Mönchengladbach Das Handwerk baut sich ein Heim

Mönchengladbach · Die Förderzusage des Landes ist seit gestern da: Nun können die Bagger an der Oststraße anrücken. Dort errichtet die Kreishandwerkerschaft für 16,9 Millionen Euro ihre neue Zentrale mit Lehrwerkstätten und Büros. Nach zehn Jahren Planung wird das zweitgrößte Bauvorhaben der Stadt Realität.

Um zu verdeutlichen, welche Gemeinsamkeiten das größte und das zweitgrößte Bauprojekt der Stadt haben, muss man nur die Zeit um zehn Jahre zurückdrehen. Also, wie war das genau, rund um den Jahreswechsel 2001/2002? An der Hindenburgstraße wurde seinerzeit viel diskutiert über den Neubau eines Einkaufszentrums an Stelle des schon damals Alten Stadttheaters, der damals scheinbar kurz bevorstand — der Investor hieß damals noch lange nicht ECE oder gar Mfi, sondern MDC, das Projekt nicht Forum oder Arcaden, sondern Stadtfenster. Und an der Pescher Straße wurde viel diskutiert über den geplanten Neubau der Kreishandwerkerschaft an der Oststraße. Die Handwerker meldeten Eigenbedarf an für Flächen, auf denen sich noch ein Abenteuerspielplatz befand.

Ein Jahrzehnt später ist das Stadttheater zwar nach wie vor eine Ruine, und auch die Handwerker sitzen noch immer in ihrem eher unschmucken Hardterbroicher Hochhaus aus den 70er Jahren. Aber: Nach viel Hin und Her, nach Jahren des Planens, Verwerfens und Finanzierens, sollen beide Projekte 2012 endlich — und endgültig — eingetütet werden. Denn sowohl bei den Arcaden, deren Bau in der Ratssitzung im März final beschlossen werden soll, als auch beim Neubau der Kreishandwerkerschaft sollen in Bälde die Bagger anrücken. "Wir haben heute den letzten notwendigen Zuwendungsbescheid des Landes erhalten", sagte Geschäftsführer Stefan Bresser gestern. "Die Baugenehmigung wurde am 3. Januar erteilt. Wir können loslegen." Die Arbeiten müssen nur noch ausgeschrieben und an der Oststraße eine alte Villa abgerissen werden. "In fünf bis sechs Wochen starten wir", verspricht Bresser.

Warum alles so lange dauerte

Spätestens seit Februar 2001, als das Jugendförderungswerk des Gladbacher Handwerks an der Oststraße eröffnet wurde, gärte das Vorhaben, dort ein neues Ausbildungszentrum zu errichten und alle Aktivitäten der Kreishandwerkerschaft zu bündeln, vor sich hin. Die entsprechenden Förderanträge wurden bereits 2003 gestellt, doch erst Mitte 2009 trudelte die erste Zusage des Landes über eine Förderung in Höhe von vier Millionen Euro ein. Es folgten eine europaweite Ausschreibung und ein Architektenwettbewerb. Und es dauerte noch einmal bis zum 7. Dezember 2011, bis schließlich tatsächlich der erste Zuwendungsbescheid des Bundes über 8,1 Millionen Euro vorlag, der des Landes nun sogar bis Anfang Januar dieses Jahres. Dazu gesellten sich etliche Faktoren, die einem zügigen Fortschreiten des Projekts sicher auch nicht zuträglich waren — der Brand in der Lehrwerkstatt an der Korschenbroicher Straße 2002, die jahrelangen Diskussionen um die Zukunft des Abenteuerspielplatzes und die internen Querelen im Jahr 2006 etwa.

Was an der Oststraße geplant ist

Das Grundstück, das bereits das Jugendförderungswerk und eine Ausbildungsstätte der Schweißer beherbergt, wird um einen massiven Baukörper mit 5100 Quadratmetern Nutzfläche reicher. Er besteht aus vier einzelnen Elementen — drei Werkstatt-Gebäuden und einem Riegel für die Verwaltung — die einander zugewandt sind, so dass in der Mitte ein Atrium entsteht, und die unterschiedliche Höhen aufweisen. Die Verwaltung der Kreishandwerkerschaft soll ab Sommer 2013 ihren Sitz dorthin verlegen, außerdem entsteht eine überbetriebliche Berufsbildungsstätte mit acht Lehrwerkstätten für 140 Auszubildende. Die Ausbildungsberufe Kfz-Mechatroniker, Bürokaufmann, Metallbauer, Anlagenmechaniker, Elektroniker, Tischler, Maler und Lackierer und Friseur sollen dort zeitgemäß vermittelt werden.

Die Räume werden nicht nur moderner als bisher, sondern auch größer. So besteht im Kfz-Handwerk etwa künftig die Möglichkeit, Schulungen an Lastwagen durchzuführen, für die Tischler wiederum können große Fräsen angeschafft werden. Es wird einen zentralen Bereich mit Küche und einem Speisesaal geben, zusätzlich werden Büroflächen für Signal Iduna und das Jugendförderungswerk geschaffen. Bevor gebaut werden kann, muss an der Oststraße noch ein bestehendes Gebäude abgerissen werden. Das soll im Frühjahr geschehen. Das bisherige Gebäude der Kreishandwerkerschaft an der Pescher Straße soll im Gegenzug gemeinsam mit der IKK Nordrhein verkauft werden.

Wie das Gebäude aussehen soll

Es soll nach außen deutlich signalisieren: Dies ist das Heim des Handwerks. Der siegreiche Entwurf des Düsseldorfer Architekturbüros RKW Rhode Kellermann Wawrowsky sieht eine Fassade aus hellem Klinker, auf dem Dach Solaranlagen und viel Grün vor. Auch die Adresse soll eines Tages auf die Kreishandwerkerschaft hinweisen. "Jetzt muss unser Ziel sein, die Stadt dazu zu bewegen, dass wir die Adresse ,Platz des Handwerks' bekommen", sagte Kreishandwerksmeister Frank Mund bei der Feierstunde Anfang Dezember, als der Zuwendungsbescheid des Bundes eintraf.

Wie der Bau finanziert wird

Der Großteil der Fördermittel (8,089 Millionen Euro) kommt vom Bund, weitere vier Millionen Euro kommen vom Land, die teils aus dem Topf für EFRE-Strukturfördermittel der EU stammen (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung). Das Bauvolumen beträgt 16,9 Millionen Euro — den Differenzbetrag trägt die Kreishandwerkerschaft, die zu diesem Zweck seit Jahren Rücklagen gebildet hat. Die Summe beinhaltet den Grundstückserwerb. Nach den Arcaden, in die Investor Mfi eine dreistellige Millionensumme investiert, ist der Bau der künftigen Heimstatt der Kreishandwerkerschaft damit tatsächlich das zweitgrößte einzelne Bauvorhaben der Stadt.

Warum das Projekt wichtig ist

Lange schienen Dienstleistung und Logistik die allein seligmachenden Branchen der Zukunft zu sein, doch längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt: Die Industrie und das Handwerk mit seinem sprichwörtlich goldenen Boden bleiben wichtig. Doch dazu bedarf es eines repräsentativen Baus, einer attraktiven Marke und einer starken Präsenz in der Stadt. Die Vorbereitung war akribisch, ein Gutachter begleitete den Gesamtprozess, prüfte im Auftrag des Bundes Notwendigkeit und Bedarf.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort