Kolumne Mensch Gladbach Locker und vernünftig bleiben

Mönchengladbach · Die hohe Zahl der Toten in einem Altenheim sorgt für Unruhe. Wurde zu spät und zu wenig getestet? Der Eindruck drängt sich auf. Für Panik besteht kein Anlass, für zu viel Lockerheit aber auch nicht.

 Im Altenheim in Wickrath sind bis Karfreitag neun Menschen nach einer Corona-Infektion gestorben.

Im Altenheim in Wickrath sind bis Karfreitag neun Menschen nach einer Corona-Infektion gestorben.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Schönheit und Schrecken liegen in dieser Zeit sehr nah beieinander. Was es nicht einfacher macht, mit der aktuellen Situation umzugehen. Da ist die explodierende Natur, die unter stahlblauem Himmel und sommerlichen Temperaturen geradezu verschwenderisch mit der Blütenpracht um sich wirft. Wir wollen raus, uns bewegen, feiern, am liebsten mit Freunden und Familie. Auf der anderen Seite wurde uns in der zurückliegenden Woche in Mönchengladbach zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie-Maßnahmen deutlich gemacht, wie ernst die Lage und weshalb es wichtig ist, dass wir uns alle diszipliniert daran halten, uns selbst, vor allem aber gefährdete Menschen vor uns zu schützen.

Geschafft haben das kühle Zahlen. Hinter denen stehen Menschen, die gestorben sind, Familien, die um sie trauern, und Helfende, die nicht helfen konnten, sondern womöglich sogar selbst zur Gefahr geworden sind, ohne es zu wissen.

Die Zahl der in Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus gemeldeten Todesfälle hat sich innerhalb einer Woche fast verdreifacht. In einem Altenheim starben neun Bewohner an oder mit dem Coronavirus, in einem anderen sind mehrere infiziert, einige liegen im Krankenhaus. Alle Verstorbenen waren hochbetagt und durch andere Krankheiten vorbelastet. Dennoch sorgt das für Unruhe.

Hätte die Stadt früher und mehr Tests anordnen sollen? Dass beispielsweise die Mitbewohner eines Infizierten nicht auf das Virus getestet wurden, ist schwer nachvollziehbar – auch wenn es formal den Kriterien des Robert-Koch-Instituts entsprechen mag, nur bei auftretenden Symptomen zu testen. Wenn Symptome auftreten, kann ein Infizierter längst viele andere Menschen infiziert haben, und das mitten in einer Risikogruppe.

Auch für die Pflegekräfte, unter denen es ebenfalls Infizierte gibt, ist das psychisch eine zusätzliche Herausforderung. Deshalb ist es verständlich, dass sie in einem offenen Brief an die Stadtspitze fordern, umfassende Tests bei Bewohnern und Personal in Altenheimen durchzuführen sowie ein mobiles Testfahrzeug einzurichten, mit dem Mediziner direkt bei der Einrichtung vorfahren können, um diese Tests vor Ort zu machen und damit das Ansteckungsrisiko zu minimieren. So ist es zum Beispiel in direkter Nachbarschaft im Kreis Viersen beschlossen. Die Stadt winkt ab, will Alternativen anbieten. Reicht das? Das ist schwer zu beantworten. Risikogruppen zu schützen, sollte aber oberstes Ziel sein.

 Für Panik und Überreaktionen gibt es in Mönchengladbach insgesamt aber keinen Anlass. Die Zahl der gemeldeten Infizierten steigt seit Wochen auf relativ niedrigem Niveau, auch wenn die Dunkelziffer höher sein dürfte. Ebenso steigt die Zahl der Genesenen. Sie liegt jetzt sogar höher als die der akut Infizierten.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass schon sehr bald einige der Maßnahmen gelockert werden, dass Geschäfte und Restaurants, Schulen und Kitas wieder öffnen. Das hängt aber davon ab, wie vernünftig wir bleiben. Und wie gut wir jene Menschen schützen, deren Leben durch das neue Virus wirklich gefährdet ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort