Mönchengladbach Das kleine Wirtschaftswunder

Mönchengladbach · Warum Gladbach ist, wie es ist: In einer Serie stellt die Rheinische Post Schlaglichter der Mönchengladbacher Geschichte vor, deren Spuren bis in die Gegenwart reichen. Heute: Wie Mönchengladbach und Rheydt nach dem Krieg aufräumten, zur wirtschaftlichen Blüte kamen und wie das Theater zum Zankapfel der beiden Städte wurde.

Es gibt nicht viel, das die Kommunalpolitik derzeit mehr beschäftigt, als dieses Areal in einem Wald in Rheindahlen. Wenn es denn ab 2012 leer stehen wird, das JHQ, dann verliert Mönchengladbach die letzte Institution, die an die Nachkriegszeit erinnert. Eine in Mönchengladbach sehr spannende Zeit. Vor rund 60 Jahren ging es in der Stadt um das Militär, um die Wiedervereinigung zweier Städte, um einen Oberbürgermeister, den die eigene Partei nicht mehr wollte, um ein Theater, und nebenbei ums nackte Überleben der Menschen.

Mönchengladbach und Rheydt waren Trümmerhaufen, als die Alliierten einmarschierten und das normale Leben in beiden Städten möglichst rasch wieder in Gang zu bringen versuchten. In Mönchen Gladbach (so die damalige Schreibweise) setzten sie Wilhelm Elfes gegen dessen Willen als ersten Oberbürgermeister ein. Vom Bürgermeisteramt aus in der Mozartstraße versuchte Elfes — Anfangs unter erheblichen Schwierigkeiten mit dem Stadtkommandanten der Alliierten — so etwas wie eine Lebensgrundlage aufzubauen.

Schon bald fuhr eine Straßenbahn, am 14. August 1945 wurden die Volksschulen in der Stadt eröffnet, wenig später viele weitere Schulen, der Fernsprechverkehr, der Entnazifizierungsrat entfernte 633 Mönchengladbacher aus ihren Posten, die Lebensmittelversorgung war noch schwierig, funktionierte jedoch halbwegs, und die Gebäude in der Stadt wurden rasch wieder aufgebaut. Ob Mönchen Gladbach und Rheydt wiedervereinigt werden sollten, das überließen die Alliierten ganz den Stadtoberhäuptern. Die hatten allerdings kein Interesse daran, darüber auch nur nachzudenken.

Mittlerweile arbeitete OB Elfes mit dem in Gladbach beliebten neuen Kommandanten Major Donald Syme zusammen. Nur seine Partei, die CDU, die bei den ersten Kommunalwahlen alle Direktmandate gewann, wollte ihn nicht mehr: Weil er zu viel Nähe zur SPD zeigte, stellte sie gegen ihn einen Misstrauensantrag. Elfes war schon nicht mehr im Amt, als am 31. März 1950 das Wirtschaftsamt und vier Jahre später das Trümmeramt aufgelöst wurden.

Innerhalb weniger Jahre wurde aus der Ruinenzeile an der Hindenburgstraße eine florierende Einkaufsmeile, auf der VW-Käfer — die Wohlstandssymbole schlechthin — fuhren. Textil- und Maschinenbetriebe erlebten einen (allerdings nur wenige Jahre währenden) zweiten Frühling. Das Leben funktionierte wieder in Mönchengladbach.

Was für die Mönchengladbacher mindestens ebenso wichtig war wie der Wiederaufbau war die geistige Zerstreuung. Nazi-Deutschland hatte für einen kulturellen Kahlschlag auch in Mönchengladbach gesorgt. Im Oktober 1945, als halb Gladbach und Rheydt noch in Trümmern lagen, spielte das Orchester des Zweckverbandes Mönchengladbach-Rheydt ein Konzert in der ungeheizten Kaiser-Friedrich-Halle. Theater-Abonnements waren rasant ausverkauft, es wurden meist fröhliche Stücke gespielt.

Weil Rheydt und Mönchengladbach aber noch getrennt waren, stand schnell die Theaterfrage an, die heftigen Streit zwischen den Städten auslösen sollte. Mönchengladbach wollte sein Theater mit Krefeld fusionieren, um Kosten zu sparen. 1950 stimmte der Stadtrat mit einer Stimme Mehrheit dafür, während vor der Tür Bühnenmitglieder demonstrierten — gegen die Fusion. Die Fraktionen im Rheydter Rat wehrten sich massiv gegen Mönchengladbach und witterten eine "öffentliche Kampagne gegen Rheydt". An Wiedervereinigung war nicht mehr zu denken. Und das sollte noch einige Jahre so bleiben.

Zum Weiterlesen: Löhr, Wolfgang (Hg.): Loca Desiderata, Band 3.1; Rouette, Hans-Karl: Textilbarone, Dülmen 1996; Sollbach-Papeler, Margrit: Mönchengladbach 1945.

(RP)
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