Borussia-Spiel in der Kneipe „Es fühlt sich nicht wie ein Gladbach-Spiel an“

Mönchengladbach · Mit dem Re-Start der Bundesliga kehrt der Fußball in die Kneipen zurück. Doch im Salonika Sport Treff in Mönchengladbach-Eicken kommt nicht die übliche Emotion auf. Der Wirt ist dennoch erleichtert, dass alles ruhig geblieben ist.

 Viel Luft zwischen den Fans. Einige Stammgäste haben sich das Spiel Borussia gegen Frankfurt in der Sportsbar angeschaut.

Viel Luft zwischen den Fans. Einige Stammgäste haben sich das Spiel Borussia gegen Frankfurt in der Sportsbar angeschaut.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Die Aufstellung passt noch nicht. Drei Männer nehmen gerade ihren Stammtisch am Fenster ein, doch Ioannis Stilidis hat daran etwas auszusetzen. Normal zusammensitzen gehe eben nicht. Zwei müssen sich vor die Tisch­enden setzen, einer in die Mitte. Es ist 17.55 Uhr am Samstag, das erste Borussia-Spiel beim Re-Start der Bundesliga steht an – und für die Gastwirte das erste Spiel unter strengen Corona-Schutzvorgaben.

Viele Kneipen in Mönchengladbach bleiben an diesem Tag allerdings noch geschlossen, auch Stilidis zögerte mit seinem Salonika Sport Treff. Er hatte Sorge, Stammgäste abweisen zu müssen. „Viele haben aber gesagt, mach auf“, sagt Stilidis. Einige signalisierten sogar freiwillig, sie würden nicht kommen. Das beruhigte Stilidis.

Ioannis Stilidis muss für die Einhaltung der Schutzvorgaben sorgen. Auch er hat gezögert, ob er wirklich öffnen soll.

Ioannis Stilidis muss für die Einhaltung der Schutzvorgaben sorgen. Auch er hat gezögert, ob er wirklich öffnen soll.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Vera und ihr Mann Bernd sind bei jedem Spiel hier. Beiden war klar, dass sie auch heute kommen. „Sonst ist es um diese Zeit schon immer rappelvoll“, sagt Vera. 150 bis 200 Leute seien an Spieltagen hier. „Mir ist das noch zu ruhig“, sagt Bernd. 15 Minuten vor dem Anpfiff sind noch einige Tische unbesetzt. „Die Leute kommen immer auf die letzte Minute“, sagt Stilidis. „Ich hoffe aber, es bleibt so ruhig.“

Auf den Fernsehbildschirmen erscheint derweil die Mannschaftsaufstellung. Diskussionen gibt das nicht her. Jedes Tischgespräch bleibt für sich. Es könnte auch Mainz gegen Freiburg spielen. Dann ertönt der Anpfiff – und nach 35 Sekunden führt Borussia 1:0. Ein Mann im Gladbach-Trikot springt auf, schreit und schlägt erregt mit der Hand auf seinen Stuhl. Der Rest zeigt kontrollierte Freude. Auch das frühe 2:0 in der 7. Minute lässt keine großen Gefühlsausbrüche zu. Man muss sich erst mit der neuen Situation zurechtfinden. „Normalerweise wird ständig diskutiert und reingerufen, das bleibt aus“, sagt Volker zur Halbzeit. Heute ist er als Fan da, sonst zapft er an der Theke im Nebenraum, die dieses Mal geschlossen ist.

Stilidis betreibt den Treff mit seiner Frau seit Anfang der 1990er-Jahre. Der Laden entwickelte sich zum Borussen-Kulttreff – Erinnerungsfotos mit Spielern, signierte Trikots und Schuhe von Günter Netzer erzählen davon. Stilidis lebt von den Stammkunden. Man kennt sich seit Jahren. Einer seiner Gäste steht plötzlich rauchend im Eingangsbereich. „Hau ab damit“, ruft Stilidis, der stets von Tisch zu Tisch pendelnd. Er lässt solchen Ansagen immer ein Lachen folgen. Er will ja nicht so sein, aber er muss – und tut es.

Klaus kommt ebenfalls seit vielen Jahren in den Treff, er spricht hier von einer „Clique“. Zusammen gründete man den Borussia-Fanklub Eicken. Heute sei es aber anders: „Es fühlt sich nicht wie ein Gladbach-Spiel an. Der 12. Mann im Stadion fehlt, es überträgt sich nichts. Das merkt man an der Stimmung.“ Trotzdem bewirkt die Halbzeitpause etwas. In der 58. Minute bekommt Matthias Ginter am Boden einen Stoß in den Rücken. An den Tischen wird gestikuliert, auch der Schiedsrichter kommt in der Wortwahl nun nicht mehr so gut weg.

„Den hab ich drin gesehen“, raunt es einige Minuten später von einem Tisch beim Schlenzer von Alassane Pléa an den Innenpfosten, „aber schön gemacht“, gibt es aus anderer Ecke als Antwort. Mittlerweile ist jeder Tisch besetzt, die Interaktion steigt.

Beim Elfmeterpfiff für Borussia nach einem Rempler an Breel Embolo ist man sich uneins. „Das war nichts“, ist zu hören. Klaus merkt später an, solche „objektiven Zwischentöne“ würden an normalen Spieltagen untergehen: „Da hätte die Menge einfach geschrien: War auf jeden Fall einer!“ Ramy Bensebaini verwandelt, dieses Mal lässt Stilidis die Tormusik aus dem Borussia-Park laufen. Der Funke springt kurzzeitig über, die Leute klatschen und singen mit. Der Frankfurter Treffer zum 1:3 ist nur noch Nebensache. Dann ist Schluss. „Auswärtssieg“ ruft jemand.

Keine zehn Minuten später ist der Treff fast leer, eine Angestellte beginnt die Tische zu desinfizieren. Klaus sitzt noch in seiner Ecke. Für ihn war es kein Vergleich zu einem normalen Spieltag im Treff. „Das ist nicht in Worte zu fassen, was sonst hier los gewesen wäre“, sagt er. Diskussionen, Anfeuerungen, Sprüche, das heizt sich bei vollem Haus stimmungsmäßig gegenseitig an. So sei das aber nicht möglich.

Stilidis wirkt nach Spielschluss erleichtert – alles ist ruhig geblieben. „Auf Dauer kann man so aber keine Sportsbar betreiben. Aber heute zählen erst einmal die drei Punkte“, sagt Stilidis. Ein Gast verabschiedet sich bei ihm: „Bis nächste Woche.“

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