr 1915 ausgewertet hat.

 In der Rheydter Hauptkirche stellten gestern (v.l.) Karl Boland, Martina Wasserloos-Strunk und Hans Schürings das Buch "Der Erste Weltkrieg und Mönchengladbach" vor. Das Foto entstand vor der Orgel.

In der Rheydter Hauptkirche stellten gestern (v.l.) Karl Boland, Martina Wasserloos-Strunk und Hans Schürings das Buch "Der Erste Weltkrieg und Mönchengladbach" vor. Das Foto entstand vor der Orgel.

Foto: Ilgner

Sehr interessant ist das Kapitel von Martina Wasserloos-Strunk, die sich mit den Predigten der protestantischen Pfarrer in Rheydt beschäftigt hat. Ausführlich geht sie auf Pfarrer Albert Becker ein, der - ohne eigene Kriegserfahrung - von der Kanzel in drastischen Bildern das Szenario präsentiert. "Stramm nationalprotestantisch formuliert er den Kriegseintritt Deutschlands als Akt der Notwehr gegen die,serbische Soldateska', der im Grunde genommen nichts weniger ist, als das konsequente Gottesgericht, dessen Werkzeug das deutsche Volk sei", zitiert sie Wilhelm Pressel (Die Kriegspredigt 1914-1918).

Der Erste Weltkrieg und Mönchengladbach, Kriegserfahrung und Alltagsbewältigung, 19,95 Euro; im Buchhandel; Auflage: 600.

(RP)
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