Mönchengladbach Das wandernde Loch

Mönchengladbach · Den Braunkohle-Tagebau in Garzweiler haben am Dienstag 20 RP-Leser besichtigt. 40 Millionen Tonnen Kohle werden dort jedes Jahr von riesigen Baggern gefördert. Im Kraftwerk in Niederaußem sahen sie die Anlagen zur Stromgewinnung. Doch es gab auch kritische Fragen zum Kohleabbau.

"Diese Grube wandert durch die Landschaft", sagt Daniel Sutter von RWE Power und deutet über das weitläufige Gebiet des Tagebaus Garzweiler. Über sechs Absätze, Sohlen genannt, zieht sich die Abfahrt in das riesige Loch. 200 Meter ist es hier tief, auf jeder Sohle gräbt sich ein Schaufelradbagger durch das Erdreich. "Das ist ja riesig", entfährt es Franz Fegers, der gemeinsam mit 19 weiteren RP-Lesern gestern im Rahmen der Aktion "Gladbach mal anders" durch den Tagebau und das Kohlekraftwerk in Niederaußem geführt wurde.

Wie riesige Zähne

Als die Gruppe aus dem geländegängigen Bus steigt, gräbt sich direkt vor den Lesern ein Bagger durch einen schwarzen Kohleberg. Erstaunlich leise greifen die 18 Schaufeln des Förderrades nacheinander wie riesige Zähne in den Boden und kippen die Kohle auf ein Förderband. Einzelne schwarze Krümel rieseln auf die Schutzhelme der staunenden Besucher herab. Insgesamt sind sechs dieser monströsen Maschinen in Garzweiler rund um die Uhr im Einsatz.

240 Meter lang, fast 100 Meter hoch und 13 500 Tonnen schwer ist dieses rund 140 Millionen Euro teure Exemplar. Einige von ihnen fördern die Braunkohle, andere erweitern die Grube. Doch das abgetragene Erdreich ohne Kohleanteil wird über lange Bandanlagen auf die andere Seite der Grube transportiert. Dort schütten Absetzer, ähnlich riesige Maschinen, den Boden wieder auf, damit er dort als Landwirtschaftsfläche rekultiviert werden kann. Und so bewegt sich der gesamte Tagebau langsam immer weiter in Richtung Westen.

"Schätzungsweise sind unsere Bagger im Jahr 2017 an der Autobahn 61 angelangt", prognostiziert Sutter. Das klar begrenzte Gebiet, Garzweiler II, bietet aber noch Raum für eine Kohleförderung bis ins Jahr 2045. Weitere 13 Ortschaften mit insgesamt rund 7 500 Einwohnern und auch die Autobahn müssen bis dahin weichen. "Rechnet sich der Aufwand denn für RWE?", fragt Hermann Ochel skeptisch. Der 68-Jährige hatte bei einer Fahrradtour durch das Revier einen Mann getroffen, der sein Heim mit der Flinte bis zum Schluss verteidigen wollte.

"Umsiedlungen sind ein kritisches Thema. Wir entschädigen alle Betroffenen, so dass möglichst niemandem ein finanzieller Nachteil entsteht. Auch errichten wir Kapellen an den Stellen der ehemaligen Orte", entgegnet Sutter. Durch die vergleichsweise geringen Förderkosten von Braunkohle ist die Stromgewinnung mit dem fossilen Brennstoff für das Unternehmen weiterhin rentabel. Elf Milliarden Euro Jahresumsatz erwirtschaftete RWE zuletzt.

Dampfwolken über Niederaußem

Nach einem ausgiebigen Mittagessen im Schloss Pfaffendorf stand ein Besuch des Braunkohlekraftwerkes Niederaußem auf dem Programm. Dampfwolken quillen dort aus den Kühltürmen und umhüllen die riesigen Hallen der Anlage hinter dem kleinen Ort. Durch moderne Techniken zur Steigerung der Effizienz ist es das modernste Kohlekraftwerk der Welt. Hier wird die Kohle in einem 160 Meter hohen Kessel verbrannt, um Dampf in Wasserleitungen zu erzeugen und so mehrere Turbinen anzutreiben, die schließlich 3 800 Megawatt Strom produzieren. Am Ende der spannenden Führung ist sich der elfjährige Robin sicher: "Die Bagger waren das Coolste!"

(RP)
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