Mönchengladbach Der Bootsbauer von Rheydt

Mönchengladbach · Mitten in der Stadt hat sich der Mönchengladbacher Marcel Flaam mit seiner Firma niedergelassen. Dort werden Boote repariert und umgebaut. Begonnen hatte sein Vater Klaus Flaam 1971 - mit Schlauchbooten.

 Marcel Flaam repariert und restauriert Motorboote mitten in Rheydt.

Marcel Flaam repariert und restauriert Motorboote mitten in Rheydt.

Foto: Detlef Ilgner

Uschi wartet neben Florian. Draußen. Uschi ist ein wenig untersetzt. Sie wartet auf ihre Schönheits-OP. Vielleicht. Sie ist jedenfalls fünf Meter lang und ein Motorboot. Es steht auf dem Hof von Marcel Flaam. Uschi ist eines von rund 28 Booten, die zum Überwintern nach Rheydt gebracht wurden. Oder zur Wartung oder Reparatur.

Die Einfahrt zu Flaam's Sea Service liegt eher versteckt und ist nicht allzu groß. Das ist nicht optimal, wenn große Boote angeliefert werden, meint Marcel Flaam. Die können nämlich schon mal 13 Meter und mehr lang sein. Und schwer. Der studierte Logistiker erinnert sich: "Vor Jahren kam eine Predator 75 zu uns. 75 Fuß lang, etwa 23 Meter." Zwei Autokrane waren nötig, um die Jacht zwischen den Häusern auf das Firmengelände zu bugsieren.

In der großen Halle geht es zu wie auf einer Werft. Boote sind aufgebockt, in einem Regal an der Stirnwand stapeln sich alte Bootsmotoren als Ersatzteillager, in einer Kunststoffkiste wartet eine Schiffsschraube auf bessere Zeiten, Kabel, Lampen, jede Menge Werkzeug. Das Tor ist offen. Es ist kalt. An einigen Booten wird gearbeitet. Ein Bootsrumpf ist abgeschliffen, an einem Boot steht eine eigens gebaute Treppe, um auf und in ihm arbeiten zu können. Neben dem Rumpf stecken Holztüren in einem Bottich, ein Ruder ist ausgebaut.

Marcel Flaam erklärt: "Ein Holzboot von 1963. Königsadler. Wir haben es entkernt. Es bekommt unter anderem neue Fenster, einen neuen Dachaufbau, ein neues Paneel für die Instrumente, neue Motoren, ein Bug- und Heckstrahlruder, eine neue Elektrik." Im Mai werden dann rund 900 Arbeitsstunden angefallen sein. Und die Rechnung wird sechsstellig ausfallen. Die Arbeiten an der Holzkonstruktion übernimmt Peter Buschmann. Der Möbelrestaurator hat seinen Betrieb praktischerweise nebenan.

Nichts kommt bei den Flaams von der Stange. Das geht im Bootsbau gar nicht. Immer geht es um individuelle Lösungen für individuelle Probleme. Selbst die eingesetzten Maschinen sind Marke Eigenbau, so Marcel Flaam: "Wir haben einen Gabelstapler aus Nordschweden, mit dem Baumstämme transportiert werden, so umgebaut, dass wir mit ihm Boote mit einem Gewicht von 32 Tonnen bewegen können." Und ein VW-Polo-Motor wurde hergenommen, um einen Hubwagen zu konstruieren, für das Verschieben der Boote auf dem Hof.

Der zweifache Familienvater hat schon als Kind im Betrieb gespielt und zum Schrecken seiner Mutter alles Mögliche auseinandergenommen, um es wieder zusammenzubauen. Dieses Tüfteln brauche es in seinem Beruf. Das gelte auch für die Mitarbeiter: "Sie können sich hier nach Herzenslust austoben." Zehn seien sie, inklusive Sekretärin. Sie würden gerne mehr einstellen, aber es gebe keine geeigneten Bewerber: "Wir würden seit einem Jahr zum Beispiel liebend gerne Landmaschinenbauer einstellen. Denn die reparieren noch." Derzeit macht ein junger Mann aus Somalia ein Praktikum. Vermittelt über das Jugendförderwerk: "Er macht sich prima. Und wir hoffen, dass er bei uns die Ausbildung machen möchte."

1971 hat Vater Klaus Flaam im Düsseldorfer Hafen mit der Reparatur der Volvo-Motoren von Schlauchbooten begonnen. Später kam der Transport von Schiffen hinzu. Meist kommen die Boote aus den USA und werden in den Seehäfen abgeholt und dann zu den Händlern gebracht. Nicht selten geht die Fahrt nach Spanien und Kroatien. Für einen Kunden im ukrainischen Odessa hat er für eine 34 Meter lange Luxusjacht zwei 34-Liter-Motoren geliefert. Stückpreis sechsstellig. Die Geschäftsbeziehung habe sich über Jahre entwickelt: "Angefangen hat es mit sechs Kilo Spachtel." Marcel Flaam muss bei dem Gedanken schmunzeln.

Die Branche sei schon verrückt, erzählt der 38-Jährige. Einer ihrer Fahrer habe einmal ein Boot nach Kroatien gebracht. Der Kunde habe dem Fahrer die noch zu begleichende Restsumme von 50.000 Mark bar in die Hand gedrückt. Nach einem gemeinsamen Abendessen habe der Kunde dann unter einem Vorwand in einem Waldstück gehalten und den Fahrer der Firma Flaam mit einer Armbrust angeschossen. Der Mann habe sich dann mit knapper Not retten können.

Da das Geschäft mit den Booten und den Bootsmotoren saisonal ist, haben sich die Flaams auch auf den Vertrieb von Industriemotoren spezialisiert. So haben sie jüngst für den Kaufhof Volvo-Motoren als Notstromaggregate in Worms, Düren und Aachen eingebaut. Und sie arbeiten mit der englischen Eisenbahn zusammen: "Sie bekommen von uns überholte Volvo Power Packs für die Triebwagen." Nicht weit vom Prüfstand für diese Power Packs steht ganz hinten in der Halle abgedeckt ein schnittiges Motorboot: "Es ist das erste Boot von Michael Schumacher." Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

(akue)
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