Mönchengladbach Das war die GroKo der 1990er Jahre

Mönchengladbach · Nach einer Sitzung der Odenkirchener Bezirksvertretung waren sich Oberstadtdirektor Helmut Freuen und der SPD-Fraktionschef Hermann Jansen einig: Die Stadt braucht eine Große Koalition. Sie war von 1989 bis 1994 erfolgreich.

Blick zurück: Gladbachs GroKo der 90er Jahre
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Die CDU hatte keine Lust mehr: Sie wollte sich Ende der 1980er Jahre aus dem Würgegriff der FDP befreien. Und bei der SPD wuchs die Lust an der Macht: Sie wollte sich im Rat nicht mehr mit der Rolle des wenig beachteten Partners zufriedengeben. Die Ergebnisse der Kommunalwahl 1989 waren aufschlussreich: Die CDU, bei früheren Kommunalwahlen zeitweise über 50 Prozent, rutschte auf 42,6 Prozent herunter. SPD: 36,5 %; Grüne: 8 %; FDP: 7,1 %.

Es reichte noch nicht für Rot-Grün - doch diese Option wurde mittelfristig wahrscheinlicher. Und CDU und FDP hatten sich längst zerstritten, vor allem über die Frage, ob die Sparkasse am Theater neu gebaut werden sollte. Der damalige Oberstadtdirektor Helmut Freuen und der frühere SPD-Landtagsabgeordnete Hermann Jansen haben 2008 in einem RP-Interview erzählt, wie sie nach einer Sitzung der Bezirksvertretung Odenkirchen den Weg in die Große Koalition gewiesen haben. "So kann es im Interesse der Stadt nicht weiter gehen", sagte damals Freuen zu Jansen. Und dieser signalisierte: "Die SPD ist bereit, Verantwortung zu übernehmen."

Es waren keine zwei Partner, die sich freudetrunken in die Arme fielen. Die CDU wusste, dass sie Macht verlieren würde und ihre damals oft als Politik nach Gutsherrenart beschriebene Grundhaltung aufgeben musste. Und die SPD, die schon damals ihre Hochburg in Rheydt hatte, wusste nicht so recht, wie sie mit dem langjährigen politischen Gegner umgehen sollte, wie sie vor allem ihren Anhängern glaubhaft machen konnte, dass eine Große Koalition für die Stadt segensreich werden kann. Wobei es Koalitionen auf kommunaler Ebene gar nicht gibt, sondern nur Kooperationen.

Die beiden Fraktionschef Alfred Bohnen (CDU) und Hermann Jansen (SPD), beide pragmatische Politiker ohne ideologische Scheuklappen, leiteten den Annäherungsprozess ein und vollendeten ihn. "Das waren zwei Männer, die Vereinbarungen einhielten", sagt Erich Oberem, der in dieser Zeit Dezernent bei der Stadt war. Mit dabei war damals auch der seinerzeit mächtige Rheydt-Mitte-Bezirksvorsteher und SPD-Fraktionsgeschäftsführer Winfried Eßer, der wie Bohnen aus Eicken stammte und wie dieser ein großer Strippenzieher war. Es hieß zwar immer, Eßer und Bohnen hätten ihre gemeinsame Ministranten-Freundschaft reaktiviert - was aber einer der üblichen politischen Legenden war. Eßer, wegen seiner häufigen Gefühlsausbrüche als Kugelblitz bezeichneter Sozialdemokrat, verkrachte sich später mit der SPD, gründete dann mit vier Genossen die Unabhängigen Sozialen Demokraten (USD) und setzte als USD die Zusammenarbeit mit der CDU über 1994 hinaus bis 1998 fort.

Die SPD rang der CDU 1989 zwei Dezernentenstellen ab: Lothar Witek sollte Feuerwehr-, Ferdi Hoeren Schuldezernent werden. Daraus wurde zwar nichts, doch Hermann Jansen holte 1990 Wolfgang Rombey als Dezernent nach Gladbach. "Es wurde viel umgesetzt", erinnert sich dieser. Mit dem damaligen Manager von Borussia, Rolf Rüssmann, entwickelte Rombey zunächst ein Entwicklungsmodell für den Bökelberg, dann brachten CDU und SPD den Nordpark gemeinsam auf den Weg. Die Gesamtschulen in Hardt und Mülfort wurden gegründet, beide bekamen Neubauten. Das Gladbacher Theater wurde geschlossen, die Spielstätte nach Rheydt verlagert. Die freie Kunstszene erhielt mit dem Projekt c/o Mönchengladbach neuen Schwung, mit der Skulpturenmeile wurde begonnen.

Die Haushaltslage war zwar kritisch, es waren aber plötzlich mehr Handlungsspielräume da. Und es gab feste Investitionskonzepte für die Krankenhäuser. Ganz wichtig: Um die geplante Müllverbrennungsanlage in Wanlo zu verhindern, griffen CDU und SPD die Idee des für Abfall und Umwelt zuständigen Dezernenten, Erich Oberem, auf und brachten die Müllverträge auf den Weg. "Die Stadt war wie heute im Aufbruch", erinnert sich der SPD-Ratsherr Ulli Elsen.

1994 gab es in der SPD Richtungskämpfe - Parteichef war der heutige Landtagsabgeordnete Hans-Willi Körfges. Es kam zum Zerwürfnis, zur Neuausrichtung und zum Ende der ersten GroKo - doch das ist eine neue Geschichte.

(RP)
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