Redaktionsgespräch Stefan Bresser Das Handwerk sucht den passenden Azubi

Mönchengladbach · Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft schwärmt vom neuen, 19 Millionen Euro teuren Gebäude des Berufsbildungszentrums am Platz des Handwerks. Stefan Bresser kritisiert die öffentlichen Vergabeverfahren. Noch bricht wegen der niedrigen Hypothekenzinsen der Bauboom nicht ab.

 Das neue Gebäude der Kreishandwerkerschaft ist bezogen.

Das neue Gebäude der Kreishandwerkerschaft ist bezogen.

Foto: NN

Mit dem Neubau der Kreishandwerkerschaft haben Sie ein Mammutprojekt gestemmt, dessen Umsetzung ein Jahrzehnt benötigt hat. Auch persönlich haben Sie viel Arbeit und Herzblut reingesteckt. Fällt man danach erst einmal in ein tiefes Loch?

Stefan Bresser In ein Loch bin ich nicht gefallen. Für mich war die Einweihungsfeier im September eine große Zäsur. Dort ist eine enorme Last von mir abgefallen. Die letzten zwei Jahre waren extrem anstrengend. Es hat gut getan, rückblickend zu sehen, dass es gut geklappt hat. Aber ein bisschen Sand im Getriebe ist immer: Die Kosten sind um etwa acht Prozent überschritten worden. Wenn man aber bedenkt, dass die Planung aus 2010 ist und die Inflationsrate und die gestiegenen Kosten im Handwerk miteinberechnet, ist das nicht viel.

Der Leuchtturm steht - welcher Aufgabe widmen Sie sich als Nächstes?

Bresser Ich habe ja immer noch mein normales Tagesgeschäft, aber es ist auch unsere Aufgabe, das neue Gebäude mit neuen Kursen und Auszubildenden auszulasten und zu nutzen. Außerdem müssen wir Nachwuchs akquirieren, die Handwerksberufe insbesondere an allen Schulformen vorstellen.

 Das neue Gebäude der Kreishandwerkerschaft ist bezogen (oben). Auf die neue Zentrale der Handwerker ist nicht nur Geschäftsführer Stefan Bresser stolz.

Das neue Gebäude der Kreishandwerkerschaft ist bezogen (oben). Auf die neue Zentrale der Handwerker ist nicht nur Geschäftsführer Stefan Bresser stolz.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Machen sich die neue Qualität bei Ausstattung und Räumlichkeiten schon dahingehend bemerkbar, dass sich mehr Jugendliche für eine Ausbildung interessieren?

Bresser Die sind natürlich super froh, in den neuen Räumlichkeiten ausgebildet zu werden, alles ist auf dem neuesten Stand der Technik. In den Räumen erleben interessierte Jugendliche ein Aha-Erlebnis. Viele haben keine Vorstellungen, was in den Werkstätten passiert und wie diese aussehen. Im Handwerk bilden wir trial aus: Die Auszubildenden besuchen das Berufskolleg, den Ausbildungsbetrieb und die überbetriebliche Lehrstätte. Das ist etwas Besonderes, das macht nur das Handwerk.

In welchen Bereichen bildet das Handwerk Mönchengladbach aus?

Bresser Wir bilden in unserem Neubau in elf Werkstätten acht Ausbildungsberufe aus. Täglich befinden sich 140 Auszubildende in unseren Werkstätten.

Welche anderen Vorteile bietet der Neubau gegenüber dem alten Gebäude?

Bresser Ein Vorteil ist natürlich, dass jetzt alles auf dem neuesten Stand der Technik ist. In dem Gebäude hat man außerdem ein ganz neues Lebensgefühl. Das neue Foyer mit einem Bistro ist jetzt das Zentrum des Gebäudes, das hatten wir vorher nicht. Die Azubis aus den unterschiedlichen Ausbildungsberufen kommen dort auch untereinander ins Gespräch.

Wie haben Sie sich mittlerweile in die Nachbarschaft integriert?

Bresser Die Kantine wird von einem externen Anbieter betrieben und wurde im Mai in Betrieb genommen. Dafür wurde auch in der Nachbarschaft viel Werbung gemacht. Ich glaube schon, dass das Gebäude grundsätzlich nur positiv wahrgenommen wird, da die Gegend städtebaulich aufgewertet wurde.

Sie sprachen es schon an: Ein bisschen Sand ist immer im Getriebe? Bei den Ausschreibungen für die Bauaufträge ist nicht alles glatt gelaufen?

Bresser Das ist bei einem Projekt dieser Größe normal, die Gesamtkosten betragen 19 Millionen Euro. Wir haben mit rund 13 Millionen Steuergeldern gearbeitet. Daher waren wir an öffentliche Vergabeverfahren gebunden, das heißt, wir mussten das wirtschaftlichste Angebot annehmen. Für die Aufträge in den Kerngewerken haben viele Unternehmen aus Mönchengladbach den Zuschlag bekommen.

Wo gab es denn im Detail Probleme?

Bresser Wir hatten in Bereichen Probleme mit der Qualität, wo man nicht unbedingt einen Meister für die Ausübung des Handwerksberufs einstellen muss. Einige Unternehmen haben deutlich günstigere Angebote machen können, das hat sich später aber in der Ausführungsqualität gezeigt. Da mussten wir nachsteuern, jetzt ist alles so, wie wir das wollten.

Muss man also das Vergaberecht ändern?

Bresser Da bin ich selbst gespalten. Gerade bei den kleineren Aufträgen unter 30 000 Euro entsteht ein enormer Verwaltungsaufwand, der in einem Missverhältnis zum Auftragsaufwand steht. Ich würde mich lieber mit mehreren, mir bekannten Betrieben zusammen setzen und verhandeln. Das hat aber den Nachteil, dass man Betriebe ausschließt, die man nicht kennt. Ich habe dafür auch keine Lösung.

Was geschieht jetzt mit dem Altbau an der Pescher Straße?

Bresser Wir haben einen Immobilienmakler eingeschaltet. Über den Verkauf entscheidet die Innungskrankenkasse mit. Bislang sind zwei Investoren und ein Bildungsträger interessiert. Entscheidend ist aber, dass der Preis von 1,3 Millionen Euro, den wir angestrebt haben, nicht zu erzielen ist.

In welchen Bereichen ist es derzeit am schwierigsten, Nachwuchs zu gewinnen? Und woran liegt das?

Bresser Es gibt drei Berufszweige, wo es schwieriger wird, dazu gehört der Bereich Sanitär, Heizung und Klima, sowie die Berufe der Elektriker und Kfz-Mechaniker. Es mangelt nicht an Bewerbern, aber oft fehlt es da an Neigung und Eignung. Es wird schwieriger, den richtigen Azubi zu finden, der den Anforderungen entspricht. In Mönchengladbach sind derzeit 20 Azubi-Stellen nicht besetzt.

Woran liegt das?

Bresser Erstens ist die Qualität der Schulabgänger schlechter geworden. Und zweitens ist das Anforderungsprofil der Ausbildungsberufe höher geworden. Ein Beispiel: Früher stand ein Ölbrenner im Keller, den man mechanisch reparieren konnte. Heute packt der Mitarbeiter erstmal seinen Laptop aus, um mit der Fehlerauslese zu beginnen. Die Berufe sind hochtechnologisch geworden.

Mit welchem Schulabschluss können sich die Auszubildenden bewerben?

Bresser Viele Betriebe sagen mittlerweile grundsätzlich: Wir nehmen keinen Hauptschüler mehr, die Bewerber müssen mindestens einen Abschluss von Realschule oder Gymnasium vorweisen. Diese Firmen haben über mehrere Jahre schlechte Erfahrungen gemacht.

Wie erreichen Sie denn die Abiturienten?

Bresser Wir müssen mehr Werbung für die Karrierechancen machen. Darüber hinaus müssen wir unseren Blick auch auf die Studienabbrecher werfen und gezielter einfangen.

Sind Studienabbrecher nicht zu alt?

Bresser Keinesfalls. Es gibt keine Altersbeschränkung. Man kann auch die Lehrzeit verkürzen oder parallel die Qualifikation zum Techniker oder Meister machen. Und während dieser Zeit verdient man ja Geld.

Besteht immer noch ein Fachlehrermangel am Berufskolleg?

Bresser Dieser ist kompensiert worden. Allerdings werden in den nächsten fünf bis sieben Jahre wieder einige Lehrer pensioniert. Manche Stellen werden auch erstmal besetzt und diese Lehrer parallel im pädagogischen Bereich qualifiziert.

Wie hoch ist der Frauenanteil im Handwerk?

Bresser In allen Bereichen arbeiten Frauen. Es gibt keinen Bereich, wo Mitarbeiterinnen nicht in Frage kommen.

Kann das Handwerk denn auch bei der Höhe des Gehaltes mit der Industrie mithalten? Können sich die Betriebe das leisten?

Bresser Das wird der Markt später regeln, da bin ich mir ganz sicher. Zum einen sind wir im Handwerk an Tarifverträge gebunden. Und dann muss sich der einzelne Betrieb überlegen, ob er für einen besonders guten Bewerber mehr Geld investieren will.

Nehmen die Betriebe denn auch den zweitbesten Bewerber?

Bresser Auch das wird gemacht, und auch den Drittbesten. Da wird viel im persönlichen Gespräch entschieden. Auch bei Restbedenken wird der Bewerber eingestellt, weil in der Probezeit ein endgültiges Urteil über die Qualität des Arbeitnehmers getroffen wird.

Bald startet ein trialer Studiengang an der Hochschule?

Bresser Ja, damit wollen wir einsteigen und überhaupt eine neue Zielgruppe ansprechen. Wir fangen jetzt an, dafür zu werben, in einem halben Jahr fangen die ersten Studenten in den Bereichen Elektrotechnik und Tischler an.

Die Konjunktur schwächelt. Für welche Innungen wird es zuerst schwieriger?

Bresser Bei alle denen, die mit Bau zu tun haben. Da läuft es immer noch gut, wegen der niedrigen Zinssätze. Gerade deswegen investieren viele immer noch in Immobilien. Es wird viel gebaut. Aber wie lange bleibt das noch auf so hohem Niveau? Zuerst würde es für das Bauhauptgewerbe schwierig, und dann für das Baunebengewerbe.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN DIETER WEBER, JAN SCHNETTLER UND KATRIN HAAS

(RP)
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