Interview mit Johannes Schwärsky als Mazeppa Brutaler Machtmensch mit zarter Seele

Mönchengladbach · Der 50-jährige Bariton aus Berlin erklärt, wie er die Titelrolle in Tschaikowskys Oper "Mazeppa" anlegt, ob er sich mit der historischen Figur des ukrainischen Freiheitskämpfers identifiziert und was es mit seiner wilden Lockenfrisur auf sich hat.

Johannes Schwärsky ist 1963 in Leipzig geboren, aber in Berlin aufgewachsen. Dort ist sein Zuhause. Das hält den Heldenbariton nicht davon ab, als Gast bei ehrgeizigen Opernprojekten am Niederrhein mitzuwirken. Opernfreunde in unserer Stadt kennen Schwärsky bereits: Er sang und spielte den Vater der Anna in Puccinis Einakter "Le Villi", den Oberst Stankar in Verdis "Stiffelio" — und nun den Kosakenhauptmann Mazeppa. Wir sprachen mit dem Sänger.

Sie sind in Ostberlin zur Schule gegangen. Jetzt singen Sie die Titelpartie einer russischen Oper, die hier ab morgen, Sonntag, in der Originalsprache aufgeführt wird. Verstehen Sie den Text, den Sie singen?

Johannes Schwärsky Ich verstehe zwar nicht jedes Wort, aber durchaus den Gesamtzusammenhang ziemlich gut. Auch wenn ich in der Schule das Fach Russisch hatte, reicht das allerdings nicht, ein ganzes Libretto zu verstehen. Aber ich kann für die Proben den kyrillischen Klavierauszug benutzen. Ich kann die Schrift gut lesen und kenne die Aussprache.

Sie hatten an den Berliner Bühnen zunächst eine Tischlerlehre absolviert. Wie kam es, dass Sie sich entschlossen, danach auf eine Gesangsausbildung umzusatteln und ganz ins künstlerische Fach zu wechseln?

SChwärsky (lacht verschmitzt) Nachdem ich eine Weile in der Technik der Bühnen gearbeitet hatte, sagte ich mir: Jeden Morgen um halb sieben an die Werkbank, das ist auf Dauer nicht das Richtige . . . Dann habe ich mich für ein Studium beworben, an drei Berliner Hochschulen. Die Musikhochschule Hanns-Eisler nahm mich, und dort fing ich dann mit dem Gesangsstudium an.

Welche Gesangslehrer hatten Sie?

Schwärsky Meine besten Gesangslehrer lernte ich erst nach dem Studium kennen. Sehr gefördert nach dem Wechsel nach Westdeutschland haben mich Kurt Moll und noch mehr Lisa Hagenau.

Was für ein Mann war Mazeppa?

Schwärsky Zunächst ein Überlebenskünstler. Man hatte ihn in Warschau nackt auf ein Pferd gebunden und davongejagt. Mazeppa war ein Machtmensch, der zielstrebig die Herrschaft über die Kosaken verfolgte. Einer, der seinen Machiavelli entweder gelesen oder zumindest dessen Ideen nachgeeifert hat. Er war sehr von sich überzeugt.

Aber er hatte auch weichere Züge, so verliebt sich der ältere Mann heftig in Maria, die 45 Jahre jüngere Tochter seines Freundes Kotschubej.

Schwärsky In der Tat kommt hier die andere Seite dieses Mannes zum Vorschein. Die möchte ich natürlich in meiner Darstellung gebührend herausstellen. Da gibt es ein herrliches Liebesduett mit Maria. Aber im nächsten Moment konfrontiert Mazeppa seine Geliebte mit einer Forderung, sie soll sich entscheiden: "Wen liebst du mehr, mich oder deinen Vater?", fragt er sie. Was er ihr verschweigt, ist, dass er soeben den Hinrichtungsbefehl für ihren Vater unterschrieben hat. Mazeppa fühlt sich von Verrätern umgeben und nimmt dann selbst auf engste Freundschaft keine Rücksicht.

Kann man sich mit einer solch widersprüchlichen Figur identifizieren?

Schwärsky Um die Figur authentisch darzustellen, sollte man das.

Was reizt Sie besonders an der Gesangspartie?

Schwärsky Diese Partie mit einem guten Orchester unter einem einfühlsamen Dirigenten — so wie hier in Mönchengladbach — singen zu dürfen ist für mich immer wieder ein absolutes Glück und die Bestätigung, den richtigen Beruf gewählt zu haben.

Zurück noch einmal in die Zeit, als Sie in der DDR lebten. Erinnern Sie sich, dass es damals in Berlin, Leipzig oder Dresden Inszenierungen der Oper "Mazeppa" gegeben hat?

Schwärsky Nein, es gab nach meiner Erinnerung keine Aufführung dieser Oper. Der Stoff passte wohl nicht in die politische Landschaft. Auch für mich ist das Stück neu. Als Generalmusikdirektor Mihkel Kütson mich anrief, um mir die Partie anzubieten, musste ich zugeben: "Mazeppa kenn' ich gar nicht!" Das hat sich inzwischen geändert.

Haben Sie sich Ihre wilde Lockenfrisur eigens für die Rolle zugelegt?

Schwärsky Ich trage schon länger diese Frisur, aber ich habe das Haar für die Rolle noch etwas länger wachsen lassen. Auch den Vollbart. Den trage ich allerdings sonst nicht immer.

DIRK RICHERDT FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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