Mönchengladbach Das Projekt gegen Energiearmut greift

Mönchengladbach · Rund 100 Haushalte wurden im ersten Jahr des Modellprojekts "NRW bekämpft Energiearmut" von der Verbraucherzentrale beraten. Viele Stromsperren konnten auf diese Weise verhindert werden. Doch noch suchen Betroffene meist zu spät Hilfe.

 Mit diesem Logo wirbt die NEW gegen Energiearmut.

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Foto: NEW

Eine junge Frau steht kurz davor, dass ihr der Strom abgestellt wird, weil ihre Energieabrechnung plötzlich extrem hoch ist. Es stellt sich heraus: Seit sechs Monaten hing ein Apartment desselben Vermieters im Nebenhaus mit an ihrem Zähler. In einem anderen Fall bedeutet der harte Winter 2012/2013 für einen durchaus sparsamen Verbraucher mit geringem Einkommen plötzlich einen Energiekostenanstieg um 50 Prozent. In einem dritten Beispiel muss eine Schwangere, die soeben ihren Job verloren hat, eine so genannte Stromsperre befürchten, weil die Überweisung der staatlichen Leistungen und die Abbuchung der Energierechnung nicht aufeinander abgestimmt sind.

Drei ganz unterschiedliche, aber gleichermaßen aus dem Leben von Mönchengladbachern gegriffene Beispiele dafür, wie "Energiearmut" die Lebensqualität unbescholtener Bürger bedrohen kann. Denn dass der Versorger Strom oder Gas abstellt, weil der Kunde einfach keine Lust hat zu zahlen, geschieht so gut wie nie. Meistens stecken dahinter Engpässe unterschiedlichster Natur. Deswegen gibt es seit einem Jahr das Projekt "NRW bekämpft Energiearmut", wofür das Verbraucherschutzministerium insgesamt 1,5 Millionen Euro für die Laufzeit von drei Jahren zur Verfügung stellt. Mönchengladbach ist eine von acht Modellkommunen im Land, hier bündeln der Versorger NEW und die Verbraucherzentrale ihre Kräfte: Die NEW schießt 30 000 Euro per anno zu, die Verbraucherzentrale deckt den Beratungs-Part ab. "Die Zwischenbilanz nach den ersten zwölf Monaten fällt durchweg positiv aus", sagt NEW-Vorstand Frank Kindervatter. "Seit dem Beginn im Januar 2013 haben wir 103 Haushalte beraten und nachhaltig betreut", fügt Ursula Winbeck von der Verbraucherzentrale hinzu. 87 davon waren NEW-Kunden. In 40 Prozent der Fälle war eine Energiesperre bereits angedroht, wovon dann durch die Beratung 65 Prozent verhindert werden konnten. In 35 Prozent der Fälle war die Sperre bereits verhängt, wovon 54 Prozent aufgehoben wurden, sagt Winbeck.

Die Lebenssituationen der Betroffenen sind durchaus vielschichtig. 23 Prozent der beratenen Verbraucher waren berufstätig, 57 Prozent empfingen staatliche Leistungen, wie Hartz IV, aber auch Rentner und Studenten kamen. Rund die Hälfte der Betroffenen führten Singlehaushalte, 38 Prozent hatten ein oder mehrere Kinder. 16 Prozent waren alleinerziehend. Entsprechend individuell hat auch die Beratung zu sein. Zusätzlich verkompliziert wird diese Aufgabe der Verbraucherzentrale dadurch, dass die meisten Verbraucher sich zu spät melden. "73 Prozent suchten uns erst auf, als sie bereits von einer Energiesperre betroffen waren oder diese kurz bevorstand", sagt Winbeck. Je früher das Problem angegangen werde, desto besser stünden auch die Chancen, gemeinsam eine Lösung zu finden.

Rund 5500 Stromsperren gibt es jährlich im Versorgungsgebiet der NEW. Zunächst ergehe ein Hinweis, nach zwei Wochen eine erste, mit Kosten belegte Mahnung, erläutert Frank Salewski vom NEW-Kundencenter. Insgesamt habe ein betroffener Kunde sechs Wochen Zeit, um eine Sperre abzuwenden. Auch hier gilt: Wer früh kommuniziert, verbessert seine Aussichten. "Dann sind wir bereit zu Stundungen oder Ratenverträgen", sagt Ralf Poll, Geschäftsführer der NEW Niederrhein Energie und Wasser.

Die Verbraucherzentrale bietet immer dienstags von 12 bis 14 Uhr an der Bahnhofstraße 21 eine offene Sprechstunde an, donnerstags von 10 bis 12 Uhr gibt es eine Telefonsprechstunde (02166 48912). Oft sind es schon kleine Maßnahmen, die helfen: auf Stand-by-Betrieb verzichten, Haushaltsbuch führen, die Eltern von Betroffenen dazu bewegen auszuhelfen. Und wenn, wie im Beispiel von eingangs, plötzlich ein anderer mit am Zähler hängt und der Vermieter nicht einsichtig ist? "Dann haben wir immer noch die Möglichkeit, intern unseren Mietrechtsexperten einzuschalten", sagt Ursula Winbeck.

Eine gute Nachricht zum Schluss: Der laufende Winter ist wesentlich milder als der letzte. Die nächste Energie-Jahresrechnung 2015 dürfte für die meisten entsprechend weniger gravierend ausfallen.

(RP)
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