Andree Haack Und Dr. Ulrich Schückhaus Das Ebay-Projekt ist Heimat shoppen 2.0

Mönchengladbach · Der Geschäftsführer Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK und der Geschäftsführer der Gladbacher Wirtschaftsförderung sprechen über die verschiedenen Bemühungen, den lokalen Einzelhandel zu stärken.

"Heimat shoppen" geht bald in die zweite Runde. Was hat sich seit der Premiere im vergangenen Jahr geändert?

Andree Haack Die Aktion ist vor allem viel größer geworden: Über 100 Städte und Gemeinden in NRW nehmen in diesem Jahr teil - alle am gleichen Wochenende mit dem gleichen Logo. In Gladbach ist Eicken dazugekommen. Außerdem verteilen wir dank des Sponsorings der Sparkasse in diesem Jahr 100 000 statt 30 000 Tüten. Andere Bundesländer interessieren sich nun auch für die Aktion. Wir haben sie schon in Nürnberg, Chemnitz und in Bochum vorgestellt.

Wie wichtig ist eine Aktion wie "Heimat shoppen" für die Gladbacher Einzelhändler?

HAACK Die meisten Leute machen sich zu wenig Gedanken darüber, was sie mit ihrer Kaufentscheidung bewirken. Genau das wollen wir mit "Heimat shoppen" ins Bewusstsein der Menschen rücken. In Krefeld haben wir deshalb einmal bei den Händlern nachgefragt, was sie eigentlich alles so nebenher machen - beispielsweise durch Sponsoring oder auch ehrenamtliche Mitarbeit. Heraus kam, dass rund zwei Millionen Euro jährlich aus dem Handel wieder zurück in die Stadt fließen. Wir wollen mit "Heimat shoppen" kein schlechtes Gewissen machen, sondern einfach nur frech und selbstbewusst zeigen, was der lokale Handel bieten kann.

Schückhaus In diesem Zusammenhang den moralischen Zeigefinger zu heben, wäre sicher falsch. Es muss ein Mehrwert für den Käufer da sein.

Es heißt, der Einzelhändler heiße Einzelhändler, weil er einzeln handele. Ist das in Gladbach so?

HAACK Ich glaube, dem Handel ist - unter anderem durch "Heimat shoppen" - wieder klar geworden, wie wichtig er für die Stadt ist und, dass er zusammenhalten muss. Schauen Sie sich die Friedrichstraße, die Wallstraße oder auch Eicken an: Überall realisieren die jeweiligen Händler gemeinsame Aktionen.

Schückhaus Es wäre allerdings schön, wenn sich auch der eine oder andere Filialist an solchen Dingen beteiligen und Mitglied im Citymanagement werden würde. Da geschieht bei den meisten noch viel zu wenig.

haack Das stimmt. Und das, obwohl der Wettbewerb heute nicht mehr über Geschäfte, sondern über Standorte entschieden wird. Auch die Filialisten sollten deshalb über ihr Schaufenster hinaus denken.

Während der Bauphase des Minto wurde von den Einzelhändlern immer wieder die Befürchtung geäußert, das große Center könnte ihnen die Kunden wegschnappen. Kann man schon sagen, ob das Minto mehr Fluch oder Segen ist?

Schückhaus Im Prinzip war die Gegenwehr bei uns immer verhalten. Ich habe kürzlich einen Kollegen aus Osnabrück getroffen, der sich beeindruckt davon zeigte, wie unkompliziert der Minto-Bau bei uns über die Bühne gegangen ist - und das, obwohl wir sogar zwei Innenstädte haben. Bisher sind auch in Rheydt keine nennenswerten Umsatzeinbrüche erkennbar: Karstadt hat beispielsweise einfach eine ganz andere Zielgruppe als das Minto.

Haack Das Minto hat auch deswegen keinen Staub aufgewirbelt, weil es so zentral liegt wie kaum ein Einkaufszentrum in Deutschland. Und, weil die Verkaufsfläche perfekt auf die Stadt zugeschnitten ist.

In Rheydt ist also alles in Ordnung. Und auf dem der Rest der Hindenburgstraße?

Schückhaus Dazu haben wir noch keine belegbaren Daten. Dass es voller ist, ist aber deutlich zu sehen. Um den Bereich Bismarckstraße bis Peek & Cloppenburg mache ich mir keine Sorgen. Anders sieht es da schon in dem Bereich hinter P&C bis zum Alten Markt aus. Da sollten wir noch einmal über eine städtebauliche Entwicklung nachdenken.

Was stellen Sie sich dort konkret vor?

Schückhaus Eine Mischung aus Dienstleistung und Büros kann ich mir gut vorstellen. Idealerweise mit einer Art Innenquartier zum Museum hin, in dem dann noch ein schönes Café entstehen könnte.

Ist der Online-Handel tatsächlich eine große Gefahr für die lokalen Geschäfte?

Schückhaus Es gab immer schon Entwicklungen, die die Einzelhändler gefühlt in Gefahr brachten. Die erste Zäsur war das Thema Selbstbedienung, die zweite die steigende Zahl von Filialsystemen und der Online-Handel ist nun der dritte Einschnitt für die Händler. Bei all diesen Entwicklungen galt und gilt allerdings: Wenn man sich rechtzeitig darauf einstellt, ist es möglich, die Umsätze zu halten.

Welche digitale Strategie sollten die Einzelhändler denn verfolgen?

Schückhaus Das Wichtigste ist: Sie müssen digital auffindbar sein. Eine eigene Homepage, auf der das aktuelle Sortiment zu sehen ist, ist schon viel wert. Kunden sollten Termine vereinbaren und Produkte reservieren können. Solche Internetauftritte gibt es in Gladbach noch bei zu wenigen Händlern. Der "Beratungsklau", von dem die Einzelhändler immer sprechen, ist übrigens nur gefühlt ein Thema. Eine Umfrage hat ergeben, dass die Zahl der Leute, die sich erst im Internet informieren und dann vor Ort kaufen, rund zehn Mal höher ist als die Zahl derer, die sich umgekehrt vor Ort beraten lassen, um dann im Internet zu kaufen.

Im Herbst soll das Kooperationsprojekt mit Ebay an den Start gehen, bei dem sich Einzelhändler über eine eigene Einstiegsseite "Mönchengladbach bei Ebay" auf der Plattform präsentieren können. Wie laufen die Vorbereitungen?

Schückhaus Wir sind noch in der Akquise und möchten gerne Ende September, Anfang Oktober mit rund 60 Händlern starten.

Haack Das Ebay-Projekt ist sozusagen Heimat shoppen 2.0. Für die Einzelhändler ist es eine tolle Möglichkeit, mit sehr überschaubaren Kosten in den Online-Handel einzusteigen. Trotzdem müssen wir schon sehr aktiv für das Konzept werben. Die Interessenten kommen uns nicht zugeflogen, es gibt durchaus Berührungsängste.

Ebay ist im Vergleich der Internetriesen etwas ins Hintertreffen geraten, Firmen wie Amazon oder Zalando haben Marktanteile abgegraben. Warum ist es dennoch der ideale Partner für das Projekt?

Schückhaus Wir haben zehn Marktplätze analysiert. Amazon fiel für uns raus, weil es ein Eigengeschäft hat und wir fürchteten, ausgebootet zu werden. Zalando lässt keine Dritthändler zu. Ebay hingegen hat hingegen kein Eigeninteresse als Händler. Und es bietet dem Kunden im Gegensatz zu kleinen Plattformen die Möglichkeit, mit einem Klick von der Gladbacher Geschäftswelt in die große Ebay-Welt zu gelangen. Umgekehrt bietet es den Händlern die Chance, sich Ebay-weit zu präsentieren. Aber das Projekt ist nur eine von mehreren Maßnahmen, die wir im Rahmen des Pilotprojekts MG Retail 2020 herausgearbeitet haben.

Was sind die anderen?

Schückhaus Wir haben eine ganze Reihe von Handlungsempfehlungen herausgearbeitet, die nun einer Broschüre zusammengefasst wurden. Diese kann man unter www.mgretail2020.de herunterladen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN RALF JÜNGERMANN, JAN SCHNETTLER UND LAURA SCHAMEITAT

(RP)
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