Serie Was Macht Eigentlich? Das Geschäft mit den Glimmstängeln

Mönchengladbach · Wilhelm Grünewald hat 1926 in Windberg mit dem Zigarettenhandel begonnen. Seine Söhne Heinz und Manfred haben die Firma unter dem Namen "tobaccoland" zum weltweit größten Händler von Tabakwaren gemacht. 1999 haben sie verkauft, auf dem Höhepunkt.

 In Neuwerk angekommen: Grünewald-Mitarbeiter 1972 vor dem dem neuen Firmengebäude Krahnendonk.

In Neuwerk angekommen: Grünewald-Mitarbeiter 1972 vor dem dem neuen Firmengebäude Krahnendonk.

Foto: tob intern (2), KN (5)

Zwei Zigarillos am Tag ("einen vormittags, einen abends") gönnt Manfred Grünewald sich noch. Ansonsten hat der 81-Jährige mit der Materie, die sein Leben und das seines Bruders Heinz jahrzehntelang bestimmt hat, nichts mehr zu tun. Die beiden haben 1999 genau den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg aus dem gewinnträchtigen Tabak-Großhandel beim Unternehmen "tobaccoland" mit Sitz in Neuwerk erwischt: "Austria Tabak hatte uns ein exorbitantes Angebot gemacht, das wir nicht ablehnen konnten", sagt Heinz Grünewald (87). Zwei, drei Jahre später wurde in Deutschland die Anti-Raucher-Stimmung ("Kampagne", so die Grünewalds) immer stärker. Der Tabakkonsum sinkt, der Gesundheit, vielleicht auch des Preises wegen, seither beständig. "Der Staat aber kassiert heute mit 14 Milliarden Euro pro Jahr immer noch ungefähr so viel wie die 26 Milliarden D-Mark zu unserer Zeit", sagen die Grünewalds.

tobaccoland, das mit Fusionen und Zukäufen immer weiter expandierte, von Hamburg bis München, von Mönchengladbach bis Leipzig, hat es sogar ins Guiness-Buch der Rekorde geschafft: "Als weltweit größter Tabakwaren-Großhändler." 6,3 Milliarden D-Mark Umsatz im Jahr hat die Firma gemacht, als die Brüder 1999 ihre letzten Anteile an die österreichische Austria Tabak abgaben, die 1990 bereits 49 Prozent übernommen hatte. Tabakwaren waren längst nicht mehr das einzige Angebot der Firma, die 1998 mit Lekkerland fusionierte: einem Großhandelsunternehmen für Lebensmittel, Getränke, Tabakwaren, Telekommunikation und Non-Food. "Alternative wäre ein harter Wettbewerb der beiden Unternehmen", sagte Heinz Grünewald.

Mehr als 200.000 Zigaretten-Automaten hatte tobaccoland in der Spitze, heute sind es noch 100.000 bei der Anfang 1999 abgeteilten tobaccoland Automatengesellschaft. Ein Großteil des Umsatzes hatte sich verlagert, die beiden Unternehmer aus Windberg hatten den Trend frühzeitig erkannt: Immer mehr Zigaretten wurden an Tankstellen verkauft. tobaccoland schloss ab Mitte der 80er Jahre bundesweit Verträge mit den großen Mineralölkonzernen. Die bekamen von tobaccoland nicht nur Zigaretten, sondern auch Telefonkarten geliefert (nur die Deutsche Post verkaufte 1995 noch mehr davon), später Mobilfunk-Prepaidkarten, Taschenbücher und Kondome.

Begonnen hat die Erfolgsgeschichte der Familie 1926 in Windberg an der Ecke Annakirch- und Bebericher Straße. Wilhelm Grünewald, Vertreter einer niederländischen Zigarren-Firma, wagte den Schritt in die Selbstständigkeit, eröffnete mit Unterstützung seiner Frau Franziska einen Großhandel mit Tabakwaren. "Er brachte sie per Fahrrad zu den Kunden, meine Mutter war bald mit unterwegs", erzählt Heinz Grünewald. 1939, als der Krieg ausbrach, hatte die Firma bereits drei Automobile, mit denen sie in Gladbach, Rheydt und Umgebung auslieferte. Als es 1945 wieder losging, brachte auch der nun 16-jährige Heinz die Ware zu den Kunden - mit einem Rad, das den Krieg überstanden und noch Vollgummireifen hatte. Heinz und sieben Jahre später Manfred machten die Kaufmannslehre, stiegen ins Geschäft ein, bauten es immer weiter aus. Der Vater starb 1968. 1974 machte "Wilhelm Grünewald" 100.000 Mark Umsatz, doch das Geschäft wurde zunehmend schwieriger, Heinz und Manfred entschlossen sich zu einem strategischen Schritt: der Fusion mit dem Essener Großhändler J. A. Giesen (80.000 Mark Umsatz) und Fritz Henberg aus Borken (zwischen dem Münsterland und den Niederlanden, 60 Millionen) zur tobaccoland-Großhandelsgesellschaft mbH & Co. KG mit Sitz in Mönchengladbach. Alleinige Geschäftsführer waren Heinz und Manfred Grünewald.

"Durch die Aufhebung der Preisbindung im Großhandel, die Diskussion über eine kurzfristige weitere Preisanhebung und die anhaltende Kritik der Anti-Raucher-Lobby waren Kalkulationssicherheit und Investitionsbereitschaft der Fachgroßhandlungen beeinträchtigt, der Wettbewerb schärfer geworden. Dem mussten wir mit mehr Größe und Marktmacht begegnen", erläuterten die beiden Brüder. Eine Entwicklung, die sich über Jahrzehnte und mit dem Zusammenschluss von Bundesrepublik und DDR fortsetzen sollte. tobaccoland deutete die Zeichen der Zeit, expandierte weiter und wurde zum größten Tabakwaren-Großhändler (nicht nur) Deutschlands.

(RP)
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