Peter Achten im Interview "Das Thema Bus ist in Mönchengladbach ein Dauerbrenner"

Mönchengladbach · Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW spricht über die Bus-Regelung auf der Hindenburgstraße, die überzeugende Gladbacher Lösung bei Karstadt und die Zukunft der Innenstädte.

Peter Achten im Interview: "Das Thema Bus ist in Mönchengladbach ein Dauerbrenner"
Foto: Detlef Ilgner

Der Alleingang von SPD und CDU zur Busregelung auf der Hindenburgstraße stößt bei den Händlern auf unterschiedliche Reaktionen. Als Verband haben Sie sich kritisch dazu geäußert. Warum?

Peter Achten Das Bus-Thema ist wirklich ein Dauerbrenner. Wir sehen den Probebetrieb erstens deswegen kritisch, weil er so handstreichartig beschlossen wurde. Schließlich sitzen wir regelmäßig in Arbeitskreisen zusammen; über alle Köpfe hinweg zu entscheiden, wäre nicht nötig gewesen. Zum anderen ist die Reduzierung oder Verlagerung des Busverkehrs ja kein Selbstzweck. Als Handelsverband vermissen wir ein Konzept, was mit dem frei werdenden Raum geschehen soll. Die Straße muss dann anders bespielt, die Aufenthaltsqualität gesteigert werden. Wie das geschehen soll, darauf gibt es noch keine Antwort. Wir würden uns ein Wettbewerbsverfahren wünschen, auch unter Beteiligung der Kaufleute. In Rheydt zum Beispiel wurden die Händler vorbildlich in die Diskussion über die Neugestaltung des Marktplatzes eingebunden.

Wie ist die Stimmung unter den Händlern? Warum gibt es unterschiedliche Positionen? Das Citymanagement gibt sich neutral.

Achten Das stimmt, aber das Citymanagement hat unseren Brief dennoch mit unterschrieben. Generell ist es so, dass Bushaltestellen Frequenzbringer sind. Es profitieren die Händler in der Nähe einer Haltestelle. Wir vermissen eine Diskussion über die zukünftige Gestaltung und Nutzung der Hindenburgstraße. Was soll dort geschehen? Soll sich Außengastronomie entwickeln? Die kann häufig die hohen Mieten nicht zahlen, aber sie ist trotzdem eine Möglichkeit. Erst wenn man weiß, was man tun will, kann man die Busse reduzieren oder auch komplett verbannen. So wie es jetzt läuft, wird das Pferd von der falschen Seite her aufgezäumt.

Wie hat sich die Innenstadt nach einem Jahr Minto entwickelt?

Achten Das Minto hat durch seine Gestaltung bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Es hat eine angemessene Größe und öffnet sich durch die vielen Eingänge zur umliegenden Stadt. Es wird wirklich gut angenommen. Die Innenstadt hat in ihrer 1a-Lage die Trendwende geschafft. Auf die Zahlen bin ich gespannt, aber wir erleben eine verstärkte Wahrnehmung Gladbachs als Einkaufsstadt durch Besucher aus dem Umland. Nach Jahren des Stillstands ist das eine gute Bewegung. Die Situation in Gladbach hat sich definitiv verbessert. Für die weitere Stadtentwicklung wäre ein Projekt sinnvoll, bei dem gezielt untersucht wird, wo wir stehen und in welche Richtung es gehen soll. Das sollte ein partizipatives Projekt sein, bei dem man gemeinsam herausfindet, was verbessert werden kann. Da hilft kein Gutachter, der eine Studie macht und dann in einer Power-Point-Präsentation vorstellt.

Die Kunden kommen aus dem Umland und auch aus den Niederlanden zum Shoppen. Was kann Gladbach, was Roermond nicht kann?

Achten Bis in die 80er Jahre war Mönchengladbach Oberzentrum auch für Roermond, dann hat sich Roermond herausgemacht, wozu auch das Outlet-Center beigetragen hat. Heute schätzen die Niederländer in Deutschland den breiteren Branchenmix, die Markensituation bei Bekleidung und das günstigere Preisniveau bei Lebensmitteln und zum Teil bei Elektronik.

Das alles klingt sehr positiv. Aber speziell an der oberen Hindenburgstraße, an der Hauptstraße, auch an anderen Stellen, etwa in den Außenbezirken, wird der Leerstand immer gravierender. Was kann man tun, um diese Randbereiche zu stärken?

Achten Im Handel finden riesige Strukturveränderungen statt. Das Schreckgespenst heißt Ladensterben, aber eigentlich ist es so, dass die Läden jetzt woanders sind. Wir gehen davon aus, dass auf Dauer 25 Prozent des Umsatzes online stattfinden werden. Die Akteure sind aber oft die gleichen, die Händler entwickeln verschiedene Vertriebskanäle. Dennoch ist es so, dass nur noch die 1-a-Lagen auf Dauer funktionieren, an den Rändern bricht es weg. Das ist grausam für die Betroffenen, aber wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass der Handel überall dort bleibt, wo er noch in den 90er Jahren war. Die kritischen Standorte sind schwerlich überall zu retten. Die Zentren werden fokussierter.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Achten Es werden drei Bedarfsstufen unterschieden: kurzfristiger Bedarf, das sind in erster Linie Lebensmittel und Getränke. Mittelfristiger Bedarf umfasst so etwas wie Bekleidung und Schuhe, zum langfristigen Bedarf gehören beispielsweise Möbel. Es wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, alle Bedarfsstufen auch in den Randgebieten anzubieten. Wir brauchen eine klare Stärkung der Zentren und eine funktionierende Nahversorgung in den Ortsteilen. Das ist eine Aufgabe der Stadtentwicklung.

Wie überzeugt sind Sie von der "Gladbacher Lösung" bei Karstadt?

Achten Ich bin kein Prophet, aber ich denke, das ist der richtige Weg - und man kann der WFMG nur gratulieren. Es war wichtig, die gestalterische Hoheit über diese zentrale Immobilie zu bekommen. Für leerstehende Kaufhäuser gibt es viele Negativbeispiele, die die Entwicklungen in Mittelstädten bremsen. Das ist in Rheydt verhindert worden. Der Nutzungs-Split ist richtig und wird dem Standort guttun. Alle Warenhäuser sind im Umbruch und optimieren ihre Flächen so, wie das in Rheydt gerade geschieht.

Nach einem Vorstoß der Linken wird wieder über die Sonntagsöffnung diskutiert. Wie stehen Sie dazu?

Achten Das Wochenende ist als Einkaufszeit nach vorn gerückt. Die größten Online-Umsätze werden am Sonntagabend gemacht. Im Gegensatz zu dem, was von Gewerkschaftsseite oft behauptet wird, werden die Mitarbeiter nicht überbelastet oder gar gezwungen, sonntags zu arbeiten, sondern sie melden sich freiwillig, weil sie dann sehr gut bezahlt werden. Da erst nach 13 Uhr geöffnet wird, ist auch der Kirchgang möglich. Gesetzlich sind pro Standort vier verkaufsoffene Sonntage möglich. Das ist nun wahrlich nicht zu viel. In Mönchengladbach herrscht ein breiter Konsens, dass an vier Sonntagen pro Standort geöffnet werden kann. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht.

"MG bei Ebay" hat sich sehr gut entwickelt, jetzt gibt es sogar schon den ersten Nachahmer in Italien. Aber zusätzliche Frequenz in den Geschäften gibt es dadurch nur punktuell. Ist das Projekt trotzdem ein Erfolg?

Achten Alles, was stationären Händlern hilft, ist gut. "MG bei Ebay" hat spürbar Geld in die Kassen gespült, im Durchschnitt 90.000 Euro im Jahr. Das ist schon ein ansehnlicher Betrag. Click & Collect funktioniert auch, generiert aber nur circa fünf Prozent der Umsätze. Es gibt drei Möglichkeiten, wie ein Kunde ein Onlineangebot nutzt: Er sucht die Ware zum günstigsten Preis und bestellt sie. Oder er recherchiert online, wo es ein Produkt gibt. Die Kür schließlich besteht darin, dass auch die Lieferfähigkeit online angezeigt wird. Der Kunde weiß dann, dass das Produkt vorrätig ist und er nicht umsonst in den Laden kommt. Das wird in Mönchengladbach in hohem Maße geleistet.

Wie wichtig ist freies W-Lan in den Städten?

Achten Freies W-Lan wäre ein großer Fortschritt, damit der Kunde vor Ort recherchieren und kaufen kann. Allerdings stellt die Rechtslage in Deutschland ein großes Problem dar: die Störerhaftung, durch die der Zugang zum W-Lan sehr erschwert wird, müsste man beseitigen.

ANDREAS GRUHN, GABI PETERS, ANGELA RIETDORF UND JAN SCHNETTLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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