Bernd Gothe "Den VDZ möchte ich weiter organisieren"

Mönchengladbach · Mönchengladbachs oberster Karnevalist feiert Freitag närrischen Geburtstag, blickt auf ein sich veränderndes Rheydt und sucht eine Wagenbauhalle.

 Bernd Gothe im Büro in der Edelstahlfirma, die er mit seiner Tochter führt. An der Wand ein Foto seines Vaters Heinz, auf dem Schreibtisch das Tour-Logo und ein Modell des Mercedes 170 A Cabrio, das Original steht in der Garage.

Bernd Gothe im Büro in der Edelstahlfirma, die er mit seiner Tochter führt. An der Wand ein Foto seines Vaters Heinz, auf dem Schreibtisch das Tour-Logo und ein Modell des Mercedes 170 A Cabrio, das Original steht in der Garage.

Foto: Ilgner

Herr Gothe, wir gratulieren noch nicht. Aber am Freitag werden Sie sieben mal elf Jahre alt. Hätten Sie in jungen Jahren gedacht, dass jecke Zahlen mal so eine Bedeutung für Sie haben werden?

Bernd Gothe In jungen Jahren vielleicht nicht. Aber ich war 44 Jahre, als ich Prinz wurde und 46 Jahre, als ich gefragt wurde, ob ich den MKV-Vorsitz übernehmen will - also auch in einem jecken Alter.

Damals war der MKV - milde ausgedrückt - in einem desolaten Zustand... Womit haben Sie das Steuer herumgerissen?

Gothe Ich habe einige Bedingungen gestellt, bevor ich mich bereiterklärt habe. Dazu gehörte, dass die Gladbacher mich, den Rheydter, auch wählen und unterstützen. Außerdem wollte ich den Vorstand komplett selbst aufstellen. Ich brauchte Handlungsfreiheit. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich in solchen Zusammenhängen nichts von Demokratie halte. Manchmal muss einfach jemand die Entscheidungen treffen. Das alles zusammen hat funktioniert.

Es gab auch finanzielle Schwierigkeiten.

Gothe Ja, als ich den Vorsitz übernahm, hatten wir ein Minus von 25.000 D-Mark auf dem Konto. Damit konnte ich eigentlich nicht neu anfangen. Ich habe mit der Stadtsparkasse gesprochen, sie haben ein Jahr lang beobachtet, wie sich alles entwickelte und dann glücklicherweise die Schulden erlassen.

Wie hat sich der Karneval seitdem gewandelt?

Gothe Es gab damals weniger Veranstaltungen. Wir haben inzwischen den Weg nach draußen gesucht. Es gibt Kooperationen mit Düsseldorf und Neuss, die sehr gut funktionieren, Wir haben Multiplikatoren eingebunden, der OB spielt dabei eine wichtige Rolle. Wir haben Tribünen gebaut, auf dem Marktplatz ein Zelt aufgestellt. Es hat sich viel getan. Allerdings wird es auch schwieriger, weil der Karneval im Wettbewerb mit so vielen anderen Veranstaltungen steht. Es gibt heute ein sehr breites Angebot. Man muss aufpassen, dass Angebote von außen wie das Wiesnfest nicht die Gladbacher Veranstaltungen schädigen.

Mit "Frei Schnüss" gibt es eine neue Karnevalsgruppe. Wünschen Sie sich mehr Eigengewächse auf den Gladbacher Bühnen?

Gothe Ich bin für jede Aktivität, die aus eigenen Kräften gestemmt wird und wünsche mir schon lange mehr eigene Programme aus den Gesellschaften. Um den Karneval langfristig zu erhalten, muss er sich wandeln und anpassen. Den Sitzungskarneval wird es auf Dauer so nicht mehr geben. Stattdessen will das Publikum mehr Musik.

Wie wichtig ist es, dass sich der Karneval immer wieder neu aufstellt?

Gothe Es ist wie beim Fußball. Jedes Jahr beginnt die Session und man braucht neue Ideen. Ich verhandle beispielsweise jetzt mit dem Werbezug der Tour de France. Den würde ich gern beim Karneval in Gladbach sehen. Natürlich brauchen wir auch immer wieder Sponsoren, die bereit sind, den Karneval finanziell zu unterstützen. Der Veilchendienstagszug allein kostet 400.000 Euro, das Geld müssen wir erst mal aufbringen. Und wir müssen immer das Beste aus dem machen, was wir haben.

Wir fragen nicht, wie lange Sie noch als MKV-Boss weitermachen. Darauf gibt's ohnehin keine wahre Antwort.

Gothe Das können Sie ruhig fragen. Ich höre definitiv auf und habe auch schon einen Nachfolger gefunden. Aber ich werde nicht sagen, wer das ist, bevor ich nicht den Vorstand und alle Betroffenen informiert habe. Und ich werde dem Vorstand anbieten, weiter den Veilchendienstagszug zu organisieren. Zusammen mit der Truppe, die sich bisher darum gekümmert hat. Da ist Kontinuität wichtig, denn schließlich geht es auch ums Geld.

Wie haben Sie eigentlich das Geldeintreiben gelernt? Sie sind ja sehr erfolgreich, wenn es darum geht, Sponsoren zu finden.

Gothe Das konnte ich schon, bevor ich mit dem Karneval angefangen habe. Ich bin ja schon mehr als 50 Jahre Vorsitzender des RSV-Hockey und Tennis gewesen. Auch für den RSV-Fußball war ich schon zuständig. Da habe ich viel gelernt, zum Beispiel aufs Wetter zu achten, wenn man Geld braucht. Wir hatten einen sehr guten Sponsor, der Stoffe für Schirme hergestellt hat. Für Regenschirme. Bei schönem Wetter war er nicht geneigt, die Brieftasche zu zücken. Aber ich bin stolz darauf, dass wir nie von der Stadt finanzielle Unterstützung verlangt haben. Das hat immer ohne städtische Hilfe geklappt.

Die Wagenbauer müssen aus ihrer bisherigen Halle raus? Gibt es schon eine Lösung?

Gothe Es ist meine wichtigste Aufgabe, mich jetzt darum zu kümmern. Wir sind da auf einem guten Weg. Mir wird signalisiert, dass das Problem zu lösen ist.

Ihre zweite ehrenamtliche Leidenschaft ist, für die Rechte von Rheydt zu kämpfen. Hadern Sie noch mit der Eingemeindung?

Gothe Für einen Ur-Rheydter war es 1975 schon schwer, aber letztendlich waren wir beim Zusammenschluss gut vertreten, und langfristig ist das Zusammengehen positiv zu sehen. Wir sind schließlich eine Großstadt.

Wie sieht es mit dem Kennzeichen RY aus? Sind Sie für einen weiteren Vorstoß?

Gothe Ich bin nicht dafür, die Zeit zurückzudrehen. Mein Auto hat immer das Kennzeichen MG-RY 500. Da ist das Rheydter Kennzeichen ja präsent.

Sind Sie gebürtiger Rheydter?

Gothe Da rühren Sie an einen wunden Punkt. Ich bin in Mönchengladbach geboren. Meine Mutter war eine wunderbare Frau, aber das habe ich ihr zum Vorwurf gemacht. (lacht)

Soziale Stadt, Anti-Leerstandsaktionen, zentrale Verwaltung - manche Gladbacher finden, dass zu viel für Rheydt getan wird. Nachvollziehbar?

Gothe Das Minto war und ist gut für Mönchengladbach, aber es hat natürlich Auswirkungen auf Rheydt. Wir schaffen es hier leider nicht mehr, Menschen aus dem Umland anzuziehen. Wir sind nur noch Einkaufsstadt für Menschen, die hier leben. Aber auf dem Marktplatz haben wir viel geschafft. Und wir haben auch den besten Wochenmarkt in der Stadt. Die in Gladbach geplante Markthalle könnte sich hier allerdings auch negativ auswirken. Insgesamt gesehen hat sich das Leben in Rheydt geändert: Es gab früher viele Kneipen, in denen man sich traf. Der gesellschaftliche Zusammenhalt war größer.

Manche bezeichnen Sie als den heimlichen Bürgermeister von Rheydt. Denken Sie über eine Politik-Karriere nach?

Gothe Nein, nicht mehr. Ich war vor vielen Jahren zweiter Vorsitzender der FDP in Rheydt. Ich wäre gern in der FDP geblieben, aber sie bewegte sich damals nach links. Ich bin liberal-konservativ und habe dann meine politische Heimat bei der CDU gefunden. Aber ich habe weiter Kontakte zur FDP und war jetzt bei Christian Lindner zum Essen eingeladen. Ich sage nicht, was ich wähle, aber Lindner würde mir schon gefallen.

Jeder kennt Sie aus dem Karneval. Besonders erfolgreich sind Sie aber als Unternehmer, Sie führen mit Ihrer Tochter eine große Edelstahlfirma.

Gothe Ja, mein Großvater hat die Firma 1920 gegründet. Ich habe nach dem Studium der Verfahrenstechnik hier angefangen und leite das Unternehmen jetzt seit 50 Jahren. Wir haben zwei Bereiche: die Rohrfertigung und den Apparate- und Rohrleitungsbau. Wir produzieren viel für Offshore-Anlagen, haben jetzt eine Anfrage für die Fertigung von Edelstahlbehältern für den Rückbau von Atomkraftwerken und fertigen Rohre für Entschwefelungsanlagen.

Was für ein Chef sind Sie?

Gothe Mein Sternzeichen ist Jungfrau, Ordnung und Sauberkeit sind mir auf den Leib geschrieben. Ich hinterlasse immer einen völlig leeren, aufgeräumten Schreibtisch. Außerdem bin ich ein Freund des Gedruckten. Ich will immer alles ausgedruckt vor mir liegen haben. Und von meinen Mitarbeitern verlange ich ähnliches.

Wie sehen Sie den Wirtschaftsstandort Mönchengladbach?

Gothe Mönchengladbach ist heute breiter aufgestellt als in den Jahren, in denen die Stadt führend in der Textilindustrie war. Das ist gut. Es fehlt allerdings ein gesunder produzierender Mittelstand, der Arbeitsplätze schafft. Es gibt keine zehn produzierenden Betriebe unserer Größe (100 bis 200 Mitarbeiter) in Mönchengladbach.

Was müsste die Stadt noch tun?

Gothe Die Ansiedlung von Großunternehmen führt nicht immer dazu, dass tatsächlich Steuern in die Stadtkasse fließen. Aber trotzdem machen Ulrich Schückhaus und die WFMG einen tollen Job. Allerdings wäre es manchmal besser, ein Projekt nach dem anderen abzuarbeiten statt fünf bis zehn Projekte gleichzeitig durchziehen zu wollen. Wir brauchen auch mehr Gewerbefläche, und ich halte den Gewerbesteuerhebesatz für zu hoch. Er müsste gesenkt werden.

Wer Geburtstag hat, darf sich etwas wünschen. Was wünschen Sie sich von Mönchengladbach?

Gothe 2020 wird die Firma Heinz Gothe 100 Jahre. Ich wünsche mir, dass die Firma bis dahin erfolgreich arbeitet. Heute wünsche ich mir zwei Dinge - dass mein Nachfolger beim MKV genauso akzeptiert wird wie ich. Und die Wagenbauhalle und der VDZ liegen mir am Herzen. Hier sichere Perspektiven zu haben, wäre ein großes Geschenk. Außerdem lag mir Hockey immer sehr am Herzen und ich hoffe, dass es in Rheydt wieder nur einen Hockey- / Tennisverein gibt.

DENISA RICHTERS UND ANGELA RIETDORF FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(dr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort