Britney Spears in Mönchengladbach Playback und Pirouetten

Mönchengladbach · Vor 16.000 Fans drehte die US-Sängerin Britney Spears im Sparkassenpark Mönchengladbach eine Runde durch fast 20 Jahre Popgeschichte. Dabei wirkte sie nach dunklen Zeiten wieder stark und selbstbewusst.

 Britney Spears begeisterte das deutsche Publikum - wie auch hier am 13. Juni 2017 in Taiwan (Archivfoto).

Britney Spears begeisterte das deutsche Publikum - wie auch hier am 13. Juni 2017 in Taiwan (Archivfoto).

Foto: dpa/Chiang Ying-Ying

Für ihren Besuch in Mönchengladbach hat sich Britney einen wechselhaften Tag ausgesucht. Fans, die sich teilweise schon Stunden vor Konzertbeginn am Stadion trafen, haben mehrere Regenschauer über sich ergehen lassen, bevor sich endlich die Sonne zeigt. Die steigt jedoch nicht noch einmal hinter den Wolkenbergen hervor, sondern strahlt an diesem Abend von der Bühne. Braungebrannt, golden und trotz der kühlen 18 Grad gekleidet wie für einen Tag am Strand.

Anderthalb Stunden lang lässt Britney Spears das Publikum zu ihren Hits der letzten Jahrzehnte feiern. Dazu wirft sie ihre Haare herum und tanzt, nein, kämpft sich durch ihre Choreografie, als ob es kein Morgen gäbe. Dabei kann sie sich ganz und gar auf die Bewegung konzentrieren, denn ihr kompletter Gesang kommt vom Band.

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Das ist Pop-Star Britney Spears

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Foto: dpa/Kay Blake

New York, Paris, Mönchengladbach: Als Britney ankündigte, eines ihrer beiden Konzerte in NRW spielen zu wollen, werden sich nicht wenige über den Ort ihrer Wahl gewundert haben. Der stellte sich jedoch als gut gewählt heraus. Aberhunderte Fans bekommen die blonde Pop-Königin im Innenbereich des fast ausverkauften Hockey-Stadions überraschend nah zu sehen, ohne sich im Gewimmel gegenseitig auf die Füße treten zu müssen.

Es sind Freundinnen, die ihre langen blonden Haare zu „Pigtails“ gebunden haben, seitlich abstehenden Zöpfen, wie Britney sie vor 19 Jahren im Video zu „… Baby One More Time“ getragen hat. Es sind auffällig viele schwule Paare, für die Britney, vielleicht noch mehr als Lady Gaga, eine Ikone ist – ohne dass noch irgendjemand wüsste, warum. It‘s Britney, Bitch.

Auffällig ist auch, mit welcher Heftigkeit die US-Amerikanerin ihre Show bestreitet. Schon im ersten Lied „Work Bitch“ wirft sie sich auf den Boden, reißt sich wieder hoch, marschiert mit den Tänzerinnen und Tänzern umher. Sie dreht Pirouetten, wirft den Kopf umher, dass ihr Pferdeschwanz fliegt, bleibt abrupt stehen und stolziert wieder los. Die Sängerin spielt sich mit einer großen Bühnenpräsenz nach vorn, und das muss sie auch, denn sie singt nicht. Kurz fühlt man sich dabei ertappt, wie man denkt: Vielleicht ist das auch besser so. In einer der zwei kurzen Publikumsansprachen hört man kurz ihre echte Stimme, und die klingt im Gegensatz zum gerade Gehörten piepsig, quäkend – menschlich.

Mönchengladbach: Fans warten auf Britney Spears bei Konzert 2018
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Fans warten auf Britney Spears

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Foto: Reichartz,Hans-Peter (hpr)

Den Menschen, der Britney Spears heißt, lernen die Zuschauer am Montagabend naturgemäß nicht kennen. Vielleicht ging es den Besucher ihrer Dauer-Show, die sie seit mehreren Jahren in Las-Vegas aufführt, etwas anders: Die Konzerte in der Glücksspiel-Stadt erzählen musikalisch verschiedene Stationen aus dem Leben der Frau, die mit 19 Jahren ihren Durchbruch erlebte und zu den am besten verdienendsten Künstlern der Welt zählt. Sie zeigen eine Person, die sich zwischen der Rolle des braven, jungfräulichen Mädchens und der sexualisierten Britney in „I‘m A Slave 4 U“ bewegt. Sie zeigen allerdings nicht, wie das Popstar-Leben, gescheiterte Beziehungen und Ehen und der unerbittliche Druck der Öffentlichkeit sie kurzzeitig in die Psychiatrie brachten.

Aus dieser für sie dunklen Zeit Ende der späten 2000er hat sich Britney längst emporgehoben. Sie wirkt wieder stark und selbstbewusst, wenn sie sich zu „Toxic“ durch die Haare fährt, bei „Womanizer“ mit dem Hintern wackelt und – die Zuschauer johlen – zu „Freakshow“ einen Tänzer an der Leine führt. Sie lässt die Menge tanzen und „Crazy“ laut mitsingen, sich bei „Breathe On Me“ küssend in den Armen liegen. Britney hat das Publikum in der Hand, und umgekehrt scheint es genauso. Hunderte Smartphones filmen sie, wenn sie sich lasziv an die Bühnendeko lehnt, auf einen Berg aus Stühlen klettert oder sich von ihrer Background-Truppe in die Höhe heben lässt. Jeder bekommt ein Stück von ihr, wie der Titel der Tour „Piece Of Me“ versprochen hat.

Doch genauer betrachtet bekommt niemand etwas, das wirklich von ihr stammt. Weder ihre Stimme, noch irgendeinen Blick in die Persönlichkeit, die hinter der lächelnden Fassade des Engels stecken muss. Und selbst den zahlenden Kunden des Pop diesen intimen Einblick zu verwehren, ist eigentlich auch ihr gutes Recht. Am Ende ist das ehrliche Glück, das die Konzertbesucher empfinden, wenn sie nach dem letzten Lied im glitzernden Konfettiregen dem Star ihrer Jugend applaudieren, vielleicht sowieso etwas, das sie schon mit der Karte erworben haben.

(bur)
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