Mönchengladbach Das letzte Weihnachtsfest im Gefängnis

Mönchengladbach · Derry Hauer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Mönchengladbach eine Haftstrafe. Er muss die Feiertage ohne seine Familie verbringen. Für das Jahr 2014 hat er andere Pläne – sein Leben soll sich grundlegend ändern.

 Strahlt Zuversicht aus: Derry Hauer im Gefängnis-Kirchenraum. Im kommenden Jahr will er dort nicht mehr die Messe an Heiligabend verfolgen.

Strahlt Zuversicht aus: Derry Hauer im Gefängnis-Kirchenraum. Im kommenden Jahr will er dort nicht mehr die Messe an Heiligabend verfolgen.

Foto: Detlef Ilgner

Derry Hauer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Mönchengladbach eine Haftstrafe. Er muss die Feiertage ohne seine Familie verbringen. Für das Jahr 2014 hat er andere Pläne — sein Leben soll sich grundlegend ändern.

Den Weg in den dritten Stock kennt er nicht. Langsam trottet er der Zweigstellenleiterin hinterher. Derry Hauer hat für Kirche zwar wenig übrig, für den Glauben aber schon. "Wenn ich beten will, mach ich das in der Zelle. Gott hört dich überall", sagt er und betritt den Raum, der von einer Stahltür verschlossen ist — wie jeder andere Raum der Justizvollzugsanstalt Mönchengladbach auch. Einzig das aufgemalte Kreuz über der Tür kennzeichnet das Gotteshaus der Sträflinge.

Diesen Ort hat er bisher gemieden. Nun steht er da und kündigt an: "An Heiligabend werde ich mir hier den Gottesdienst anhören. Da freue ich mich drauf." Es soll das letzte Fest im Gefängnis für den 41Jährigen werden. Für 2014 hat Derry Hauer andere Pläne.

Im vergangenen Jahr hatte der gelernte Kfz-Mechaniker und Hausmeister noch auf die Predigt an Heiligabend verzichtet. Ein paar Tage vor Weihnachten war er verhaftet worden. "Danach hatte ich keinen Kopf dafür", erklärt er. Derry Hauer hat den Schalk im Nacken. Das merkt man direkt. Aber er ist kein gewalttätiger Mensch. Er ist auf die falsche Bahn geraten, wurde drogensüchtig, beging ein paar Einbrüche. Nun verbüßt er seine gerechte Strafe.

Kurz vor Weihnachten sei alles etwas ruhiger im Gefängnis, erklärt er lächelnd. Derry Hauer ist gut gelaunt. Gerade hatte er Besuch von seiner Mutter bekommen. Das erste Mal überhaupt, seit er einsitzt. "Sie hat Streukrebs. Der Scheiß breitet sich überall aus. Es hat mich so gefreut, sie heute endlich wiederzusehen", sagt er. Eine große Tüte mit Süßigkeiten hat sie ihm mitgebracht. Ein bisschen Nahrung für die geschundene Seele. Die soll ab dem 11. Februar wieder völlig gesunden. Dann beginnt Derry Hauer eine Therapie. Als er draußen war, hatte er sich von den Drogen losgesagt, "aber im Knast wurde ich rückfällig".

Die Anfangszeit im Gefängnis sei sehr hart gewesen, ehe er eine Bezugsperson fand, erklärt er. Just in diesem Moment kommt ein Mann zur Tür hinein. "Alles gut, Derry? Wie war der Besuch von Mama?", fragt der Mann. "Toll. Es war schön, sie wiederzusehen. Ich erzähle es dir später ausführlich", antwortet Derry Hauer, ehe der Mann wieder verschwindet. "Das war er. Das ist meine Bezugsperson, mein zweiter Vater sozusagen." Der Mann war der Sportbeamte der Justizvollzugsanstalt. Sie haben einen Draht zueinandergefunden. Ohne ihn würde der schmächtige Derry nicht überleben, sagt er. Seinen echten Vater hat Derry Hauer nie kennengelernt. Dennoch hat er eine große Familie, die von den Sinti abstammt.

"Weihnachten hat bei uns eine riesige Tradition. Wir essen immer Ente, es gibt Geschenke. Die ganze Familie ist schwer gläubig", erläutert Derry Hauer. Auch im Gefängnis heben sich die Festtage vom öden Alltag ab — vor allem die Speisekarte. Heiligabend gibt es eine Gulaschsuppe und einen extravaganten Salatteller. An den beiden Weihnachtstagen sind Hähnchen, Pute und Sauerbraten im Angebot. "Wir werden schon verwöhnt, aber es ist trotzdem nicht angenehm. Die Familie fehlt", erklärt Derry Hauer.

Viermal war er bereits verheiratet. Kinder hat er aber keine. "Die Richtige war einfach nicht dabei." Die will Derry Hauer nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Therapie finden. In Koblenz, seiner Heimat. Dorthin will er zurück, einen Job finden und eine Familie gründen.

Derry Hauer schaut sich den Kirchenraum beim Verlassen noch mal genau an. Hier wird er an Heiligabend erstmals sitzen und die Messe verfolgen. Er wird beten. Dafür, dass sein einziger Wunsch fürs neue Jahr in Erfüllung geht: "Ich will mein Leben neu ordnen und dann das Weihnachtsfest 2014 mit meiner kranken Mutter feiern — ganz gemütlich."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort