Mönchengladbach Das Leid der Heimkinder anerkennen

Mönchengladbach · Beim "Zweiten Heimfonds" können Betroffene jetzt Geld und eine Rentenersatzleistung beantragen.

 Uwe Werner, Heinrich Müsch und Hans-Jürgen Oldenburg (v.l.) sind im Vorstand des Vereins 1. Community - Ehemalige Heimkinder NRW.

Uwe Werner, Heinrich Müsch und Hans-Jürgen Oldenburg (v.l.) sind im Vorstand des Vereins 1. Community - Ehemalige Heimkinder NRW.

Foto: Raupold

Was Heimkindern zwischen 1945 und 1979 in Einrichtungen der Jugend- und Behindertenhilfe oder der Psychiatrie angetan wurde, gehört zu den dunkelsten Kapiteln der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Betroffenen leiden bis heute unter den Folgen von sexuellem Missbrauch und der sogenannten Schwarzen Pädagogik, die mit Schlägen und ständigen Demütigungen arbeitete. Auch Medikamententests wurden an Heimkindern durchgeführt, daran besteht heute kein Zweifel mehr. Um die Betroffenen heute wenigstens finanziell etwas besser zu stellen, wurden zwei Heimfonds aufgelegt.

Der erste Fonds von 2010 setzte eine Unterbringung in Einrichtungen der Jugendhilfe voraus. Der jetzige zweite Fonds stellt Mittel für diejenigen zur Verfügung, die zwischen 1945 und 1979 in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in Psychiatrien untergebracht waren. Seit dem 1. Januar 2017 können sich alle Betroffenen beim zweiten Heimfonds registrieren lassen. Dazu benötigen sie eine Heimbescheinigung und den aktuellen Rentenverlauf, wenn vorhanden. Ehemalige Heimkinder, die noch heute unter den Folgen leiden, erhalten pauschal 9000 Euro aus dem Fonds sowie eine Rentenersatzleistung von bis zu 5000 Euro, wenn sie in den Einrichtungen eigentlich versicherungspflichtig gearbeitet haben, aber keine Beiträge abgeführt wurden. Die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" rechnet mit etwa 3300 Betroffenen in Nordrhein-Westfalen. Der Mönchengladbacher Uwe Werner, Vorsitzender des Vereins 1. Community - Ehemalige Heimkinder NRW, hofft, dass möglichst alle Betroffenen vom Fonds erfahren und von den Zahlungen profitieren. "Wir helfen als Verein gern bei der Registrierung und bei der Beschaffung der notwendigen Unterlagen und Heimakten", erklärt Werner. "Das benötigte Datenmaterial sollte vorhanden sein." In Mönchengladbach waren Heimkinder in dieser Zeit in den Einrichtungen der Stiftung Hephata und im Josefshaus untergebracht. "Hephata hat schon die Kooperation zugesagt, die Zusammenarbeit ist sehr gut", lobt Werner.

Dem Verein ist es wichtig, möglichst alle Betroffenen von den Möglichkeiten in Kenntnis zu setzen. "Ich hoffe, dass auch diejenigen registriert werden, die einen gesetzlichen Betreuer haben", sagt der Vereinsvorsitzende. "Die Antragsstellung muss dann natürlich über den Betreuer laufen." Auch alle Ämter sollten über den Fonds informiert sein und nach Möglichkeit darauf hinweisen. Vielen ehemaligen Heimkindern gehe es nicht gut, sagt Werner. Sie seien arm, krank oder lebten auf der Straße. "Es wäre wichtig, dass gerade sie das Geld aus dem Fonds bekommen und auch mal etwas für sich kaufen können", sagt Werner. Etliche der Betroffenen allerdings erleben diese finanzielle Anerkennung ihres Leids gar nicht mehr. Die Fonds haben sehr lange auf sich warten lassen.

In der 1. Community haben sich 60 ehemalige Heimkinder zusammengeschlossen. Etwa 30 von ihnen haben ein Anrecht auf Zahlungen aus dem Zweiten Heimfonds. Aber es muss noch viel mehr Berechtigte geben. "Die Heime waren damals zeitweise überfüllt", weiß Uwe Werner, der sich - selbst Betroffener - seit Jahren mit der Problematik auseinandersetzt. Der Vorsitzende der Community wird nicht vom Groll getrieben. "Es ist wichtig, nach vorne zu schauen", betont er. "Aber es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit. Für das, was Heimkindern angetan wurde, muss gesellschaftlich Verantwortung übernommen werden. Sonst passiert es wieder."

Die 1. Community ist erreichbar unter Tel. 02161 5734277 oder per E-Mail an die Adresse: 1.community-mg@web.de

Informationen zu dem Fond und dazu, wie man Geld daraus beantragen kann, gibt es auch im Internet beim Landschaftsverband Rheinland.

(arie)
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