Neue Atelierstipendiatin Künstlerin arbeitet ein halbes Jahr in Gladbach

Mönchengladbach · Cana Bilir-Meier hat für ein halbes Jahr die Atelierwohnung an der Steinmetzstraße bezogen. Die 33. Atelierstipendiatin der Stadt ist Künstlerin, Filmemacherin, Kunstpädagogin und Kuratorin.

 Cana Bilir-Meier ist die neue Atelierstipendiatin der Stadt Mönchengladbach.

Cana Bilir-Meier ist die neue Atelierstipendiatin der Stadt Mönchengladbach.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Bei Cana Bilir-Meier ist der Wechsel der Perspektive Teil des Konzepts. Sie mag es nicht, zwischen den unterschiedlichen Ausprägungen ihrer Profession zu trennen. Das scheint ein wichtiger Nährboden für die Komplexität ihres Schaffens zu sein. „Mir ist das Erinnern wichtig und welche Geschichten wie erzählt werden können“, sagt die 1986 in München geborene Künstlerin. Sie ist Filmemacherin, Kunstpädagogin und Kuratorin. Kunst hat für sie immer auch eine politische Dimension. Die utopische Vorstellung als Geste, um konstruierte Systeme zu hinterfragen.

Sie ist Enkelin türkischer Einwanderer. Die Frage nach der Beziehung zwischen Kunst und Gesellschaft treibt sie ebenso an wie der Ansatz von Kunst als Anstoß für eine bessere Gesellschaft. Ein Fokus liegt auf postmigrantischen Erfahrungswelten. Bilir-Meier ist die 33. Atelierstipendiatin der Stadt Mönchengladbach.

Agnes Jaraczewski verspricht sich von der Künstlerin eine spannende Begegnung mit der hiesigen Kunstszene. Die Leiterin des städtischen Kulturbüros berichtet, dass die Stipendiatin aus einem Pool von sechs Vorschlägen ausgewählt wurde. Didem Sandikci, Volontärin der c/o-Künstlerförderung, stellt Eckpunkte der Vita vor. Bilir-Meier studierte Kunst, Digitale Medien und Kunstpädagogik an der Akademie der Bildenden Künste Wien sowie analogen Film an der Schule für unabhängigen Film Friedl Kubelka und an der Sabanci Universität in Istanbul.

Ihre Arbeiten waren unter anderem im NS-Dokumentationszentrum München, bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, im Kunstverein Hamburg und in der Kunsthalle Wien zu sehen. Bilir-Meier wurde unter anderem 2016 mit dem Birgit Jürgenssen-Preis, 2018 mit dem Ars Viva Preis und 2019 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet.

„Wir erwarten nicht, dass sich die Stipendiatin zu Mönchengladbacher Themen positioniert“, sagt Kulturdezernent Gert Fischer. Doch oft passiere das von selbst. „Durch ihr Wirken hilft sie uns, auch wenn sie uns nur den Spiegel von außen vorhält.“

„Mir geht es auch darum, wie archivierte Dinge aufgegriffen und verändert zur neueren Geschichte zurückgegeben werden können“, sagt die Künstlerin, die sich mit privaten und öffentlichen Archiven auseinandersetzt. Daraus leitet sie verborgene Geschichten ab, die ihren Ursprung in persönlichen Bezügen haben und in der künstlerischen Umsetzung zu kollektiven Erinnerungen und Auseinandersetzungen werden.

Beim Einzug ins Atelier brachte die Stipendiatin ihre Filme sowie diverse Publikationen mit. Einer der Filme ist eine Auseinandersetzung mit dem NSU-Tribunal. Der Blick richte sich in der Regel auf die Täter, nicht aber auf die Opfer, betont die Künstlerin. Ihr aber geht es auch um die Perspektive der Betroffenen und der Migration. Dieser Film bezieht die Institution Gericht im Rückgriff auf Szenen der Fernsehserie mit Richter Alexander Hold als Kulisse ein. Als Darstellerin am Set ist eine von Bilir Meiers Cousinen zu sehen, die häufig als „türkische Frau mit Kopftuch“ gecastet wurde. „Die Serie lief auch, als die NSU mordete. Es ist die Frage, wie wir hinschauen“, betont Bilir-Meier.

Ein soeben herausgegebener Katalog entstand zur Ausstellung im Kunstverein. Wichtig sei ihr ein ergänzendes Programm parallel zur Ausstellung gewesen, so die Künstlerin. In Film und Buchform setzt sie sich mit Gedichten ihrer Tante Semra Ertan auseinander, die 1982 durch Selbstverbrennung aus Protest gegen Rassismus starb.  Während des Stipendiums will sich die Künstlerin auch mit Mönchengladbach beschäftigen und das Atelier als Plattform für Lesungen und Filmscreenings anderer Künstler nutzen.

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