Aus dem Leben eines Briefträgers in Mönchengladbach Zwischen Umschlägen und Kampf-Katzen

Mönchengladbach · Die Briefkästen auf der Waldhausener Straße in Mönchengladbach kennt er wie kein Zweiter: Seit 15 Jahren verteilt Frank Schenk die Post in der Altstadt. Er bekommt viel mit. Auch Dinge, die er nicht mitbekommen möchte.

 Wenn sich mehrere Kilo Post in den Boxen stapelt, ist es schwer, das Fahrrad zu lenken. Aber mit seinem E-Bike muss Frank Schenk nicht viel treten:

Wenn sich mehrere Kilo Post in den Boxen stapelt, ist es schwer, das Fahrrad zu lenken. Aber mit seinem E-Bike muss Frank Schenk nicht viel treten:

Foto: Jana Bauch

Um halb zehn am Morgen lauert sie für gewöhnlich am Briefschlitz hinter der Haustür. Sie weiß genau, wann Frank Schenk kommt. Doch der Briefträger hat sich über die launige Katze im Haus an der Karmannsstraße beschwert. "Als ich die Briefe einwerfen wollte, hat sie mir mit ihren Krallen eine gewischt", sagt Schenk und zeigt auf seine rechte Hand. Die Katzenbesitzer haben sofort gehandelt: Die Gardine am Innenteil der Haustüre ist nun ein ganzes Stück kürzer. So kann Schenk durch die Türscheibe schauen und prüfen, ob die Katze hinter dem Briefschlitz hockt.

Für tierische Besonderheiten und andere Hinweise gibt es Merkkarten im Zustellstützpunkt der Deutschen Post an der Lürriper Straße. Hier hat Briefträger Schenk einen Schreibtisch mit Regalen und Sortierfächern für seinen Bezirk. Um 6.45 Uhr ist Dienstbeginn, um 7.30 Uhr fährt der Lkw mit der Post aus dem Verteilerzentrum vor. Dann geht es ans Sortieren.

Briefe und Postkarten schiebt Schenk fast blind in die kleinen Fächer: Waldhausener Straße, Ecke Ludwigstraße, bis zur Sternstraße 33. Das ist der Bezirk 23, der Bezirk von Briefträger Schenk. Und das seit fast 15 Jahren. Zwischen den einsortierten Briefen leuchten Merkkarten in Ampelfarben. Grün bedeutet Nachsendung, besondere Hinweise stehen auf gelben Karten. Rot zeigt dem Briefträger an, dass der Kunde ein Postfach hat und seine Briefe selbst abholt.

Schenk kennt alle Vermerke auswendig. Ein Bewohner in der Staufenstraße möchte nicht, dass irgendeine Art von Post beim Nachbar landet. "Wir wissen häufig, wer sich in der Nachbarschaft gut riechen kann und wer nicht", sagt Schenk. An der Barbarossastraße haben die Besitzer eines "Privatclubs" darauf hingewiesen, dass ihre Namen nicht auf dem Briefkasten stehen, sie aber wirklich hier wohnen würden. An der August-Pieper-Straße beschwert sich ein Mann jedes Mal, wenn ein Postbote das Fahrrad gegen seine Hauswand lehnt. Und an der Waldhausener Straße gibt es ein Haus, in dem mehrere Parteien mit ähnlichen Nachnamen wohnen - hier wird um Vorsicht gebeten.

Im Jahr 1986, als Schenk bei der Post in Mönchengladbach als Briefträger anfing, kannte er zu den meisten Namen auf den Briefkästen nach kurzer Zeit auch die passenden Gesichter. Das ist heute anders. "50 Prozent der Anwohner in meinem Bezirk habe ich noch nie gesehen", sagt Schenk. Alles sei viel anonymer geworden, viel seltener als früher komme es vor, dass er von älteren Damen mal für einen Kaffee ins Haus gebeten wird. An der Sternstraße steht ein Mehrfamilienhaus mit 32 Briefkästen. "Hier kenne ich einen Mann. Die Anderen? Keine Ahnung."

Es kommt aber durchaus auch vor, dass Schenk seine Postkunden lieber nicht kennen würde. Besonders dann, wenn er als Eheberater herhalten soll: Eine Frau trennte sich nach 30 Jahren Beziehung von ihrem Mann und schmiss ihn aus der gemeinsamen Wohnung. Regelmäßig tauchte dieser noch vor dem Haus auf - meistens genau dann, wenn Schenk mit seinem E-Bike mit der Post vorfuhr. Zum Leidwesen des Briefträgers. "Der hat mir Sachen erzählt, die möchte ich gar nicht wissen", sagt er und schüttelt den Kopf.

Angst beim Austeilen der Post hat Schenk mehr vor Ehekrisen live und in Farbe als vor bellenden Hunden. "Mein Lieblingshund ist ein Mops an der Waldhausener Straße." Leckerlis hat er aber nicht dabei. Davon rät er auch anderen Briefträgern ab. "Gewöhnst du die Hunde an Belohnungen und wirst dann von einem Kollegen vertreten, der keine dabei hat - das kann für denjenigen mitunter sehr unschön werden."

(laha)
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