Geistenbeck Das Vogtgeding — wenn das Honschaftsgericht tagt

Geistenbeck · Wenn Vogt Egon (Egon Krieger), der nahezu Gerechte von der Herrlichkeit Odenkirchen am Geistenbeck die Bühne betritt, dann haben die Bürger nichts zu lachen. Denn der Vogt ist knallhart, ein Richter, der das Volk abstraft. Das nennt man Vogtgeding, und das war jahrhundertelang quasi das Verfassungsgericht der Honschaft.

 Das Vogtgeding heute: Der Vogt, der Schöffe und der Notarius (von rechts) klagen Michael Schroeren (links) an.

Das Vogtgeding heute: Der Vogt, der Schöffe und der Notarius (von rechts) klagen Michael Schroeren (links) an.

Foto: Isabella Raupold

Vor drei Jahren führte der Bürgerverein diese Tradition wieder ein — allerdings nur mit Schauprozessen als Spaßeinlage zum Zunftbaumsetzen der St. Josef-Schützenbruderschaft. Das Motto: "Jetzt gibt's Recht!"

Ein Fass für den Richter

Egon Krieger schlüpft also in die Vogtgewänder, die aus dem Fundus des Theaters stammen, und lässt sich standesgemäß eine Tonne Bier servieren, die so prall bis zum Rand gefüllt sein muss, dass "sich eine Fliege ungebucket darauff sitzendt darauß drinken konne". Das fordert nun einmal die überlieferte Tradition. Außerdem muss ein Sessel mit Federkissen für den Vogt, der tatsächlich stets in Geistenbeck gewohnt hat, bereitstehen.

Nachdem also die Voraussetzungen für einen gerechten Prozess geschaffen sind, legt der Vogt als Vertreter des Odenkirchener Landherren los: Buschfrevel, Diebstahl oder Schlägereien wurden abgeurteilt. Heute fordert Vogt Egon eher: "Alle Weibsbilder sollen Kleider tragen, die nicht mehr als zwei Finger breit ausgeschnitten sind." Die Strafe seien 25 Stockhiebe auf den Hintern. Auch, wie groß ein Geistenbecker Fuß zu sein hätte.

Oder aber Michael Schroeren muss sich rechtfertigen dafür, dass der Mittlere Ring noch nicht ausgebaut ist. Als Burggraf von Odenkirchen saß auch Bezirksbundesmeister Horst Thoren schon auf der Anklagebank — alles nur Spaß. Und die Geistenbecker haben heute richtig Freude daran. Jedoch wird der Schauprozess nicht mehr an alter Stätte abgehalten. Dort, an der Steinfelder Straße, stand nämlich bis 1966 eine etwa 400 Jahre alte Gerichtslinde.

Nach dem Prozess fing die Sause für den Vogt aber erst an: Er trank das Fass an und bekam zwei frische, gebratene Hühnereier mit Weißbrot serviert. Den Vogtleuten wurden ein gebackenes Brot, Schinken und Bratwurst gereicht.

Die "Gerächtigkeit" hat gesiegt.

(RP)
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